Nach Guttenberg-Rücktritt:Die heimlichen Freuden des Guido W.

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FDP-Chef Guido Westerwelle profitiert von Guttenbergs Plagiatsaffäre: Er ist seinen ärgsten Rivalen los und nutzt die Bühne, um sich als ernstzunehmender Außenminister zu profilieren. Doch die Krise ist noch nicht ausgestanden.

Thorsten Denkler, Berlin

Außenminister und FDP-Chef Guido Westerwelle versucht, sich nichts anmerken zu lassen am Tag des Guttenberg-Rücktritts, wobei zu sagen ist, dass Westerwelle auf dem Gebiet des "Sich-nichts-anmerken-lassens" eher zu den weniger Begabten gehört. Er steht dafür am vergangenen Dienstag mal wieder eine Spur zu gelassen vor den Kameras und versucht eine Spur zu unbeteiligt zu wirken, als er sagt, Guttenbergs Demission sei eine "Entscheidung der Konsequenz".

"Ich äußere mich nicht zu Dissertationen oder Abiturzeugnissen": FDP-Parteichef Guido Westerwelle. (Foto: dapd)

Westerwelle dürfte die Debatten um Guttenbergs Schummel-Dissertation mit einer gewissen Genugtuung zur Kenntnis genommen haben. Der FDP-Chef hatte zuvor geschafft, was keinem Außenminister je gelungen ist: Er ist der mit Abstand unbeliebteste Politiker im Land.

Das ist durchaus ein Problem für den eitlen Westerwelle. Und Guttenberg ist - nein, er war - Teil des Problems. Beide hatten ohnehin oft genug Streit miteinander. Der Abzugstermin für die deutschen Soldaten in Afghanistan etwa. Guttenberg wollte sich nicht auf ein bestimmtes Jahr festlegen. Westerwelle will in diesem Jahr mit dem Abzug beginnen.

Was noch schlimmer für Westerwelle war: Guttenberg präsentierte sich gerne als der bessere Außenminister - eloquent, authentisch, locker, unverkrampft. Guttenberg spricht auch besser Englisch. Das kommt an bei den Leuten.

Für einen Mann, der sich ohnehin schon für einen leuchtenden Stern am Polithimmel hält, muss es ziemlich demütigend sein, wenn da aus dem Nichts einer kommt, der alles andere überstrahlt. Konnte ja keiner ahnen, dass das nur der Widerschein einer Supernova war, einer gewaltigen Explosion eines Sterns am Ende seiner Lebenszeit. Am Ende seiner (ersten) politischen Lebenszeit hat sich Guttenberg als Blender entpuppt.

Diesmal macht Westerwelle alles richtig. Von ihm ist kein böses Wort zu Guttenberg überliefert. Soll ihm keiner nachsagen, er hätte am Ast des beliebtesten Politikers mitgesägt.

Dissertationen und Kindereien

Nur einmal, zu Beginn der Plagiatsaffäre, ließ er durchblicken, dass er mit der Entwicklung durchaus nicht unzufrieden ist. Er wird gefragt, ob Guttenberg zurücktreten müssen. Er antwortete: "Ich äußere mich nicht zu Dissertationen oder Abiturzeugnissen." Er hätte es bei "Ich äußere mich nicht" belassen können. Der schnippische Nachsatz aber soll zeigen: Er, der Außenminister, hat Wichtigeres zu tun, als sich mit den Kindereien eines Adelssprosses abzugeben.

Das ist sogar unbestreitbar, gerade in den vergangenen Wochen, da die arabische Welt einen historischen Umbruch erlebt. Westerwelle nutzt dies geschickt als Bühne, um sich als ernstzunehmender Außenminister zu profilieren. In Kairo lässt er sich von Regimegegnern feiern. In Iran verhilft er zwei Bild-Reportern zur Freiheit. Der Preis ist ein öffentlicher Händedruck mit Irans Machthaber Mahmud Ahmadinedschad. Manchen mag der Preis zu hoch gewesen sein. Doch erstmals in seinen eineinhalb Dienstjahren wirkt Westerwelle nicht wie ein diplomatischer Dauerpraktikant im Range eines Ministers.

