Wikileaks-Enthüllungen über die FDP:Maulwurf-Mauschelei

In der FDP werden Fragen laut, warum Westerwelle den mutmaßlichen US-Informanten, Helmut Metzner, schützt. Schon ist von homosexuellen Seilschaften die Rede. Und der Maulwurf selbst? Ist abgetaucht.

Nico Fried

Der "Maulwurf" ist abgetaucht. Helmut Metzner, bis vor kurzem Büroleiter von Guido Westerwelle in der FDP-Zentrale, hat Urlaub genommen. Wann er zurückkommt, ist offen. Generalsekretär Christian Lindner sagte am Montag, die Partei wolle "großzügig sein und nicht auf jeden einzelnen Tag schauen". Auch die Texte auf der Internet-Seite "Muntermachermetzner.de" sind verschwunden, nur eines ist geblieben: Die Debatte in der FDP über Helmut Metzner, der die amerikanische Botschaft nicht nur über die Koalitionsverhandlungen zwischen Union und Liberalen im Herbst 2009 informierte, sondern schon seit Juni 2007 im Kontakt mit den Amerikanern stand, wie jetzt der Spiegel aufgrund weiterer Depeschen berichtete.

Die Debatte wirkt freilich ein bisschen so, als spielten sich Westerwelle-Kritiker unterschiedlicher Herkunft den Ball zu. Am härtesten hat sich bislang der schleswig-holsteinische Fraktionschef Wolfgang Kubicki geäußert, definitiv nicht dem engen Freundeskreis Westerwelles zuzurechnen. Kubicki forderte den Rauswurf Metzners. Das wird bisher von der FDP abgelehnt, für Metzner soll nach der Rückkehr aus dem Urlaub ein neuer Posten im Haus gesucht werden.

Dieser Umstand wiederum gibt in der FDP vereinzelten Vermutungen Nahrung, Metzner werde von Westerwelle wegen seiner Homosexualität geschont. Metzner ist Mitglied im Bundesvorstand des Lesben- und Schwulenverbandes. Es dauerte nach seiner "Enttarnung" nur drei Tage, bis Kritiker unter dem Schutz der Anonymität Solidarität unter Schwulen als Vorwurf gegen Westerwelle ins Feld führten: Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung berichtete über die Forderung aus der FDP, Generalsekretär Lindner, der für die Organisation der Geschäftsstelle zuständig ist, müsse sich von "Machenschaften" lösen. Diese wiederum, berichtete das Blatt, würden von den anonymen Kritikern in Verbindung mit homosexuellen Seilschaften in der Partei gebracht.

Die FDP-Spitze ist bemüht, die Debatte um den Rauswurf zu beruhigen, indem sie darauf verweist, dass Metzner sich nichts Rechtswidriges habe zu Schulden kommen lassen. Dies ist als Hinweis darauf zu werten, dass eine Kündigung Metzners arbeitsrechtlich nicht unbedingt erfolgreich sein müsse - ein Scheitern aber würde den politischen Schaden für die Liberalen noch weiter vergrößern.

Für die Amerikaner kann man indes nur hoffen, dass sie für Informationen aus der FDP nicht allein auf Metzner angewiesen waren. 2007 teilte er ihnen unter anderem mit, dass sich Guido Westerwelle als "Außenminister der nächsten Bundesregierung" positioniere, was damals bereits Allgemeingut war. Auch Metzners offenbar letzte Informationen von Anfang des Jahres 2010 decken sich mit dem, was die FDP seinerzeit allenthalben verbreiten ließ: Demnach gab Metzner am 3. Februar 2010 der Union die Schuld am lausigen Zustand der schwarz-gelben Koalition, weil CDU und CSU auf interne Probleme reagierten.

Am 16. Februar 2010 teilte er mit, dass Westerwelle sich auch weiter des "Diplo-Speak" in außenpolitischen Fragen befleißigen werde, also einer diplomatisch zurückhaltenden Ausdrucksweise, innenpolitisch aber weiter im Klartext formulieren wolle. Fünf Tage vorher hatte Westerwelle die Debatte über Konsequenzen aus dem Hartz-IV-Urteil angestoßen und gewarnt: "Wer dem Volk anstrengungslosen Wohlstand verspricht, lädt zu spätrömischer Dekadenz ein."

Zum Zeitpunkt des Metzner-Kontaktes mit der Botschaft war die Debatte in vollem Gange: Die Kanzlerin hatte sich von Westerwelles Wortwahl distanziert, SPD-Chef Sigmar Gabriel hatte den FDP-Chef einen Brandstifter genannt. Unklar bleibt einstweilen, ob Metzner aus eigenem Antrieb die Amerikaner zu beruhigen trachtete; oder von der US-Botschaft nach einer Interpretation gefragt worden war; oder ob er doch im Auftrag der FDP handelte, was deren Führung zurückweist. Metzner selbst versicherte dem Focus, sein Chef habe nichts gewusst.

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