Welt-Journalist:Deniz Yücel leidet unter seiner Einzelhaft

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  • Nach wochenlangem Ringen darf erstmals ein deutscher Diplomat den bei Istanbul inhaftierten Journalisten Deniz Yücel besuchen.
  • Der Generalkonsul Birgelen berichtet anschließend, Yücel leide unter seinen Haftbedingungen - die sich laut Außenamts-Staatsminister aber verbessert haben.

Von Mike Szymanski, Istanbul

Nach wochenlangem Ringen hat die türkische Regierung erstmals einem deutschen Diplomaten gestattet, den Welt-Korrespondenten Deniz Yücel im Gefängnis zu besuchen. Am Dienstag traf Generalkonsul Georg Birgelen im Gefängnis in Silivri westlich von Istanbul mit Yücel zusammen. Das Gespräch dauerte zwei Stunden und sei ohne Probleme verlaufen. Außenminister Sigmar Gabriel nannte die Situation des 43-Jährigen anschließend "nicht einfach". Yücel selbst sprach in einer von seiner Zeitung verbreiteten Botschaft von "Isolationshaft".

Generalkonsul in Istanbul
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Als erster Diplomat durfte der deutsche Generalkonsul in Istanbul den inhaftierten Journalisten Deniz Yücel besuchen. Er kennt das Gehabe des "starken Mannes" Erdoğan nur zu gut.

Von Mike Szymanski

Gegen Yücel läuft ein Ermittlungsverfahren wegen angeblicher Volksverhetzung und "Terrorpropaganda". Ende Februar hatte ein Haftrichter entschieden, Yücel in Untersuchungshaft zu nehmen. Gabriel betonte am Dienstag abermals: "Umso wichtiger ist, dass Deniz Yücel weiß, dass wir uns nach wie vor mit ganzer Kraft dafür einsetzen, dass er freikommt." Entgegen ausdrücklicher Zusagen der türkischen Regierung hatte sie dem Deutschen, der einen mit Doppelpass hat, seit Wochen konsularischen Beistand verweigert. Außenamts-Staatsminister Michael Roth zeigte sich am Dienstag in Istanbul erleichtert, dass es "endlich gelungen" sei, Zugang zu Yücel zu bekommen. Dem Journalisten gehe es den Umständen entsprechend gut.

Zugang zur Gefängnisbibliothek, aber keine Post

Nach SZ-Informationen hat Yücel Zugang zur Gefängnisbibliothek. Ihm wird aber nicht gestattet, Post in Empfang zu nehmen oder schriftlich nach außen zu kommunizieren. Zur Zelle gehöre ein separater Innenhof mit einer Größe von etwa drei mal vier Metern. Rechts und links von Yücel seien Richter inhaftiert, die er hören, aber nicht sehen könne. Von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang könne er den Hof benutzen. Besucher müssten durch strenge Sicherheitskontrollen, unter anderem gibt es ein System zur Iris-Erkennung.

Der Besuch durch den Generalkonsul könne nur ein Anfang sein, heißt es im Außenamt. Die Erlaubnis habe nur für den einen Tag gegolten. Gabriel sagte, nun müsse im Gespräch mit der Türkei sichergestellt werden, "dass die konsularische Betreuung verstetigt wird". Als ermutigendes Zeichen wertete Außenamts-Staatsminister Roth, dass sich die Haftbedingungen für Yücel in letzter Zeit etwas verbessert hätten, ohne jedoch konkret zu werden. Yücel kann Besuch von seinen Anwälten und von Familienangehörigen bekommen. Seine Schwester berichtete der Welt nach ihrem Besuch am Montag, er lasse sich nicht unterkriegen. "Er ist nicht deprimiert, er lässt sich nicht einschüchtern. Und er bereut auch nicht, was er geschrieben hat."

Roth sagte, es gebe vier weitere Deutsch-Türken, die derzeit in der Türkei in Haft sitzen. Außer zu Yücel habe Deutschland nur zu einem Zugang. Yücel sei der einzige Journalist. Zu den Vorwürfen von Präsident Recep Tayyip Erdoğan, Yücel sei ein deutscher Spion und Terrorist, sagte Roth, diese Vorwürfe seien widersprüchlich und nicht nachvollziehbar. Welt-Chefredakteur Ulf Poschardt zeigte sich erfreut über den Besuch des Generalkonsuls bei Yücel. Er verlieh im RBB-Inforadio der Hoffnung Ausdruck, dass es nach dem Verfassungsreferendum am 16. April eine "pragmatische und vernünftige Lösung" geben werde. Erdoğan strebt in der Türkei den Übergang zum Präsidialsystem an.

Roth plädiert für rhetorische Abrüstung - das sieht auch die Türkei so

Gabriel hatte vergangene Woche den Verdacht geäußert, Yücel werde instrumentalisiert. "Man muss ja fast annehmen, dass Yücel der türkischen Führung als politischer Spielball in einem schmutzigen Wahlkampf dient", hatte er dem Spiegel gesagt.

Roth erklärte am Dienstag, er habe bei seinen Treffen mit Regierungsvertretern in der Türkei klargestellt, dass es höchste Zeit, rhetorisch abzurüsten. "Wir dürfen nicht weiter an der Eskalationsspirale drehen. Hier haben mir meine türkischen Gesprächspartner ausdrücklich zugestimmt." Nazi-Vergleiche und Gleichsetzungen mit Nazis, wie sie jüngst wieder von Erdoğan gebracht wurden, seien absolut inakzeptabel. Er äußerte die Hoffnung, dass beide Länder auch im Fall Yücel bald zu einer zufriedenstellenden Lösung kämen. Yücel hatte sich am 14. Februar der Polizei in Istanbul zur Befragung gestellt und war daraufhin in Gewahrsam genommen worden.

© SZ vom 05.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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