Werner Mauss:Nicht zu fassen

Werner Mauss, Former Secret Agent, Goes On Trial For Tax Evasion

Werner Mauss, 78, war viele Jahre als Geheimagent für die Bundesregierung tätig. Seit September 2016 steht er wegen Verdachts auf Steuerhinterziehung vor Gericht.

(Foto: Sascha Steinbach/Getty)

Zwei Jahre auf Bewährung und 200 000 Euro Geldbuße: Der Steuer-Prozess gegen den Ex-Agenten Werner Mauss endet mit einem erstaunlich milden Urteil.

Von Ralf Wiegand

Bochum - Eine Wende "auf quietschenden Reifen" sei es gewesen, sagte einer der Verteidiger von Werner Mauss und wirkte erleichtert. Deutschlands einziger Geheimagent mit der Lizenz zum Täuschen, ein von staatlichen Stellen mit zahlreichen Scheinidentitäten ausgestatteter ehemaliger Privatdetektiv aus dem Hunsrück, sah schon aus wie auf direktem Weg ins Gefängnis: wegen Steuerhinterziehung, jenem Verbrechen, über das auch die stolpern, die sonst niemals fallen.

Niemand, auch das Gericht nicht, schien Mauss die Geschichte zu glauben, wonach ihm westliche Geheimdienste Mitte der 1980er-Jahre ein pralles Konto eingerichtet haben, mit Geld, über das er zwar frei verfügen konnte, das ihm aber nicht gehörte - und das er daher auch nicht versteuern musste. "Grimms Märchen" glaubte er zu lauschen, entfuhr es dem Vorsitzenden Richter Markus van den Hövel einmal, und als Mauss monatelang das Erscheinen eines ganz entscheidenden Zeugen versprach, der aber nie kam, schienen die Würfel gefallen. Sechs Jahre und drei Monate Haft forderte die Anklage für einen besonders schweren Fall von Steuerhinterziehung in Höhe von 13,2 Millionen Euro.

Doch es kam anders. Der seit Jahrzehnten wie ein Phantom in der Grauzone zwischen Jägern und Gejagten umherwabernde Ermittler, der Verbrecher im Knast ausgehorcht haben will und mit Guerilleros die Freilassung von Geiseln im Dschungel ausdealte, der oft etwas lieferte, was keiner bestellt haben wollte und der nach eigenem Bekunden "weder Tod noch Teufel" fürchtete: Er war wieder einmal nicht zu fassen. Werner Mauss, 77, verließ das Bochumer Landgericht zwar nicht mit einem Freispruch, aber doch als freier Mann: Mit zwei Jahren auf Bewährung und 200 000 Euro Geldbuße ahndete das Gericht jene Steuerhinterziehung in Höhe von eben 13,2 Millionen Euro. Um den Freispruch will er weiter kämpfen.

Das ist eine milde, oder wie Mauss' Verteidiger Rainer Hamm sagte, "sehr maßvolle" Strafe angesichts der "für einen Privatmann ungewöhnlich hohen Summe", wie der Richter selbst bemerkte. Warum? Oder, wie die schwer geschlagene und eine Revision prüfende Staatsanwaltschaft fragen würde: Wie konnte das passieren?

Auch wenn Mauss' Leben in Passagen einem "Drehbuch für einen James-Bond-Film" gleiche, sagte der Richter in seiner Urteilsbegründung, so habe man es eben doch nicht mit einem deutschen James Bond zu tun gehabt. Mauss, lobte der Vorsitzende, habe sich sein ganzes Leben lang nichts, "aber auch rein gar nichts" zu schulden kommen lassen; als Verbrechensbekämpfer schaue er vielmehr auf eine "große Lebensleistung" zurück, vor der das Gericht "den größten Respekt habe". In diesem hochkomplexen Verfahren, das kein normales Steuerverfahren gewesen sei, habe man "dem Menschen Werner Mauss" gerecht werden müssen.

Das Gericht nimmt Mauss seine Heldengeschichten ab, darunter die "Rettung des Papstes"

Der Mensch Werner Mauss hat in seinem Leben ausführlich Buch über sich geführt. In der Ermittlungsakte finden sich Tausende Seiten in eigener Sache, minutiös fotografierte und protokollierte er jedes noch so geheime Treffen, vom dem er öffentlich leugnen würde, dass es je stattgefunden hat. Das Material hortete er über Jahrzehnte. Manches verwendet er heute noch gegen seine Feinde, anderes veröffentlicht er, wenn an irgendeiner Stelle seine Legende als Super-Mauss bröckelt. Mauss ist Mauss' akribischster Chronist.

Dagegen ist er mit der Dokumentation seiner Finanzen eher lässig umgegangen. In der Entwicklung seines über verschiedene Länder und Stiftungen bis in eine Lebensversicherung transferierten Vermögens waren blinde Flecken. Betriebskosten hat der Ein-Mann-Sicherheitsunternehmer offenbar nie genauer protokolliert. Dennoch hat er kurz vor Schluss des Prozesses eine solche Betriebskostenaufstellung angefertigt, in der er seine Agenten-Operationen mit den Barentnahmen von seinen Luxemburger Konten abglich. Wenn man ihrem Mandanten nicht glaube, so die Anwälte, dass das Geld nicht ihm, sondern fremden Mächten gehörte, dann müsse man ihm wenigstens gestatten, die nicht versteuerten Einnahmen mit nicht angegebenen Kosten zu verrechnen.

Das hat das Gericht getan. Es hat Mauss nicht nur abgenommen, dass er all die Heldentaten, deren oft einziger Zeuge er selbst ist, tatsächlich geleistet hat, es akzeptierte auch die Kosten dafür. Zum Beispiel 2,5 Millionen Euro zur "Rettung des Papstes", dem angeblich von der Mafia zur Vergiftung freigegebenen Benedikt XVI. 29 Millionen Euro habe Mauss auf diese Weise ausgegeben. Das Gericht ging zwar davon aus, dass das Vermögen zumindest seit vielen Jahren schon Mauss gehört, keinem Geheimbund. Der Agent hat ja weitreichende Erbregelungen verfügt, zwischenzeitlich sahen sie die Errichtung eines Museums seiner eigenen Geschichte vor, eine Art Maussoleum also. Er hätte demnach Steuern zahlen müssen - aber eben nicht jene 13,2 Millionen Euro, die er wegen überhaupt nicht erklärter Einnahmen nun berappen muss, sondern höchstens 2,3 Millionen Euro - nach Abzug seiner Kosten. Steuerrechtlich bemisst sich die Schuld an der großen Summe, strafrechtlich an der kleinen, daher das milde Strafmaß.

Mauss ist selbst das zu viel. Er wolle seinen Leumund "in jeder Hinsicht" wieder herstellen, ließ er erklären. Die Geschichte ist noch nicht zu Ende.

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