Westerwelle und Steuersenkungen:FDP im goldenen Sattel

Steuersenkungen, Steuersenkungen, Steuersenkungen: Guido Westerwelle kann nicht von seinem alten Megathema absteigen - und reitet auf einem toten Tier zum Dreikönigsparteitag der FDP. Dem Parteichef fehlt die Kraft, sich auf neue Verhältnisse einzustellen.

Heribert Prantl

Im Internet kursiert eine alte Weisheit, die angeblich von den Dakota-Indianern stammt: "Wenn du merkst, dass du ein totes Pferd reitest, dann steig ab."

Westerwelle und Steuersenkungen: Seit Ende Oktober 2009 Außenminister und Vizekanzler der Bundesrepublik: Guido Westerwelle

Seit Ende Oktober 2009 Außenminister und Vizekanzler der Bundesrepublik: Guido Westerwelle

(Foto: Foto: ddp)

Guido Westerwelle hat aber keine Zeit zum Lesen im Internet und keine Zeit für alte Weisheiten; er hat als Außenminister auch kaum Zeit für die Partei, deren Vorsitzender er immer noch ist.

Darum reitet er auf einem toten Tier zum Dreikönigsparteitag der FDP. Ihm fällt es schwer, von seinem alten Haupt- und Megathema abzusteigen: Steuersenkungen, Steuersenkungen, Steuersenkungen. Er bleibt dabei, weil er damit bisher Erfolg gehabt und weil es Kraft kostet, sich auf neue Verhältnisse einzustellen - eine Kraft, die Westerwelle nicht hat.

Er hat immer dieses eine Thema propagiert, durch alle politischen Wirrnisse: Steuersenkungen waren gut, als es der Wirtschaft gutging, jetzt sind sie gut, weil es ihr schlecht geht. Steuersenkungen waren und sind sein Rezept, das angeblich immer hilft. Mit diesem Thema hat Westerwelle zuletzt die Bundestagswahlen für die FDP wunderbar gewonnen.

Jetzt verliert er damit das alte Terrain der FDP, die Finanzpolitik; man hört und sieht auf diesem Feld kaum noch einen anderen Politiker als CDU-Finanzminister Wolfgang Schäuble, der sich in Zeiten von gigantischen Schulden als Stimme der Vernunft präsentiert und dem Koalitionspartner FDP Realitätsferne vorhält.

Aber in der FDP versteift man sich darauf, dass es doch im Koalitionsvertrag so festgehalten ist: Das Pferd ist gar nicht tot, es lebt.

Die FDP preist Flexibilität - ihr Chef ist stur

Also hat Westerwelle dem Tier einfach den prächtigen Sattel des Außenministers aufgelegt und das goldene Zaumzeug des Vizekanzlers angelegt und tut nun so, als müsse man das Tier nur richtig peitschen.

Weil er selber viel unterwegs ist, übernimmt diese Aufgabe ersatzweise FDP-Fraktionschefin Birgit Homburger: Sie will weitere Steuersenkungen finanzieren mit Einsparungen - ausgerechnet - im Bereich der Familienpolitik und bei der Bundesagentur für Arbeit. Für Homburger gilt: Sie gibt ihr Bestes, handelt im Geist des Parteichefs, aber das reicht eben nicht.

Hermann Otto Solms, der alte Finanzfuchs der FDP, ist stumm geworden.

Die Partei murrt ein wenig, aber Westerwelle kümmert das nicht. Im Mai sind Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen, wichtige Wahlen für die FDP, da wird das Murren schon nicht überhand nehmen.

Die FDP ist die Partei, die die Flexibilität preist, aber ihr Chef neigt zur Sturheit. Er hat weder Zeit noch Lust und Sinn für Flexibilität, er hat keinen Nerv, sich darum zu kümmern, dass seine FDP versprochen hat, nicht nur Steuersenkungs-, sondern auch Bürgerrechtspartei zu sein.

Altbackene Politik

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger ist zwar nun Bundesjustizministerin, aber so einsam und verlassen wie zuvor: Sie hat ihre ersten schlimmen Niederlagen erlitten.

Das Swift-Abkommen mit den USA ist verlängert worden, ohne dass Westerwelle ein scharfes Wort dagegen gesagt hätte: Die US-Geheimdienste haben daher weiterhin freien Zugriff auf die Daten von Auslandsüberweisungen deutscher Bankkunden; mehr als 326 Millionen waren das im vergangenen Jahr.

Hier hätte man sich das liberale Veto gewünscht, das der FDP-Wirtschaftsminister Brüderle gegen Mindestlöhne für 150.000 Müllarbeiter eingelegt hat.

Kein liberaler Stimmführer im Parlament

Natürlich: Leutheusser-Schnarrenberger protestiert, mahnt, bedauert - aber das hilft ihr heute beim Datenschutz und der Vorratsdatenspeicherung so wenig wie einst beim Lauschangriff, wenn der Parteichef nicht hinter ihr steht.

Wenn es so weitergeht, wird sie von der Repräsentantin der Bürgerrechte zur Symbolfigur für die Schwächen der FDP.

Die Westerwelle-FDP macht ihre alte Politik weiter und merkt nicht, dass altbackene Politik daraus geworden ist. Westerwelle war erfolgreicher Parteichef in Oppositionszeiten. Es fehlt bisher jedes Indiz dafür, dass er es auch in Regierungszeiten ist.

Es gibt keinen liberalen Stimmführer mehr im Parlament. Er will noch immer höchstpersönlich der Tausendsassa der Partei sein, so wie er es gewesen ist; aber nun ist er Außenminister und beschäftigt damit, sich die Schuhe großer Vorgänger anzuziehen, sie zu putzen und zu polieren, auf dass nicht der junge Konkurrent von der CSU, Verteidigungsminister Guttenberg, glänzender dasteht als er.

Westerwelle hat neue Aufgaben, kann aber die alten nicht loslassen.

Der jüngste der alten Bundespolitiker

15 Jahre lang war es sein großes Plus, dass er der einzige präsentable junge Politiker seiner Partei war. Weit und breit war kein anderer. Das ist nicht mehr so. Jetzt ist er der jüngste der alten Bundespolitiker.

Die Rolle der Jungen in der Partei nehmen jetzt Leute ein wie Gesundheitsminister Philipp Rösler und der neue FDP-Generalsekretär Christian Lindner. Westerwelles Wahlerfolge haben neue Talente geweckt. Die neuen Jungen haben sich dann, ziemlich schnell und ohne große Förderung von oben, selber durchgesetzt.

Die FDP ist nun nicht mehr allein auf den Parteichef angewiesen, der aber so tut, als sei er die exklusive Verkörperung der Liberalität.

Verglichen freilich mit den Leiden der CSU sind die Probleme der FDP komfortabel: Die Westerwelle-FDP muss nur das Pferd wechseln; die CSU muss sich neu erfinden.

Bei der FDP bröselt es nur; die CSU fällt auseinander.

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