Weltbank:Wolfowitz muss weg

Paul Wolfowitz hat der Weltbank so großen Schaden zugefügt, dass er schon längst hätte zurücktreten müssen.

David Rieff

Wir wissen immer noch recht wenig über den Skandal, der Paul D. Wolfowitz, den früheren stellvertretenden Verteidigungsminister der USA und jetzigen Präsidenten der Weltbank, eingeholt hat; er steht unter Beschuss, weil er dafür gesorgt haben soll, dass seine Freundin Shaha Ali Riza eine saftige Gehaltserhöhung und eine Beförderung erhielt.

Paul D. Wolfowitz

Paul D. Wolfowitz

(Foto: Foto: AFP)

So viel aber wissen wir: Die derzeitige Krise ist nur die letzte Phase eines langwierigen Krieges, in dem es nicht nur um Persönlichkeiten, sondern auch um Kulturen geht und der die Institution Weltbank ins Wanken gebracht hat, schon bevor Wolfowitz im Jahr 2005 den Posten übernahm.

Die Weltbank, unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg ins Leben gerufen, gilt heute bei der überwiegenden Mehrheit kluger Zeitgenossen als bedeutende Institution. Aber auch die unerschütterlichsten Befürworter gestehen ein, dass sie in vielerlei Hinsicht ihre Macken hat.

Insbesondere scheint die Führung der Bank nicht in Einklang mit ihrer Mission zu stehen.Diese Mission soll vor allem in den ärmsten Teilen der Welt Armut lindern und Entwicklung fördern. Doch haben die armen Länder ein sehr geringes Mitspracherecht bei den Geschäften der Bank.

Die wird stattdessen von ihren ,,Anteilseignern'' kontrolliert, deren Stimmrecht den Beträgen entspricht, die sie in die Bank investieren. In der Praxis heißt das, dass Japan, Europa und vor allem die USA weiterhin das Gleichgewicht der Macht widerspiegeln, wie es nach dem Zweiten Weltkrieg bestand, und zwar vor der Dekolonialisierung.

Um auf das Unrecht noch die Beleidigung zu setzen (jedenfalls aus Sicht der Entwicklungsländer), wird die Präsidentschaft der Weltbank seit ihrer Gründung als US-Domäne betrachtet, während sie beim Internationalen Währungsfonds traditionell für einen Europäer reserviert ist. Tatsächlich brauchen alle anderen sich nicht zu bewerben. (Zu den früheren Weltbankpräsidenten gehören Eugene Meyer, der Besitzer der Washington Post, John J.McCloy, der Anwalt, Bankier und ,,Weise'' der US-Außenpolitik sowie Robert McNamara, Verteidigungsminister in der Vietnam-Ära.)

Die Belegschaft der Bank rekrutiert sich aus Angestellten internationaler Provenienz. Soziologisch gesehen ähnelt sie den Angehörigen vergleichbarer Institutionen wie den Vereinten Nationen und dem Internationalen Währungsfonds. Man kann wirklich nicht sagen, dass diese Belegschaft argwöhnisch die US-Motive betrachtet oder die zunehmend negative Meinung über die Vereinigten Staaten teilt, die nach Meinungsumfragen in den meisten Teilen der Welt vorherrscht (besonders bei den Eliten).

Wolfowitz gilt als der Architekt des Irak-Kriegs

Der Beschluss der Bush-Regierung, Wolfowitz, einen führenden amerikanischen Neokonservativen, als Nachfolger des Bankiers und Philantropen James Wolfensohn zu nominieren, wurde in Bankkreisen weithin als Äquivalent zur Ernennung von John R. Bolton zum UN-Botschafter erachtet - eine Geste der Verachtung und die unverblümte Erklärung, dass die USA als alleinige Supermacht tun würden, was und wann sie wollen, ganz gleich, was der Rest der Welt darüber denke.

