Walfang in Japan:Was vom Wale übrig bleibt

Sie wollten beweisen, dass Walfänger den japanischen Steuerzahler betrügen, indem sie Fänge heimlich verkaufen - nun stehen zwei Tierschützer selbst unter Anklage.

Christoph Neidhart, Tokio

Ist es okay, Walfleisch zu klauen, um damit auf Schummeleien der japanischen Walfangflotte aufmerksam zu machen? Oder ist Diebstahl immer ein Vergehen? Mit dieser Frage muss sich in dieser Woche ein Gericht in Tokio befassen.

Junichi Sato und Toru Suzuki von "Greenpeace Japan" hatten im Mai 2008 eine Kiste Walfleisch entwendet, um nachzuweisen, dass die Walfänger den Steuerzahler betrügen. Sie hofften, das japanische Volk damit gegen den Walfang zu mobilisieren, der ohne massive staatliche Zuschüsse nicht weiterzuführen wäre. Doch die beiden hatten sich verrechnet.

Zwar begann die Polizei auf ihren Hinweis hin zu ermitteln, doch im Juni 2008 stellte sie ihre Untersuchungen ein - und verhaftete die zwei Aktivisten.

Am Montag nimmt nun ein Bezirksgericht in Tokio den im Februar unterbrochenen Prozess gegen Junichi Sato and Toru Suzuki wieder auf. Angedroht wird den beiden sechs Monate Gefängnis. Sie beteuern ihre Unschuld.

Japaner lieben kein Walfleisch

Um trotz des seit 1986 geltenden Walfang-Moratoriums weiter Wale töten zu können, behauptet Japan, die Jagd sei aus wissenschaftlichen Gründen notwendig. Jedes Jahr erlegt Japan 600 bis 1000 Wale, deren Fleisch auch zum Konsum freigegeben wird - obwohl die Japaner kaum Walfleisch essen. Gibt es gelegentlich Wal im Supermarkt, dann bleibt der größte Teil trotz der günstigen Preise oft liegen. Weitergejagt wird dennoch.

Die Tierschutz-Organisation Sea Sheperd liefert sich deshalb seit Jahren einen erbitterten Kampf mit der japanischen Fangflotte. Im Januar rammte das japanische Walfang-Begleitschiff Shonan Maru II das Schnellboot Ady Gil von Sea Sheperd. Mitte Februar kletterte der Neuseeländer Peter Bethune auf offener See im Morgengrauen heimlich auf die Shonan Maru II, um eine "Bürger-Verhaftung" der Besatzung vorzunehmen, wie er es formulierte. Das Schiff bringt ihn nun aus dem Südpazifik nach Japan zum Verhör.

Für solche Proteste, die im Westen als ziviler Ungehorsam eingestuft werden, haben die wenigsten Japaner Verständnis. Jun Hoshikawa, der Chef von Greenpeace Japan, erkannte deshalb schon vor Jahren, die einzige Chance, Kritik am Walfang in der Bevölkerung zu provozieren: Man müsse klarmachen, wie viele Steuermillionen für den Walfang aufgewendet werden.

Die Höhe der staatlichen Zuschüsse wird nicht veröffentlicht, inoffizielle Schätzungen gehen von bis zu 20 Millionen Euro pro Jahr aus.

9,5 Kilo Walfleisch für jedes Crew-Mitglied

Als Greenpeace im Frühjahr 2008 Hinweise erhielt, von dem Fang aus dem Südpazifik werde ein erheblicher Teil illegal an die Besatzung verteilt, hielten Junichi Sato und Toru Suzuki dies für ihre Chance, einen Skandal zu enthüllen.

Die Crew schickte, so fanden die beiden heraus, falsch etikettierte Kisten mit Walfleisch an ihre Heimatadressen, um es dort an kleine Restaurants zu verkaufen. Sato und Suzuki fingen eine Lieferung mit 23 Kilo Fleisch ab, wie sie erklärten, um sie nach einer Pressekonferenz der Staatsanwaltschaft zu übergeben. Dazu drangen sie ins Lager einer Privatpost ein und entwendeten die Kiste.

Inzwischen gibt die Walfangfirma zu, jedes Crew-Mitglied erhalte pro Fahrt 9,5 Kilo Walfleisch.

Die neue japanische Regierung signalisiert deutlich, sie suche im Streit um den Walfang einen Kompromiss. Allerdings wird sie, schon aus innenpolitischen Gründen, nicht einfach kapitulieren können. Und das auch nicht wollen.

Ein Kompromissvorschlag sieht vor, dass Japan den Walfang in fernen Meeresgebieten aufgibt, insbesondere die Expeditionen in den Südpazifik, dafür duldet die internationale Gemeinschaft, dass Japan in begrenztem Umfang an den eigenen Küsten Wale jagt, so wie es in Norwegen praktiziert wird.

Der Prozess dauert bis Ende der Woche, das Urteil wird für Juni erwartet. Der Anwalt der Aktivisten rechnet mit einem milden Urteil.

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