Westliche Stars in Russland:Bürokratische Hürden für unbequeme Künstler

Madonna setzte sich für die kremlkritische Band Pussy Riot ein, die Bloodhound Gang sorgte mit einem antirussischen Auftritt für einen Skandal: Das Verhältnis zwischen Russland und westlichen Stars ist belastet. Laut russischen Medien droht nun ein "Visa-Vorhang".

Von Frank Nienhuysen, Moskau

Die Plakate hängen bereits, Opernsängerin Montserrat Caballé lächelt, die Altrocker Deep Purple werden kommen, und auch Elton John kündigt den Moskowitern sein Konzert schon für den Winter an. Trotz der verheißungsvollen Werbung verläuft aber alles nicht mehr alles so einfach wie in den vergangenen Jahren. Das Verhältnis zwischen Russland und westlichen Künstlern ist belastet.

Der deutsche Regisseur Marius von Mayenburg hat aus Protest gegen das neue russische Schwulengesetz ein Werkstattgespräch abgesagt, der britische Schauspieler Wentworth Miller verzichtet auf ein Filmfestival in St. Petersburg. Nun macht sich auch noch eine Gruppe aus 27 russischen Konzertveranstaltern und Kulturschaffenden Sorge um die Gastauftritte ausländischer Künstler. In einem offenen Brief an Präsident Wladimir Putin befürchten sie einen "Kollaps des Geschäfts", ja "die Isolation des Landes von der Weltkultur".

"Politische Propaganda" von Madonna

Formal geht es eher um eine bürokratische Spitzfindigkeit. Weil es in Russland ein Künstlervisum, wie in anderen Ländern üblich, nicht gibt, reisen ausländische Musiker, Schauspieler und Artisten meist mit einem "humanitären Visum" ein. Das war lange Zeit kein großes Problem.

Aber dann trat Madonna auf. In Moskau setzte sie sich öffentlich für die kremlkritische Band Pussy Riot ein, in St. Petersburg solidarisierte sie sich mit Homosexuellen - zum Verdruss des Stadtabgeordneten Witalij Milonow, der die Verschärfung des Homo-Gesetzes in Petersburg maßgeblich angetrieben hatte.

Milonow verklagte die Amerikanerin zwar vergeblich, sah jedoch in der Visum-Sache eine neue Chance, Madonna und auch Lady Gaga gerichtlich zu belangen. Denn mit dem humanitären Visum darf ein Künstler streng genommen in Russland kein Geld einnehmen. "Und sie betreiben damit hier auch noch politische Propaganda", empörte sich Milonow über die singenden Superstars.

Ein drohender "Visa-Vorhang"

Spätestens der antirussische Skandal-Auftritt der Gruppe Bloodhound Gang vor wenigen Wochen hat die Politik aufgeschreckt und die Visafrage neu entfacht. Milonow jedenfalls will die Einreise der Künstler prüfen lassen, die im Land Aufruhr verursachen könnten. Werden die Visa-Dokumente also zu einem taktischen Mittel, um unbequeme Künstler zu verhindern?

Russische Medien schrieben bereits von einem drohenden "Visa-Vorhang". Doch Jewgenij Finkelstein, Präsident der Medienholding PMI, die Madonna und Lady Gaga nach Russland brachte, versucht zu beschwichtigen. Das russische Außenministerium habe zwar tatsächlich aufgehört, humanitäre Visa an Künstler auszustellen. Stattdessen müssen sich die Promoter um ein Arbeitsvisum kümmern, was langwieriger ist. "Der Staat aber hat sich nie eingemischt, welche Konzerte wir organisieren. Die Künstler haben das Recht, ihren Standpunkt auszudrücken", sagte er der SZ.

In dem Brief an Putin, den der Konzertveranstalter und viele andere russische Promoter unterschrieben haben, fordert Finkelstein Klarheit. Nach seinen Angaben habe das Präsidialamt reagiert; die Einführung von Künstler-Visa werde ausgearbeitet. Selbst dann aber dürften Künstler nicht nur daran gemessen werden, wie sie singen. Sondern auch, was sie sonst noch sagen.

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