Wolfowitz gilt weithin als der Architekt des Irak-Kriegs - und dass er seinen Posten bei der Bank mit einer Riege von Bush-Getreuen antrat, die ohne jede Erfahrung mit internationalen Institutionen oder der Entwicklungshilfe waren (sein Chefberater Kevin Kellems war der ehemalige Sprecher von US-Vizepräsident Dick Cheney), musste Protest hervorrufen. Wolfensohn war ebenfalls mit einer ,,Reform''-Agenda angetreten. Doch anders als Wolfowitz war er weder mit der Bürde des Irak-Kriegs belastet noch brachte er sein eigenes Team aus unterqualifizierten Helfern mit, das er dann mit außergewöhnlichen Kompetenzen ausgestattet hätte.

Statt eines Kevin Kellems wählte Wolfensohn vielmehr Mark Malloch Brown zur rechten Hand, einen Engländer, der seine Karriere im Büro des UN-Hochkommissars für Flüchtlinge begonnen hatte und ein anerkannter Experte auf dem Gebiet der Entwicklungshilfe war.

Wolfensohns Strategien lösten durchaus Kontroversen aus, und er hatte selbstverständlich seine Kritiker innerhalb der Bank. Sie stritten darüber, wie viel die Menschenrechte gelten sollten und wie in Entwicklungsländern eine Zivilgesellschaft aufzubauen sei. Doch musste sich Wolfensohn nie mit dem Problem auseinandersetzen, dem sich Wolfowitz vom ersten Augenblick an gegenübersah: einer Belegschaft, die permanent am Rande des Aufruhrs war.

Auch wenn Wolfowitz ein erheblich stärkeres Talent für Umgänglichkeit und Verwaltung hätte - seine Versäumnisse vor allem auf letzterem Gebiet galten in der Bush-Regierung als offenes Geheimnis -, wäre es schwierig für ihn gewesen, wenn nicht unmöglich, die Angestellten der Bank für sich zu gewinnen.

Sehr gute Gehälter

Ein alter Witz unter Psychoanalytikern geht so: Wenn die richtige Person das Falsche tut, ist es richtig. Wenn aber die falsche Person das Richtige tut, ist es falsch. In gewisser Weise verkörpert Wolfowitz mit all seiner Taubheit und seiner Geringschätzung für das Personal der Bank die Wahrheit dieses Spruchs. Jedenfalls sind sowohl sein Schwerpunkt Afrika wie seine Entschiedenheit, eine Antikorruptions-Kampagne in den Mittelpunkt der Weltbank-Politik zu rücken, außerordentlich strittige Prioritäten.

Wenn man sich angesichts der Korruption in der Dritten Welt aufs hohe Ross setzt, besteht das Problem darin, dass man selbst über jeden Zweifel erhaben sein muss. Die Belegschaft der Weltbank bezieht sehr gute Gehälter (wesentlich mehr als Bedienstete der US-Regierung, und obendrein oft noch steuerfrei). Dies zwingt die Weltbank dazu, immer wieder der Annahme entgegenzuwirken, ihre Vertreter gehörten zu der Sorte Mensch, die armen Ländern kompromisslose Papiere über Steuerdisziplin schickt und sich hernach zum teuren Mittagessen in Georgetown verabredet.

Indem er versucht hat, für seine Freundin eine Gehaltserhöhung herauszuholen, hat Wolfowitz mehr zu diesem Negativ-Image beigetragen als irgend jemand sonst in der Geschichte der Bank. Damit hat er der Institution großen Schaden zugefügt, einen Schaden, von dem sie sich schwerlich erholen wird, ehe er nicht zurückgetreten ist. Die Tragödie für Wolfowitz ist, dass ihn viele Mitglieder der Bank schon vorher ins Visier genommen hatten. Doch konnten sie gewiss nicht erwarten, dass er ihnen selbst den geladenen Revolver aushändigen würde.

David Rieff, 54, ist einer der bekanntesten Sachbuchautoren und politischen Autoren Amerikas. Er gehört dem Council on Foreign Relations an.

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