Warnung vor Neonazi-Terror:Angriff aus dem Hinterhalt

Das Bundeskriminalamt befürchtet offenbar Anschläge gegen Politiker und Prominente: Wiederholt sind in den vergangenen Jahren Listen aufgetaucht, auf denen Neonazi-Gruppen Gegner namentlich und mit Adressen notiert hatten. Der Verfassungsschutz hält einen "unvermittelten Angriff" für möglich.

Tanjev Schultz

Die deutschen Sicherheitsbehörden sehen fast ein Jahr, nachdem die Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) aufgeflogen ist, die Gefahr weiterer Anschläge von Neonazis. Der Verfassungsschutz warnte unlängst vor "Nachahmungstaten", nun befürchtet auch das Bundeskriminalamt (BKA) laut einer internen Lageeinschätzung Angriffe von Rechtsterroristen.

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Das Bundeskriminalamt warnt davor, dass "in die Enge getriebene" Einzeltäter oder Kleinstgruppen "die eigene Handlungsfähigkeit durch Gewalttaten unter Beweis stellen" wollten.

(Foto: REUTERS)

Diese könnten sich nicht nur gegen Migranten, sondern auch gegen "Politiker, Personen des öffentlichen Lebens und Polizeibeamte" richten, zitiert der Spiegel aus dem Bericht. In dem BKA-Papier werde auch davor gewarnt, dass "in die Enge getriebene" Einzeltäter oder Kleinstgruppen "die eigene Handlungsfähigkeit durch Gewalttaten unter Beweis stellen" wollten. Zudem müsse die Bildung bisher unbekannter Terrorgruppen in Betracht gezogen werden. Das BKA gab dazu keine offizielle Stellungnahme ab.

Slogan "Taten statt Worte"

Immer wieder sind in den vergangenen Jahren Listen aufgetaucht, auf denen Neonazi-Gruppen Gegner namentlich und mit Adressen notiert hatten. Auch die Terroristen des NSU hinterließen eine solche Liste, auf der unter anderem Namen von Politikern standen. Der Verfassungsschutz hält einen "unvermittelten Angriff" auf Menschen für möglich, die dem Feindbild der Neonazis entsprechen. Rechtsextremisten könnten sich dabei an dem vom NSU verwandten Slogan "Taten statt Worte" orientieren.

Der Slogan kursierte zuletzt auch im Umfeld der NPD. In Neonazi-Foren ist der NSU, der für zehn Morde verantwortlich gemacht wird, teilweise heroisiert worden. In allen Bundesländern erhöhte die Polizei in den vergangenen Monaten den Druck auf Neonazi-Gruppen; vor Kurzem wurden bei Razzien in Nordrhein-Westfalen zahlreiche Waffen gefunden. In Sicherheitskreisen heißt es, man wolle sich in Zukunft nicht mehr vorwerfen lassen, die Gefahr eines rechten Terrors unterschätzt zu haben. Konkrete Anschlagspläne sind den Behörden aber offenbar zurzeit nicht bekannt. In früheren Jahren war oft betont worden, es gebe keine Anzeichen für rechtsterroristische Strukturen.

In Thüringen räumte das Landeskriminalamt (LKA) derweil ein, dass es in den vergangenen Jahren gegen eine Polizistin wegen Geheimnisverrats und Kontakten zu Neonazis ermittelt hatte. Die Beamtin soll unberechtigt Daten der "polizeilichen Informationssysteme" abgefragt und weitergegeben haben, mutmaßlich an Rechtsextremisten. Eine Schlägerei von Neonazis soll sie nicht gemeldet haben. Die Beamtin sei 2009 vom Dienst suspendiert worden, ihre Bezüge habe man gekürzt. Nach Zahlung einer Geldauflage sei das Strafverfahren eingestellt worden. Mittlerweile arbeitet die Beamtin wieder für die Polizei.

Das LKA reagierte damit auf einen Bericht des Tagesspiegels. Demnach war die Polizistin im Zuge der Ermittlungen zum NSU erneut vom BKA vernommen worden. Die Beamtin und ihr Umfeld sollen die Polizistin Michèle Kiesewetter gekannt haben, die 2007 in Heilbronn vermutlich von den NSU-Terroristen erschossen worden war. Eine Verbindung zwischen dem Mord und den Kontakten der Thüringer Polizistin zu Neonazis konnte offenbar nicht hergestellt werden.

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