Weibliche Neonazis:Rechte Partnersuche im Netz

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Rechtsradikale Frauen lassen sich nicht mehr nur auf die Mutterrolle reduzieren, sondern treten immer stärker als politische Aktivistinnen hervor. Sie organisieren sich im Internet - auch für die Bräutigamschau.

Johann Osel

Patrick, 20 Jahre alt, aus Thüringen hat bei seiner Suche nach einer Partnerin spezielle Wünsche. "Ich bin ein Kerl, der für seine Rasse, sein Land und seine Überzeugung alles tun würde", beschreibt er sich selbst. Er suche eine Partnerin mit gleichen Ansichten, im Idealfall "ein hübsches deutsches Mädel mit Verstand, Witz und Charme".

Auf "Odin Kontaktanzeigen" können "patriotisch Gesinnte" ihresgleichen finden. (Foto: Screenshot: sueddeutsche.de)

Mit seinen Präferenzen steht der junge Mann nicht alleine da auf jenem Internet-Portal, das in Anlehnung an den höchsten Gott der germanischen Mythologie "Odin Kontaktanzeigen" heißt. Ein anderer hofft auf "ein starkes Mädel, die mit mir den Weg zu einem besseren Deutschland geht", ein weiterer sucht "eine nette und aufgeschlossene Germanin".

Allzu schlecht dürften ihre Chancen nicht stehen. Da wäre im gleichen Forum zum Beispiel Sabrina aus Hessen. Sie sucht "einen nationalen Ihn, dem unser Vaterland nicht am Arsch vorbeigeht". Oder Karo aus Mecklenburg-Vorpommern, die sich mit diesem Steckbrief feilbietet: "Familie und Kameraden gehen bei mir über alles. Bin stolz, deutsch zu sein. Wer mehr erfahren möchte, kann gerne schreiben."

Als Umschlagplatz für rechte Musik oder Propaganda ist das Internet bekannt. Doch inzwischen suchen Neonazis dort auch gezielt Partnerschaften mit Gleichgesinnten. Und sie propagieren rechte Sprüche und krude Theorien, die beim rechten Flirt helfen sollen. Je aggressiver, desto besser.

Dass die jungen Männer mit solchen Annoncen fündig werden, liegt an der massiven Zunahme von Mädchen und Frauen in der rechten Szene. "Die Szene ist längst keine Männerdomäne mehr. Politische Aktivistinnen im Rechtsextremismus werden stark unterschätzt, von der Gesellschaft, aber auch von Polizei und Justiz", sagt Michaela Köttig.

Die Soziologin an der Universität Göttingen forscht seit Anfang der neunziger Jahre über weiblichen Rechtsextremismus. Köttig war auch für eine sozialpädagogische Hilfe in intensivem Kontakt mit einer rechten Mädchengruppe.

"Träger des biologischen Erbes"

Diese Gespräche und Erfahrungen hat sie in ihrer Dissertation verarbeitet. Als sie zu forschen begann, sagt Köttig, waren rechte Frauen fast noch eine Seltenheit. Ein Bild, das sich gewandelt hat: Schätzungen zufolge sind 30 bis 40 Prozent in rechten Gruppen und Kameradschaften inzwischen weiblich, spezielle Frauenorganisationen gründen sich laufend. Das Motiv der Frauen sei es in der Regel, sich zu positionieren und auch aktiv Politik zu gestalten.

Politische Aktivistinnen? Das NPD-Familienprogramm hat eigentlich klare Vorstellungen für die Rolle der Frau in der Gesellschaft, von glänzenden Politikerinnenkarrieren findet sich darin allerdings nichts. Die Familie sei "Träger des biologischen Erbes", heißt es da, und "ein Volk, das tatenlos zusieht, wie die Familie zerstört wird oder ihre Kraft verliert, wird untergehen".

Daher sei die Leistung der Hausfrau und Mutter mit keiner Arbeitsleistung anderer Berufe zu vergleichen. Ihr gebühre ein nach Anzahl der Kinder gestaffeltes Müttergehalt und sie sollte "nicht aus finanziellen Gründen außerhäuslich arbeiten".

Auch wenn es Frauen gibt, die solch einen Mutterkult erfüllen und mehr nicht, sagt Köttig: "Wir haben in der rechten Szene alle Spielarten an Rollenbildern, die man sich vorstellen kann - so wie sie auch in der Gesellschaft vorkommen."

