Mubarak und die Deutschen:Schwärmen vom Diktator

"Ein Mann großer Weisheit": Deutsche Politiker interessierten sich schon immer mehr für die Stabilität Ägyptens als für die Rechte seiner Bürger - auch wenn sie das heute anders in Erinnerung haben.

Daniel Brössler und Nico Fried

An seine bisher einzige Außenminister-Reise nach Ägypten kann sich Guido Westerwelle noch sehr genau erinnern. Jedenfalls sagt er das. Im Mai 2010 war das, und wie Westerwelle den Besuch am Montag im Deutschlandfunk schildert, ging es vor allem um den Frieden in Nahost. Er habe aber, versichert Westerwelle gleichwohl, "auch stets die Bürgerrechte und die Menschenrechte angesprochen und auch die Einhaltung angemahnt".

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Bundeskanzlerin Merkel und Ägyptens Präsident Mubarak im März 2010 in Berlin.

(Foto: AFP)

Dieser Umstand freilich ist während der Reise nicht nur den mitreisenden Journalisten entgangen, sondern auch Beamten des Auswärtigen Amtes. Auf der Webseite des Ministeriums veröffentlichten sie damals einen Reisebericht, in dem von "traditionell" enger Partnerschaft, von Nilwasser, der Nofretete-Büste und indirekten Friedensgesprächen die Rede ist. Nichts findet sich in der Auflistung, was mit Bürgerrechten und Menschenrechten zu tun hätte.

Westerwelles Besuch in Ägypten war Teil einer größeren Nahost-Reise, die den Minister von Beirut über Kairo und Amman nach Damaskus führte. Was die Bedeutung des Themas Menschenrechte während der Arabien-Tour angeht, so spielt die Erinnerung Westerwelle nun womöglich einen Streich. Mehr jedenfalls interessierten sich auch die Reporter an Bord für die auf jeder Station spürbare Kriegsangst.

Bis zur letzten Minute war in Kairo nicht sicher, ob Westerwelle den gesundheitlich angeschlagenen Präsidenten Hosni Mubarak überhaupt treffen würde. Erst kurz vor Abflug wurde Westerwelle von Mubarak empfangen. Erfreut pries er ihn danach als "Mann mit enormer Erfahrung, großer Weisheit und die Zukunft fest im Blick".

Die schwärmerischen Worte über den Diktator hatten zu tun mit einer Furcht, die nun, angesichts des schwankenden Regimes, eher stärker geworden ist: der Furcht, dass ohne Mubarak die Chancen auf Frieden in der Region noch schlechter werden.

Als Westerwelle anlässlich seines Besuches der ägyptischen Zeitung Al Ahram ein Interview gab, wurde er ausdrücklich nach den anstehenden Wahlen gefragt. "Ägypten ist durch langjährige politische Kontinuität geprägt und ein Stabilitätsanker in der Region", antwortete er. Die Gelegenheit, über Demokratie zu sprechen, ließ der FDP-Politiker verstreichen.

Das hat Tradition. Auch Westerwelles Vorgänger, Frank-Walter Steinmeier von der SPD etwa, interessierten sich während ihrer Besuche mehr für die Stabilität Ägyptens und seinen Beitrag zum Frieden als für die Rechte seiner Bürger. Das gilt auch für Bundeskanzlerin Angela Merkel. Von ihr sind bezüglich der Menschenrechte in Ägypten keine kritischen Äußerungen in Erinnerung geblieben.

Das Existenzrecht Israels steht über allem

Schon bald nach ihrem Amtsantritt telefonierte Merkel 2005 mit Mubarak, der sich neugierig zeigte, sie kennenzulernen, und prompt zu einem Besuch im März 2006 eingeladen wurde. Im Herbst kam er gleich noch einmal, und im Februar 2007 flog Merkel zu ihm nach Kairo. Dieser Besuch war Teil einer mehrtägigen Reise durch den Nahen Osten. Deutschland hatte die EU-Ratspräsidentschaft inne, Merkel und ihr damaliger Außenminister Steinmeier rückten die Krisenregion auf der Agenda nach oben.

Merkels Priorität war und ist eindeutig: Das Existenzrecht Israels steht über allem. Jene Herrscher der Region, die dazu einen Beitrag leisten können, sind Gesprächspartner, also auch der Ägypter Mubarak. Kooperation geht dann vor Konfrontation. Als Merkel ihn in Kairo besuchte, war Mubarak bereits 26 Jahre lang im Amt. Den Frieden des eigenen Landes mit Israel hatte er von seinem Vorgänger übernommen. Eigene Erfolge hatte er nicht vorzuweisen. Gleichwohl verstand er es immer wieder, sich als unerlässlicher Vermittler darzustellen.

Merkel glaubte damals, der Druck Irans werde dazu führen, dass die arabischen Staaten zusammenrücken. Sie glaubte, Herrscher wie Mubarak könnten den Nahost-Konflikt nicht länger als Disziplinierungsargument gegen die eigene Bevölkerung nutzen. Sie glaubte, auch Leute wie Mubarak bräuchten einen Erfolg im Nahost-Konflikt, um zum Beispiel die Islamisten zu beruhigen. Deshalb hoffte sie damals, im israelisch-palästinensischen Konflikt vorwärtszukommen. Sie irrte.

Und eigentlich hatte es Mubarak schon damals auf einer gemeinsamen Pressekonferenz prophezeit: "Erwarten Sie nicht", sagte er, "dass so eine Frage in einem Monat oder einem Jahr gelöst werden kann."

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