Westerwelle unter Druck:Freiwillig geht er nicht

FDP-Chef Rösler hat Westerwelle zum zweiten Mal binnen weniger Monate gerettet. Manche vermuten oder unterstellen, Rösler habe es nicht geschafft, ihn loszuwerden. Der Außenminister dagegen hat eine klare Botschaft hinterlassen: Wer mich weg haben will, muss kämpfen.

Nico Fried, Berlin

Es ist ein sonniger Tag im Bergischen Land. Die FDP-Abgeordneten, die sich im Hof ihres mondänen Tagungshotels zum Pausenpläuschchen treffen, wirken entspannt. Guido Westerwelle ist nicht da. Philipp Rösler auch nicht. Beide sind zur Kabinettssitzung nach Berlin geflogen. Zusammen, wie man vermuten sollte. Aber sicher kann man da nicht sein. Nichts ist sicher bei der FDP in diesen Zeiten.

German Foreign Minister Westerwelle speaks at congress of German diplomats in Berlin

Westerwelle hat in den vergangenen Tagen deutlich gemacht, dass er sein Amt nicht vorzeitig aufgeben will.

(Foto: REUTERS)

Rösler hat am Vortag das gesprochen, was man gemeinhin ein Machtwort nennt. Westerwelle bleibt Minister. Dabei hätte er es bewenden lassen können. Rösler hat aber auch gesagt, dass er als Parteichef in der vergangenen Woche "klar die Linie der FDP in außenpolitischen Fragen vorgegeben" habe. Westerwelle sei "dieser Linie ebenso klar gefolgt". Es gibt FDP-Abgeordnete, die von diesem Satz Röslers vor Journalisten erst aus der Zeitung erfahren haben und jetzt die Journalisten ungläubig fragen: "Hat er das wirklich so gesagt?"

Hat er. Und Röslers Wiedergabe der Geschehnisse in der vergangenen Woche war ja auch nichts als die Wahrheit, vielleicht abzüglich der Tatsache, dass der Parteichef den Nato-Einsatz in Libyen am Freitag noch sehr viel deutlicher gewürdigt hatte als es der Außenminister zwei Tage später tat. Und trotzdem verstehen manche Röslers Satz über die Vorgabe der außenpolitischen Linie wie eine Art kalten Putsch gegen Westerwelle: Der Parteichef nimmt für sich eine Richtlinienkompetenz in der Außenpolitik in Anspruch.

Später an diesem Mittwoch, fernab vom Bergischen Land in Berlin, sagt Westerwelles Sprecher, der Minister führe das Auswärtige Amt "eigenverantwortlich mit allem, was dazu gehört". Und der Regierungssprecher sagt, alle Minister leiteten ihr Geschäftsbereiche "selbständig und eigenverantwortlich", wie es das Grundgesetz vorsehe. Das Grundgesetz. So weit ist es gekommen mit der FDP, dass die Verfassung helfen muss. Das Wort von der Rechtsstaatspartei bekommt an diesem Tag eine völlig neue Bedeutung.

Rösler hat Westerwelle nun zum zweiten Mal binnen weniger Monate im Amt belassen. Und trotzdem ist die Freundschaft zwischen Rösler und Westerwelle, so es eine gibt, nicht gewachsen in Bensberg. Der Parteichef hat draußen einen viel beachteten Auftritt hingelegt; Rösler hat versucht zu demonstrieren, dass er weiter bemüht ist, seine formale Macht als FDP-Vorsitzender auch faktisch anzuwenden. Manche aber vermuten oder unterstellen, Rösler sei schlicht mit dem Versuch gescheitert, Westerwelle diesmal loszuwerden. Dieser Eindruck könnte auch dadurch verstärkt worden sein, dass drinnen, vor den Abgeordneten im Saal und unter Ausschluss der Öffentlichkeit, Westerwelle am Dienstagabend den bedeutenderen Auftritt hatte. Selbst notorische Kritiker des Außenministers zeigen sich am Tag danach beeindruckt.

Die etwa 90 Abgeordneten diskutierten an diesem Abend intensiv. Die meisten sprachen zur Euro-Krise und über die Bedenken, die sie wegen der Ausweitung des Rettungsschirms und der unklaren Parlamentsbeteiligung haben. Nur wenige streiften das Thema Westerwelle. Erst nach dreieinhalb Stunden meldete sich Westerwelle selbst zu Wort. In eigener Sache. "Das hat er geschickt gemacht", sagt ein Abgeordneter, "erst die Stimmung geprüft und dann losgelegt".

Westerwelle verteidigte seinen Kurs in der Libyen-Politik. Und er erinnerte daran, dass diese Entscheidung in der Regierung gemeinsam getroffen worden sei. Er sagte, er sei doch nur der Prügelknabe. Wer ihn angreife, meine eigentlich die FDP. Und er hinterließ eine Botschaft, die am Tag danach von mehreren Teilnehmern mit unterschiedlich hohen Sympathiewerten für Westerwelle dennoch einhellig so zusammengefasst wird: Ich gehe hier nicht freiwillig weg. Wer mich weg haben will, muss kämpfen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: