Wahlwerbung:Letzte Chance für den Wahlkampf-Mythos

Die CDU plakatiert Politiker-Köpfe, die SPD Inhalte. Mit dieser Strategie setzen die Sozialdemokraten weit mehr aufs Spiel als die Wahl.

Th. Denkler

Im Konrad-Adenauer-Haus werden sie dem heutigen Mittwoch mit besonderem Interesse entgegengeblickt haben. Noch immer ist dort die Sorge groß vor dem, was die Wahlkampfmaschine der SPD womöglich zu leisten imstande ist.

Wahlwerbung: SPD-Bundesgeschäftsführer Kajo Wasserhövel gibt sich unerschütterlich siegessicher.

SPD-Bundesgeschäftsführer Kajo Wasserhövel gibt sich unerschütterlich siegessicher.

(Foto: Foto: dpa)

An diesemTag nun sollten ein paar Geheimnisse gelüftet werden. SPD-Wahlkampfmanager Kajo Wasserhövel stellte im Willy-Brandt-Haus die erste Phase der Kampagne vor. Und im Hintergrund wirkt noch immer der Mythos des erfahrenen Wahlkämpfers Franz Müntefering, 69, der lange vor der Wahl auf den SPD-Chefsessel zurückgekehrt ist.

Als wenn er den Kollegen in der wenige Kilometer entfernten CDU-Zentrale gleich mal ein bisschen Angst einjagen will, beginnt Wasserhövel die Präsentation mit einem Anti-CDU-Spot, der vor allem im Internet Karriere machen soll.

Schöne Bilder von Kanzlerin Angela Merkel flimmern über den Flachbildschirm hinter Wasserhövel. Eine vertrauenserweckend tiefe Männerstimme spricht dazu - auf den ersten Blick wirkt alles wie ein CDU-Werbefilm. "Nur nicht anpacken, wer weiß, wohin das führt", kommentiert dann aber die Stimme die Bilder. Und ergänzt in Anspielung auf den Wahl-Slogan der CDU: "Wir haben die Kraft, vielleicht aber auch nicht oder hin oder her."

Das beschreibt auch schon den Kern der SPD-Kampagne: Die SPD hat die Inhalte, die CDU hat nichts. Außer Merkel vielleicht. Und die sagt ja auch nichts.

CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla hat mit seiner am Montag präsentierten Plakatkampagne vor allem die Bundesminister der Union großflächig in Szene gesetzt. Ein netter "Versuch, ein paar Minister bekannt zu machen", kommentiert Wasserhövel.

Er stellt lieber die Kernthemen der SPD in den Mittelpunkt: Arbeit, Bildung, Umwelt und Gesundheit. Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier ist noch nirgends zu sehen, der soll erst in einer zweiten Phase von Anfang September an die Plakate bestimmen. Stattdessen haben sich fotogene Parteimitglieder und SPD-Sympathisanten bereit gefunden, ihr Gesicht für die Kampagne herzugeben. Sie alle bekennen wenig überraschend, die SPD wählen zu wollen.

Neu erfunden haben die Sozialdemokraten den Wahlkampf nicht. Wem das angesichts des Umfragerückstands von gut zehn Prozent auf die Union zu wenig aggressiv erscheint, dem hält Wasserhövel entgegen, dass ein guter Wahlkampf nicht einfach "besonders krawallig" daher kommen dürfe, sondern "an den Sorgen ansetzt, die die Bürger haben". Dies geschehe mit dieser Kampagne.

Wasserhövel kann nur hoffen, dass er damit den richtigen Weg einschlägt. Bei der Europawahl ist ihm das erkennbar nicht gelungen. Zumindest haben der gezeichnete Finanzhai und der personifizierte Fön auf den Plakaten ihren unrühmlichen Beitrag dazu geleistet, dass die SPD ihr schlechtes Europawahlergebnis von 2004 noch einmal unterboten hat - mit dem schlechtesten Ergebnis. Nur ein kleiner Trost, dass die Union da auch nicht wirklich punkten konnte.

Erkennbare Konsequenz: Possierliche Tierchen jedweder Art tauchen nicht mehr auf. "Ich hatte kurz überlegt, diesmal einen Orca zu nehmen", scherzt Wasserhövel. Aber darüber lacht hier nur er.

Erstaunlich ist bei Wasserhövel, mit welcher Selbstsicherheit er von einem Wahlsieg der SPD ausgeht. So war er zwar immer in den Wahlkämpfen, an denen er beteiligt war. Aber diesmal sind die Rahmenbedingungen andere. Die SPD kämpft nicht gegen einen amtsmüden Helmut Kohl wie 1998 und auch nicht mit der anerkannten Rampensau Gerhard Schröder wie in den Jahren 2002 und 2005. Frank-Walter Steinmeier ist den Beweis immer noch schuldig, dass er auf Marktplätzen ähnlich brillieren kann wie Schröder.

Dennoch: Wasserhövel ist zwar klar, dass sich die Sozialdemokraten bei den gegenwärtigen Umfragen "da richtig den Berg heraufarbeiten müssen". Doch die Union, so glaubt er, mache ihm das nicht sonderlich schwer. Die signalisiere überall: "Eigentlich geht es um nix." Das werde nicht funktionieren. Es sei Aufgabe der SPD, den Leuten das klar zu machen.

Die Union sei auch längst nicht so stark, wie sie sich derzeit fühle. "Die haben seit 2005 bei jeder Wahl ein massives Mobilisierungsproblem in den absoluten Stimmenzahlen", erklärt Wasserhövel. Darum sei er "sicher, dass wir es erreichen können, dass Schwarz-Gelb nicht kommt" - und dass Steinmeier in die Lage versetzt werde, regieren zu können. "Der Wahlkampf ist jetzt unsere Chance und die werden wir nutzen", verkündet Wasserhövel. Ein Alternative gibt es auch nicht.

Wenn das nicht klappt, dann war nicht nur der 27-Millionen-Euro-Etat für den Bundestagswahlkampf in die Luft geschossen und Wasserhövel wahrscheinlich längste Zeit Bundesgeschäftsführer. Dann hat sich vor allem der 1998 geborene Mythos vor der nahezu unbesiegbaren Wahlkampfmaschine SPD erledigt.

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