Weltwirtschaftsgipfel:Härtetest für die Kanzlerin

WDR Europaforum 2018

Der G-7-Gipfel in Charlevoix dürfte für Angela Merkel der schwierigste werden.

(Foto: dpa)
  • Angela Merkel sollte entspannt zum G-7-Treffen nach Kanada fliegen können, so viel Erfahrung wie sie hat kein anderer Teilnehmer.
  • Doch im Kanzleramt schauen sie mit erheblichen Sorgen auf den Gipfel - denn es dürfte zwischen den USA und den sechs anderen Staaten noch stärker rumpeln als beim letzten Mal.
  • Kanadas Premier Trudeau und Frankreichs Staatschef Macron kritisierten Trump deutlich - der kündigte an, den Gipfel schon vorzeitig verlassen zu wollen.

Von Robert Roßmann, Berlin

Angela Merkel kann bei G-7-Treffen kaum noch etwas überraschen. Die Bundeskanzlerin ist so lange im Amt wie die anderen sechs Staats- und Regierungschefs der Gruppe zusammen. Bei ihrem ersten Weltwirtschaftsgipfel hatte es Merkel noch mit Tony Blair, Jacques Chirac und George W. Bush zu tun. Die Herren sind seit einem Jahrzehnt nicht mehr im Amt, aber die Kanzlerin ist immer noch da. Merkel sollte also an diesem Freitag entspannt zum G-7-Treffen nach Kanada fliegen können, so viel Erfahrung wie sie hat niemand anders. Doch im Kanzleramt schauen sie trotzdem mit erheblichen Sorgen auf das Treffen - denn es dürfte Merkels bisher schwierigstes werden.

Dass dem so ist, liegt an US-Präsident Donald Trump. Wenn die Vorzeichen nicht täuschen, wird es diesmal zwischen den USA und den sechs anderen Staaten noch stärker rumpeln als beim letzten Mal. Vor einem Jahr in Taormina hatte der Klimaschutz Trump und die anderen entzweit. Diesmal gibt es gleich mehrere große Konflikte: den Handelsstreit, den Trump vom Zaun gebrochen hat, die Aufkündigung des Iran-Atomabkommens durch die USA, Trumps Klage über den deutschen Exportüberschuss und die angeblich zu niedrigen Verteidigungsausgaben - und weiterhin den Klimaschutz. Die letzten Ankündigungen der US-Regierung vor dem zweitägigen Treffen in Charlevoix lassen nichts gutes erwarten. Trumps Wirtschaftsberater Larry Kudlow kündigte an, der US-Präsident werde im Handelsstreit bei seiner harten Linie bleiben. Die Vereinigten Staaten seien "mehr an nationale Interessen gebunden als an alles andere", sagte Kudlow.

Angesichts dessen sind sie sich im Kanzleramt noch nicht einmal sicher, dass sich die Staats- und Regierungschefs am Ende auf ein gemeinsames Abschluss-Kommuniqué verständigen können. "Es hat keinen Sinn, Unterschiede beliebig zuzukleistern", sagt Merkel. Sie glaube nicht, dass man Ergebnisse, die man im letzten Jahr noch erreicht habe, wie zum Beispiel "ein grundsätzliches Bekenntnis zum multilateralen, fairen Handel, eine Abkehr von Protektionismus, verwässern und immer weiter aufweichen" dürfe. "Wir wollen nicht hinter die Sprache zurückfallen, die wir in der Vergangenheit gemeinsam beschlossen haben", heißt es in der Bundesregierung. Bevor man hier Konzessionen machen müsse, verzichte man lieber auf eine gemeinsame Abschlusserklärung.

Einigkeit herrscht bei den Europäern zumindest bei den wichtigen Gipfel-Themen

Die G 7 versteht sich als Wertegemeinschaft, auch deshalb hatte sie Russland wegen der Annexion der Krim aus ihrem Kreis verbannt. "Der G-7-Gipfel ist ein Format, bei dem sich Staats- und Regierungschefs treffen, die geeint sind durch gemeinsame Werte wie Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Achtung der Menschenrechte", hat Merkel am Mittwoch im Bundestag gesagt. Bei dieser Beschreibung denkt allerdings nicht jeder sofort an Trump.

Und auch die neue italienische Regierung aus der in Teilen rechtsradikalen Lega und der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung könnte in Kanada für unangenehme Überraschungen sorgen. Italiens Ministerpräsident Giuseppe Conte ist erst wenige Tage im Amt, die Vorgespräche über den Gipfel führte noch Anfang dieser Woche ein Sherpa der alten Regierung. Die neue italienische Regierung sieht die EU im Allgemeinen und Deutschland im Besonderen deutlich kritischer als ihre Vorgängerin. Und mit Lega-Chef Matteo Salvini sitzt ein Bewunderer Wladimir Putins und politischer Freund Marine Le Pens in der Regierung. Angesichts der Entwicklungen in den USA und in Italien unken manche bereits, die G 7 verkomme zu einer G 5+1+1.

Trotz des Regierungswechsels in Italien geht die Bundesregierung aber davon aus, dass die Europäer beim G-7-Gipfel bei den großen Themen zusammenstehen werden. Das liegt auch daran, dass die innerhalb Europas strittigen Themen wie die Flüchtlings- oder die Euro-Rettungspolitik in Charlevoix kaum eine Rolle spielen werden. Und in der Handels-, Klima- oder Iran-Politik, also bei den Themen, die auf dem Gipfel zur Debatte stehen, sind sich die Europäer, zumindest im Wesentlichen, einig.

Wie groß dagegen die Differenzen zwischen den Europäern und Trump inzwischen sind, zeigte sich in der Nacht zum Freitag. Da twitterte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der bisher ein besseres Verhältnis als Merkel zu Trump hatte, erbost: "Dem amerikanischen Präsidenten mag es egal sein, wenn er isoliert ist - genauso wenig aber macht es uns etwas aus, eine Vereinbarung von sechs Ländern zu unterzeichnen, wenn die Notwendigkeit dazu besteht." In weiteren Tweets schrieb Macron mit Blick auf Trump: "Kein Anführer ist von Ewigkeit." Er werde Hegemonie mit aller seiner Kraft bekämpfen, denn Hegemonie sei "das Ende der Herrschaft des Rechts".

Auch Kanadas Premierminister Justin Trudeau, der Gastgeber des G-7-Gipfels, ging ungewöhnlich deutlich auf Distanz zu Trump. Er sagte, Kanada würde weiter "auf Argumente auf der Grundlage von Logik und gesundem Menschenverstand setzen" und "hoffen, dass sie sich gegen eine Regierung durchsetzen, die sich nicht immer an diesen Prinzipien ausrichtet". Trump reagierte auf die Kritik mit einem Tweet, in dem er die Handelspolitik von Trudeau und Macron scharf attackiert.

Es hat schon lange keinen G-7-Gipfel mehr gegeben, der mit einem derartigen öffentlichen Vorab-Schlagabtausch begonnen hat. Und bisher gibt es kein Indiz dafür, dass es auf dem Gipfel selbst harmonischer zugehen wird. Trump hat jedenfalls schon ankündigen lassen, dass er den Gipfel am Samstag vorzeitig verlassen will.

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