Das kahlrasierte und tätowierte Skingirl, dem die Szenezugehörigkeit äußerlich anzusehen ist, sei aber fast schon ein Auslaufmodell. Der Trend gehe hin zu nach außen völlig normal wirkenden Nationalistinnen, die politisch mitmischen wollen. "Dies wird strategisch eingesetzt, weil Frauen oftmals keine politische Positionierung zugetraut wird, erst recht keine nationalistische", sagt die Wissenschaftlerin.

So könnten die Aktivistinnen unbehelligt Konten für rechte Gruppen führen, Demonstrationen anmelden oder Räume mieten. "Die Frauen sind Bindeglied und stabilisieren die Szene, an der Basis und sogar bis in den Parteivorstand der NPD hinauf."

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"Es tut sich was"

Stella Hähnel ist wohl so etwas wie der Lautsprecher der nationalistischen Frauenbewegung: NPD-Vorstandsmitglied, an vorderster Front engagiert im Ring Nationaler Frauen, einer 2006 gegründete Unterorganisation der Partei, zudem bei der Gemeinschaft Deutscher Frauen, Mutter und verheiratet mit einem rechtsextremen Liedermacher.

In der NPD-Zeitung Deutsche Stimme schreibt sie auch noch - und zwar bevorzugt über den Erfolg nationaler Frauen. Dass "der politische Gegner" den weiblichen Zuwachs im rechten Lager nur als gezielte "Image-Spritze" für die NPD abtue, um möglichst bürgerlich und harmlos zu wirken, nahm sie dort jüngst zum Anlass für ein persönliches Aktionsprogramm.

"Es tut sich was", diagnostiziert sie in der Online-Ausgabe des Organs: "Frauen haben politisch ihre Spezialgebiete, wie die Familienpolitik, die Sozialpolitik, Gesundheit, Kulturförderung und gerne auch kommunale Themen. Das schließt nicht aus, dass sich die eine oder andere für Wirtschaftspolitik interessiert. Aber in der Masse trifft dies nicht zu, und darin unterscheiden wir uns von den Emanzen. Wir zwingen Frauen nicht in Rollen, die sie nicht spielen wollen."

Und falls eine Mitstreiterin den Kampf um die Straße oder die Parlamente nicht mitmachen wolle, so leiste sie doch auf ihre Art trotzdem "einen Beitrag für das Überleben Deutschlands" - und zwar als Mutter im täglichen "Kampf gegen die verrohte Konsumgesellschaft".

Mit durchaus strategischen Zügen für ein höheres Ziel, wie Soziologin Köttig festgestellt hat: "Rechte Eltern wollen aktiv die nächste Generation formen." Zum einen durch Erziehung im völkischen Sinne - wie sie zum Beispiel die Gemeinschaft Deutscher Frauen vertritt, eine Organisation mit Regionalverbänden in ganz Deutschland.

Dort tauschen sich national gesinnte Mütter aus, auf der Homepage gibt es Tipps und Informationen zu Themen wie "Unsere Mutterfrauen als Hüterin der nordischen Seele". Und sogar an eine "Zwergenpost" für den rechten Nachwuchs hat man gedacht.

Soziologin Köttig befasst sich aktuell mit den Erziehungskonzepten in rechten Partnerschaften. Und spricht von einer auch außerfamiliären Strategie, zum Beispiel durch Jugendgruppen wie die Heimattreue Deutsche Jugend (HDJ). Rechte Mütter engagierten sich zudem unauffällig in Vereinen und Elternbeiräten oder drängten in Berufe, wo sie Zugriff auf Kinder und Jugendliche haben.

Bei männlichen Neonazis scheint dieser Aktionismus sehr gut anzukommen. Das Gästebuch auf der Internetseite der Gemeinschaft Deutscher Frauen quillt zumindest vor Lob beinahe über. "An alle Kameradinnen!", schreibt da einer, "Ich bin so unendlich stolz auf alles, was unsere deutschen Frauen geleistet haben. Ich werde, wenn der Tag gekommen ist, die Reinheit unserer germanischen Frau verteidigen."

Sogar ins Mütterforum der Zwergenpost haben sich mehrere Männer verirrt. Einer klagt dort sein Leid: "Ihr habt's wirklich alle gut. Ich bin auf der verzweifelten Suche nach einer volkstreuen Frau und finde keine." Die Antwort von einer gewissen Jenny kommt prompt: "Schau doch mal bei einer Suchmaschine und gib Odin Kontaktanzeigen ein. Da ist bestimmt eine für dich dabei."

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