Widerstand gegen Gordon Brown:Der grummelnde Schotte

Wieder ist ein Putsch gegen den britischen Premier gescheitert. Dennoch: Gordon Brown hängt wie ein angezählter Boxer in den Seilen. Er ist schwach - aber seine Partei ist schwächer.

Andreas Oldag

Ein Brutus kann auch ein Weichei sein. Jeremy Paxman, der bekannte BBC-Moderator, war es, der dem britischen Labour-Politiker Geoff Hoon eine perfide Frage entgegenschleuderte: "Wenn Sie Brutus gewesen wären, würde Caesar noch einmal davongekommen sein?" Hoon schaute verdattert in die Kamera und musste verlegen zustimmen.

Widerstand gegen Gordon Brown: Gordon Browns Führungsanspruch wird immer wieder in Frage gestellt.

Gordon Browns Führungsanspruch wird immer wieder in Frage gestellt.

(Foto: Foto: dpa)

Sein Putsch, ausgeführt mit der Parteikollegin Patricia Hewitt, war kurz zuvor kläglich gescheitert. Premierminister Gordon Brown bleibt zunächst im Amt. Die Rebellen, die eine Abstimmung über die Parteiführung gefordert hatten, erhielten nicht genug Unterstützung für ihren Coup. Kein wichtiges Kabinettsmitglied schloss sich dem Vorschlag des Ex-Verteidigungsministers und der ehemaligen Gesundheitsministerin an.

Rettung im letzten Moment

Ein Sturz des Premiers vor der Parlamentswahl ist zunächst abgewendet. Bis Anfang Juni muss in Großbritannien gewählt sein. Als möglicher Termin gilt der 6. Mai.

Doch Browns Führungsanspruch wird immer wieder in Frage gestellt. Erst im vergangenen Sommer überlebte er einen Putschversuch. Dass sich Brown im letzten Moment immer noch retten kann, ist vor allem der Schwäche seiner innerparteilichen Gegner zu verdanken.

Es gibt derzeit kaum eine Alternative zu dem grummelnden Schotten. Der junge Außenminister David Miliband traut sich nicht aus der Deckung. Seine Zeit kommt noch - weshalb er auch vor kurzem ein Angebot aus Brüssel ausschlug, die EU-Außenpolitik zu führen. Auch Erziehungsminister Ed Balls, dem Ambitionen auf den Parteivorsitz nachgesagt werden, wartet lieber ab. So lähmt sich die Partei selbst, obwohl sie ihres Mannes in Downing Street Nummer zehn längst überdrüssig geworden ist.

Brown hängt wie ein angezählter Boxer in den Seilen. Tiefschlag auf Tiefschlag muss er ertragen. Doch er geht nicht zu Boden. Bleiern schwerfällig wirkt der Premier nur noch, auch wenn er seinen Regierungsstil als Gegenmodell zur Showeffekt-Politik seines Vorgängers Blair verkauft. Auf den Spesenskandal von Abgeordneten, der im vergangenen Frühjahr die Schlagzeilen beherrscht hatte, reagierte Brown zu spät. Er überließ die Öffentlichkeit dem Oppositionsführer David Cameron, obgleich die Konservativen nicht weniger mogeln.

Der Afghanistan-Krieg erweist sich für den Premier als schwere Hypothek. Immer weniger Briten wollen akzeptieren, dass Woche für Woche junge Soldaten am Hindukusch ihr Leben lassen. Die Zweifel wachsen, ob die Rolle Londons als eilfertiger Juniorpartner Washingtons überhaupt noch im nationalen Interesse des Königreichs ist. Doch Brown, der bereits in seinem Amt als Finanzminister der Blair-Regierung keinen Hehl aus seiner Abneigung gegen Brüssel machte, hat weder Kraft noch Willen, die Briten nach Europa zu bringen.

Schmeichelei mit sozialdemokratischer Politik

Das größte Problem für Labour ist aber die Wirtschaftskrise, die Großbritannien stärker in Mitleidenschaft gezogen hat als beispielsweise Deutschland oder Frankreich. Ähnlich wie ihre ausgabefreudigen Vettern in den USA hatten die Briten auf den Immobilienmarkt vertraut, dessen Spekulationsblase nun geplatzt ist. Die Folge: Immer mehr Menschen stecken in der Schuldenfalle. Außerdem wird der große Bankensektor, der etwa neun Prozent zur britischen Wirtschaftskraft beisteuert, zur Bürde. In der Londoner City sind überdurchschnittlich viele Jobs verlorengegangen.

Nun umschmeichelt Brown die Wähler mit einer betont sozialdemokratischen Politik. Die Bonus-Steuer für Bankangestellte gehört dazu, wie auch Hilfen für ärmere Familien. Labour will so doch noch die Stimmung drehen. Dabei kommt Brown zugute, dass die Tories gerade in der Wirtschaftspolitik bislang kein überzeugendes Konzept vorlegen konnten. All dies nutzt aber wenig, wenn der Premier noch eine Revolte ertragen müsste. Die Iden des März überlebt kein Cäsar ein zweites Mal.

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