Wie die Franzosen Deutschland sehen:Angela, geh du voran

Keine Spur von Germanophobie: Zumindest das Deutschland-Bild der Franzosen hat sich seit Beginn der Euro-Krise verbessert, eine Mehrheit begrüßt eine vertiefte wirtschaftliche Annäherung beider Länder. Erbfeinde? Das war einmal. Und das liegt vor allem an einer Frau.

Lilith Volkert

"Komisches Volk!" heißt eine Ausstellung über die Deutschen, deren Eröffnung vergangene Woche im Amtssitz des deutschen Botschafters in Paris gefeiert wurde. Frankreichs bekanntester Karikaturist Jean Plantu, der die Tageszeitung Le Monde seit Jahren mit Spott-Zeichnungen versorgt, zeigt darin seine Sicht auf die deutschen Nachbarn. Besonders auf eine Nachbarin: Im Zentrum vieler Bilder steht eine dralle, etwas dümmlich dreinblickende Blondine, deren spitze Nase keck zwischen riesigen Pausbacken hervorragt. Nicht selten drängt die raumgreifende Angela den kleinen Nicolas energisch an den Rand des Blattes.

Auch in der Wahrnehmung der Franzosen macht sich die Kanzlerin breit - so breit, dass sie fast stellvertretend für ihr Land gesehen wird. "Welche Worte und welche Ideen gehen Ihnen beim Gedanken an Deutschland spontan durch den Kopf?", wollte das renommierte Umfrageinstitut Ifop von mehr als 1000 Franzosen wissen. Merkel kam mit 20 Prozent der Nennungen auf Platz zwei - nach den Begriffen "ernst" und "streng" (22 Prozent).

Seit Angela Merkel als energischer Part im Eurorettungs-Duo "Merkozy" einen Ausweg aus der Schuldenkrise sucht, ist die Kanzlerin des "komischen Volks" in Frankreich beliebt wie nie zuvor: Schon vor einigen Monaten hatte eine Umfrage der Zeitung Le Parisien gezeigt, dass eine breite Mehrheit der Franzosen in der Euro-Krise der CDU-Frau mehr vertrauen als dem eigenen Präsidenten. Seit Beginn der Krise hat sich das Deutschland-Bild bei einem Viertel der Franzosen verbessert.

Die deutsche Botschaft in Paris hat die Studie zum Deutschland-Bild der Franzosen in Auftrag gegeben, um unter anderem herauszufinden, was an der Polemik um eine vermeintliche "Germanophobie" dran ist, die im französischen Wahlkampf angeklungen war. In der Bevölkerung sei von Deutschenfeindlichkeit nichts zu spüren, befanden nun die Meinungsforscher.

Die Umfrage zeigt ein überwiegend positiv besetztes Deutschland-Bild: 82 Prozent haben ein gutes oder sehr gutes Bild des Nachbarlandes, nur 18 Prozent ein schlechtes oder sehr schlechtes. Doch die üblichen Klischees vom disziplinierten, fleißigen Deutschen mit solider Rechtschaffenheit haben Bestand: Disziplin, Organisation, Aufrichtigkeit und Arbeit sind Begriffe, die zehn bis zwölf Prozent der Befragten spontan zu Deutschland einfallen.

Eher Partnerschaft als Freundschaft

Doch die angeblichen "deutschen Tugenden" sind kein Anlass mehr für Chauvinismus. Erbfeinde? Das war einmal. Nur bei älteren Franzosen wird das Deutschland-Bild noch von vergangenen Kriegen beeinflußt, als prägend gilt heute längst die Ära der Wiedervereinigung und des Mauerfalls. Auch wenn man in Frankreich ähnlich wie in Großbritannien ungern einen Hitlerwitz auslässt, wie zuletzt in dem Kino-Kassenschlager Ziemlich beste Freunde: Hier lässt der Pfleger seinem querschnittsgelähmten Chef beim Rasieren einen zweifingerbreiten Oberlippenbart stehen und lacht sich schlapp über dessen hilflose Diktatoren-Visage. Nun gut, darüber können die Deutschen heute selbst ausgelassen lachen.

Weiterhin darf das französisch-deutsche Verhältnis eher als solide Vernunftbeziehung denn als heiße Liebesliaison gelten: Auf die Frage, welcher Begriff die Beziehung zwischen Deutschland und Frankreich charakterisiere, sagten die Befragten am häufigsten "Partnerschaft". Diese Antwort legte im Vergleich zu einer früheren Umfrage aus dem Jahr 2003 um beachtliche zehn Prozentpunkte zu - "Freundschaft" sank im gleichen Maße. Öfter taucht unter den Antworten inzwischen der Begriff "Rivalität" auf.

Dennoch begrüßen die Franzosen mehrheitlich die wirtschaftliche Annäherung beider Länder, wie die Finanzminister François Baroin und Wolfgang Schäuble sie an diesem Montag in Paris ausloten. Die Krise werde die deutsch-französische Beziehung noch verstärken, meinen viele Franzosen. Man erhofft sich wohl Unterstützung von dem wirtschaftlich stärkeren Nachbarn. Auch der Karikaturist Plantu liebt die Kanzlerin vor allem aus praktischen Gründen: "So rundlich wie sie ist, mit ihrer unglaublichen Frisur, ist Angela Merkel einfach gut zu zeichnen."

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