Wegen umstrittener Thesen:SPD will Sarrazin loswerden

Er selbst will sein Parteibuch nicht aus der Hand geben, doch in der SPD wächst der Unmut über Thilo Sarrazin. Jetzt hat das Präsidium ein Ausschlussverfahren eingeleitet - und die NPD meldet Interesse an dem streitbaren Politiker an.

Die SPD-Spitze hat im Umgang mit ihrem früheren Berliner Finanzsenator Thilo Sarrazin einen Kurswechsel eingeleitet. Das Präsidium der Partei hat unter Führung des Vorsitzenden Sigmar Gabriel am Montag beschlossen, ein Parteiordnungsverfahren mit dem Ziel eines Ausschlusses vorzuschlagen.

Buchvorstellung Sarrazin

Thilo Sarrazin auf dem Weg zur Vorstellung seines Buches "Deutschland schafft sich ab - Wie wir unser Land aufs Spiel setzen" am Montagmorgen in Berlin. Derweil diskutiert die SPD über seinen Parteiausschluss.

(Foto: dpa)

Diese Entscheidung, über die der SPD-Vorstand noch befinden muss, fiel nach Teilnehmerangaben einstimmig.

Noch vor wenigen Tagen hatte Gabriel deutlich gemacht, dass er eine Debatte über einen Ausschluss verhindern wolle, weil ihm die rechtlichen Hürden für einen solchen Schritt zu hoch erschienen. Stattdessen hatten er und andere prominente SPD-Politiker Sarrazin einen Austritt nahegelegt, den dieser aber abgelehnt hatte.

Nun erklärte Gabriel, Sarrazin habe sich mit seinen Äußerungen über Ausländer und Migranten "außerhalb der sozialdemokratischen Partei und Wertegemeinschaft begeben". Aus Sicht der SPD sei für Sarrazin zudem kein Platz mehr im Vorstand der Bundesbank, sagte Gabriel weiter. Die SPD fordere daher die Bundesbank auf, entsprechende Konsequenzen zu ziehen.

Bereits im März war ein vom Berliner Landesverband angestrengtes Ausschlussverfahren gescheitert.

Sarrazin ist wegen Äußerungen zur Migrationspolitik und über die Gene von Juden wieder in die Kritik geraten. So behauptet er, Deutschland werde immer dümmer, weil Akademikerinnen zu wenige und Sozialhilfeempfängerinnen zu viele Kinder bekommen. Die Hauptverantwortung tragen ihm zufolge insbesondere Migranten, die sich nicht integrieren wollen und in einer Parallelgesellschaft leben. In dieser gedeihen seiner Meinung nach auch Fundamentalismus und Gewalt. Der 65-Jährige warnt davor, dass die Deutschen zu "Fremden im eigenen Land" werden könnten und fordert strengere Anforderungen an Zuwanderer.

Besonders seine Behauptung, alle Juden teilten ein bestimmtes Gen, stieß auf breite Ablehnung und Kritik - die Sarrazin eigenen Angaben zufolge jedoch nicht nachvollziehen kann. "Ich sehe mich durch die Meinungsfreiheit in Deutschland gedeckt, da bin ich völlig zuversichtlich", sagte Sarrazin bei der Vorstellung seines umstrittenen Buches in Berlin.

Sarrazin rechtfertigte die Ablehung des Ausstritts aus der SPD damit, dass "diese Themen in eine Volkspartei gehören". Auch seinen Posten bei der Bundesbank will er nicht aufgeben. "Ich weiß positiv, dass ich in meiner Eigenschaft als Bundesbankvorstand keine dienstliche Obliegenheiten verletzt habe. Insofern sehe ich auch ziemlich gelassen in dieser Frage in die Zukunft."

"Ausländerrückführungs-Beauftragter" der NPD

Die Bundesregierung bekräftigte am Montag noch einmal die Ablehnung von Sarrazins Äußerungen. Das weltweit hohe Ansehen der Bundesbank sei durch seine Äußerungen beschädigt worden, erklärte Regierungssprecher Steffen Seibert. Dieses komme nicht nur durch fachlichen Äußerungen ihrer Spitzenmanager zustande. Auch fachfremde Äußerungen könnten das Ansehen beschädigen.

Parteichef Sigmar Gabriel will sich nach den Gremiensitzungen der SPD am Nachmittag äußern. Auch die Bundesbank hat eine Stellungnahme für den Nachmittag angekündigt.

Für den Fall, dass Sarrazin tatsächlich aus der SPD ausgeschlossen wird, machte ihm Udo Voigt, der Vorsitzende der rechtsextremen NPD, bereits ein Angebot: "Es würde mich freuen, wenn er als Berater dem NPD-Parteivorstand zur Verfügung stünde oder gar als Ausländerrückführungs-Beauftragter der NPD fungiert." Thilo Sarrazin liege mit seinen Aussagen zur Einwanderungspolitik ganz auf NPD-Linie.

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