Zu Beginn des Jahres hätten einige keinen Pfifferling darauf gesetzt, dass Westerwelle das Jahr politisch überleben würde. Vor dem Dreikönigstreffen der Liberalen in Stuttgart gab es Putschgerüchte, Indiskretionen, offene Anfeindungen gegen Westerwelle. Als "Grüßaugust" wurde er von eigenen Leuten verhöhnt. Es war alles beisammen, was es für einen ordentlichen Königsmord braucht. Nur den Brutus, den gab es nicht - und den gibt es bis heute nicht.

Das ist erst mal der wichtigste Grund, weshalb Westerwelle nicht schon im Januar zumindest sein Parteiamt verloren hat. Damals war er in der Kritik wie kein anderer Politiker in Deutschland. Mal als Chef der "Mövenpick-Partei", die lieber Hoteliers Milliarden hinterherwirft, als den Armen zu helfen und sie stattdessen in Verbindung mit spätrömischer Dekadenz bringt. Mal, weil er Schwierigkeiten hat, zwischen Privatem und Amtlichem zu unterschieden, wenn er alte Buddys und Parteispender mit auf Dienstfahrt nimmt. Mal, weil er offensichtlich überfordert ist mit dem Spagat zwischen Außen- und Parteiamt.

Mit der Hamburg-Wahl hat Westerwelle eine zweite wichtige Hürde genommen. Manche sagen, weil die FDP gar nicht in der Bürgerschaft vertreten war, gab es für Westerwelle auch nichts zu verlieren. Das stimmt so nicht. Auch die 4,8 Prozent von 2008 hätten schließlich noch unterboten werden können.

Jetzt hat die FDP dort 6,7 Prozent geholt. Das wohl vor allem wegen der jungen und attraktiven Spitzenkandidatin Katja Suding. Ohne ihr Plakatlächeln hätten es die Liberalen schwerlich in die Bürgerschaft geschafft. Ein Punkt für Westerwelle - Suding ist quasi seine Erfindung. Er hat damit seinen Ruf als genialer Wahlkämpfer vorerst bestätigen können.

Für FDP-Generalsekretär Christian Lindner ist jetzt die Führungsdebatte um Westerwelle beendet. Die Parteiführung habe "sehr genau zugehört", Kritik ernst genommen und Prioritäten geklärt, sagte er. "Nach meinem Gefühl ist diese Mischung aus Demut angesichts großer Aufgaben und Festigkeit in politischen Positionen und Prinzipien jetzt ein Anlass, das Bild der FDP zu korrigieren."

Ausgestanden aber ist die Westerwelle-Krise nicht. In Partei und Fraktion mögen seine Kritiker zwar still geworden sein. Ihre Kritik aber besteht weiter. Die Bild am Sonntag veröffentlichte jetzt eine Umfrage, wonach die FDP bei sieben Prozent liegt. Das ist zwar etwas besser, als noch vor einigen Wochen. Aber immer noch weit hinter den 14,6 Prozent zurück, die die FDP bei der Bundestagswahl geholt hat.

Nicht ausgemacht ist, ob Westerwelle sich tatsächlich geändert hat. Er tritt derzeit innenpolitisch nicht mehr so in Erscheinung. Das scheint der Partei gutzutun. Ob Westerwelle das auf Dauer genügt, ist fraglich. Seine innerparteilichen Gegner wissen: Er ist jederzeit zu einer unkontrollierten Eruption fähig.

Entscheidend werden für Westerwelle die Wahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz sein. Er wolle sich nicht an Umfragen sondern an Wahlergebnissen messen lassen, sagt er gerne. Dazu hat er dann Gelegenheit.

Geht die FDP trotz schwächelnder CDU mit einem satten Minus aus der Baden-Württemberg-Wahl inklusive Verlust der Regierungsmehrheit heraus und verpasst sie in Rheinland-Pfalz den Einzug in den Landtag, dürfte die Debatte um Westerwelles Zukunft sofort wieder losbrechen.

Es wird dann schwer werden für Westerwelle, sich bis zum Parteitag der FDP im Mai in Rostock wieder zu stabilisieren. Die Chancen für Westerwelle sind gestiegen, dass er auch danach noch Parteichef der Liberalen ist. Aus dem Schneider aber ist er noch lange nicht.

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