Warschau:Polens neuer Präsident geht auf Deutschland zu

Einen Tag nach seinem überraschend klaren Sieg bei der polnischen Präsidentschaftswahl hat der nationalkonservative Lech Kaczynski sein Interesse an guten Beziehungen zu Deutschland betont. Im Wahlkampf hatte er dagegen kritische Töne an die Adresse Berlins gesandt.

Thomas Urban

Einen Tag nach seinem überraschend klaren Sieg bei der polnischen Präsidentschaftswahl hat der nationalkonservative Warschauer Oberbürgermeister Lech Kaczynski am Montag sein Interesse an guten Beziehungen zu Deutschland betont. Im Wahlkampf hatte er dagegen immer wieder kritische Töne an die Adresse Berlins gesandt. Nach dem vorläufigen Endergebnis kam Kaczynski bei der Stichwahl um das höchste Staatsamt auf fast 55 Prozent der Stimmen. Bundeskanzler Gerhard Schröder zeigte sich überzeugt, dass sich die Beziehungen "weiter fruchtbar entwickeln werden".

Nachdem Lech Kaczynski im Wahlkampf von einer "Politik der Stärke gegenüber Berlin" gesprochen hatte, erklärte er am Montag im polnischen Fernsehen: "Ich bin voll guten Willens bezüglich der polnisch-deutschen Beziehungen." Zugleich machte er aber klar, dass er bei seiner harten Haltung in der Vertriebenen-Frage bleiben wird: Es dürfe keine Zentren zum Gedenken an die Vertreibungen nach dem Zweiten Weltkrieg geben, sagte er nach seinem Wahlsieg zu entsprechenden Plänen in Berlin.

Die meisten Meinungsforscher hatten noch am Vorabend der Wahlen den liberalen Kandidaten Donald Tusk, der als deutschfreundlich gilt, knapp vorn gesehen. Der Sieg Kaczynskis stellt den Schlusspunkt eines umfassenden Rechtsschwenkes in der polnischen Innenpolitik dar. Erst vor vier Wochen hatte die von seinem Zwillingsbruder Jaroslaw geführte Partei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) überraschend die Wahlen zum Sejm und zum Senat, den beiden Häusern des Parlamentes, gewonnen.

Die PiS konnte sich vor allem auf die weniger gebildeten Schichten und die Landbevölkerung stützen. Der umstrittene nationalkatholische Sender Radio Maryja hatte eine massive Kampagne für die Kaczynskis betrieben. Tusk brachte dagegen die Mehrheit in den Städten und bei der jungen Generation hinter sich.

Köhler zuversichtlich

Bundespräsident Horst Köhler erinnerte in seinem Glückwunschtelegramm daran, dass Deutschland und Polen einander in enger Nachbarschaft verbunden seien. Der Zusammenarbeit sehe er mit "Freude und Erwartung" entgegen. Kanzler Schröder zeigte sich überzeugt, dass sich die Beziehungen "weiter fruchtbar entwickeln werden".

Die Kaczynski-Zwillinge hatten im Wahlkampf wiederholt Schröders Kurs der Annäherung an den Kreml scharf kritisiert. Der künftige polnische Präsident bezeichnete nun erneut das Projekt einer deutsch-russischen Erdgaspipeline auf dem Grund der Ostsee, das Polen umgehen soll, als "sehr ernstes Problem". Doch wiederholte er seine Forderung nach einer Blockade des Milliardenprojekts nicht.

Lech Kaczynski kündigte an, dass ihn seine erste Auslandsreise nach seiner Amtseinführung nach Washington führen werde. Das Weiße Haus teilte mit, US-Präsident George W. Bush habe ihn telefonisch beglückwünscht. In dem Telefonat habe Bush die Bedeutung Polens als strategischer Partner der USA unterstrichen.

Jaroslaw Kaczynski, der Zwillingsbruder des Präsidenten, will entgegen ursprünglichen Ankündigungen allerdings nicht die Regierung führen. Für das Amt des Premier wurde der nationalkatholische Bildungs- und Finanzexperte Kazimierz Marcinkiewicz nominiert. Die von Tusk geführte liberalkonservative Bürgerplattform (PO), die die zweitstärkste Sejm-Fraktion stellt, hat am Montag die vor den Präsidentenwahlen unterbrochenen Koalitionsverhandlungen mit der PiS wieder aufgenommen.

Die Polen-Beauftragte der Bundesregierung, Gesine Schwan, sieht trotz der Wahl Kaczynskis die deutsch-polnischen Beziehungen nicht in Gefahr. "Das Verhältnis wird sich nicht grundlegend verändern", sagte sie der Süddeutschen Zeitung. Weniger polnischer Nationalismus sei für die Wahl Kaczynskis entscheidend gewesen, als dass er Fragen der sozialen Gerechtigkeit stärker betont habe als der liberale Kandidat Tusk.

Polen müsse und werde ein Interesse daran haben, mit den anderen Staaten der Europäischen Union konstruktiv zusammenzuarbeiten. Die anti-deutschen Ressentiments seien "vor allem Wahlkampfspuk" gewesen und eine Reaktion auf die Aktivitäten der Preußischen Treuhand. Der Bund der Vertriebenen kündigte unterdessen an, trotz der Kritik Kaczynskis am geplanten Zentrum gegen Vertreibung festhalten zu wollen.

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