Weinbau:Trauben, Tropfen, Tränen

Das feuchtwarme Wetter fördert Falschen Mehltau und bedroht in diesem Jahr die Ernte der deutschen Weinbauer. Besonders betroffen sind davon die Bio-Winzer.

Von TITUS ARNU

Elvira ist schuld. Friederike und Johanna waren auch ziemlich brutal. Diese Tiefdruckgebiete wüteten von Ende Mai bis Mitte Juni über Deutschland, sie brachten Starkregen, Hagel und Gewitter mit sich. Der Sommer seitdem: ein Wechselbad der Gefühle, mal nass, mal sonnig, oft schwül. Besonders schlechte Laune verbreiteten Elvira und ihre Nachfolgerinnen bei den deutschen Weinproduzenten. "Diese subtropische Witterung mit ständigen Niederschlägen und hohen Temperaturen hat den Winzern stark zugesetzt", sagt Ernst Büscher, Sprecher des Deutschen Weininstituts (DWI) in Bodenheim.

Nur wenige Spezialisten lieben feuchtwarmes Sommerwetter: Kajaksportler, Stechmücken und der Falsche Mehltau (Peronospora). Diese gefürchtete Pilzerkrankung macht sich an Blättern und jungen Trauben breit und lässt Teile der Pflanze absterben. Gegen den Mehltau helfen diverse Pflanzenschutzmittel, die in diesem Jahr aber vielerorts nicht ausgebracht werden konnten, weil der Boden zeitweise zu matschig war für Traktoren. Besonders problematisch ist die Situation für Öko-Winzer: Weil sie auf Fungizide verzichten, sind ihre Reben ein leichtes Opfer für den Falschen Mehltau. "Es gibt starke Schäden in allen Anbaugebieten", sagt Ralph Dejas, Geschäftsführer des Bundesverbandes Ökologischer Weinbau, "da fallen komplette Parzellen aus."

Helfen könnte den Öko-Winzern das Pflanzenstärkungsmittel Kaliumphosphonat, ein synthetischer Wirkstoff, der als unbedenklich für die Gesundheit gilt. Das Mittel wurde von der Öko-Branche selbst mitentwickelt und war bis 2013 im biozertifizierten Weinbau erlaubt. Doch dann wurde die EU-Pflanzenschutzverordnung geändert, seitdem gilt Kaliumphosphonat als Pestizid und darf nicht mehr in Bio-Betrieben eingesetzt werden - mit dramatischen Folgen. Die Bio-Reben werden zusätzlich vom Echten Mehltau (Oidium) und der Grauschimmelfäule (Botrytis) bedroht. Und dann schwirrt auch noch die Kirschessigfliege an, eine ernsthafte Gefahr für die reifenden Trauben. Schimmelt den deutschen Winzern also die Ernte unter den Fingern weg, ohne dass sie etwas dagegen tun können? Der heiße, trockene Sommer 2015 hatte "Weine mit Strahlkraft" hervorgebracht, Experten sprechen bereits von einem Jahrhundert-Jahrgang - wird der Jahrgang 2016 dagegen ein Totalausfall?

In Rheinhessen und in der Pfalz sind manche Parzellen so stark vom Mehltau befallen, dass 90 Prozent der Trauben kaputt sind. Einen Grund zum Weinen sieht man beim Deutschen Weininstitut dennoch nicht. "Es ist noch zu früh, um eine Prognose abzugeben", sagt Ernst Büscher vom DWI. Trotz der Wetterkapriolen könne 2016 ein guter Jahrgang werden. Der Ertrag wird wegen des Pilzbefalls voraussichtlich sinken, was aber nichts über die Qualität der Weine aussagt.

Tatsächlich muss man nicht nach jedem starken Regenschauer in Hysterie verfallen, im Gegenteil - die Reben wachsen kräftiger, wenn sie genügend Wasser bekommen. Büscher ist optimistisch: "Die Trauben sind gerade mal erbsengroß, bis zur Weinernte Mitte September kann viel passieren." Es kommt eben darauf an, wie sich Andrea, Julia und Laura benehmen - so heißen drei Tiefdruckgebiete im Herbst.

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