Wahlsieger in Rumänien:Saubermann mit deutschen Wurzeln

Seine Eltern wohnen in Bayern, er regiert demnächst in Bukarest. Die Rumänen haben zum ersten Mal den Angehörigen einer deutschen Minderheit zum Präsidenten gewählt. Doch wer ist der aus Siebenbürgen stammende Klaus Johannis - und wie konnte er gewinnen?

Von Barbara Galaktionow, Markus C. Schulte von Drach und Martin Anetzberger

Zum ersten Mal wird ein deutschstämmiger Politiker zum Präsidenten Rumäniens gewählt. Klaus Johannis ist seit 14 Jahren Bürgermeister von Hermannstadt (Sibiu). Am Sonntag gewann er überraschend die Stichwahl gegen den sozialdemokratischen Regierungschef Viktor Ponta. Der Konservative Johannis gehört der deutschsprachigen Minderheit der Siebenbürger Sachsen an. Antworten auf die wichtigsten Fragen:

Physiklehrer, Bürgermeister, Präsident: Wer ist Klaus Johannis?

Die Laufbahn von Klaus Johannis ist sicherlich nicht typisch für einen Spitzenpolitiker. Der frisch gewählte rumänische Präsident ist ein politischer Quereinsteiger - mit großem Erfolg. Der heute 55-Jährige studierte Physik und startete dann als Gymnasiallehrer ins Berufsleben, noch zu Zeiten der Ceaușescu-Diktatur. Nach dessen Sturz gingen seine Eltern und seine Schwester nach Deutschland, heute leben sie in der Nähe von Würzburg. Klaus Johannis blieb.

Seine politischen Meriten verdiente sich der deutschstämmige Rumäne, der mit einer Rumänin verheiratet ist, in der Lokalpolitik. Im Jahr 2000 wurde er als Kandidat des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien (DFDR), dem er seit 1990 angehört, zum Bürgermeister seiner Heimatstadt Hermannstadt (Rumänisch: Sibiu) gewählt. Johannis ließ die marode Altstadt sanieren und sorgte dafür, dass Hermannstadt 2007 Europäische Kulturhauptstadt wurde. Er ließ die städtische Infrastruktur erneuern, führte eine moderne, effiziente Verwaltung ein und lockte deutsche und österreichische Investoren an. Dreimal wurde Johannis als Bürgermeister mit beachtlichen Mehrheiten wiedergewählt.

Mit seinem seinem soliden und vor allem sauberen Image schaffte es der Siebenbürger Sachse dann auch auf die Bühne der nationalen Politik. 2013 trat der Rathauschef der damals mitregierenden Nationalliberalen Partei (PNL) bei, 2014 wurde er deren Vorsitzender. Mit dem Slogan "Gutes Handwerk" zog Johannis in den Präsidentschaftswahlkampf. Selbst eine Hetzkampagne, mit der die Chancen des Protestanten aus Siebenbürgen geschmälert werden sollten, griff nicht. Nun muss sich zeigen, ob der Lokalpolitiker Johannis die Rumänen auch auf nationaler und internationaler Bühne überzeugen kann.

Wie kam es zu Johannis' Wahlsieg?

Aus dem ersten Wahlgang am 2. November war Ministerpräsident Viktor Ponta noch als Sieger hervorgegangen. Der Sozialist kam bei einer Wahlbeteiligung von 53,2 Prozent auf 40,4 Prozent der Stimmen. Klaus Johannis trat für die Christlich-Liberale Allianz (ACL) an, der auch seine PNL angehört. Er erhielt nur 30,4 Prozent, schaffte es damit aber trotzdem in die Stichwahl.

Die Abstimmung am 16. November gewann er nun überraschend mit knapp 55 Prozent. Zu seinem Erfolg dürfte die im Vergleich zum ersten Wahlgang wesentlich größere Mobilisierung der Wähler beigetragen haben - die Beteiligung lag bei mehr als 62 Prozent. Nach Angaben der Wahlkommission gingen am Sonntag etwa 379 000 im Ausland lebende Rumänen zur Wahl und damit mehr als doppelt so viele wie in der ersten Runde. Von den 160 000 Auslandsrumänen hatten bereits im ersten Wahlgang lediglich 16 Prozent für den Sozialisten Ponta gestimmt. Sollte diese Gruppe ihr Wahlverhalten nicht radikal verändert haben, hat sie maßgeblich zur Wahl Johannis' beigetragen.

Warum gingen plötzlich so viele Auslandsrumänen zur Wahl?

Das Motiv dürfte unter anderem Wut gewesen sein. Pontas Regierung hatte den im Ausland lebenden Rumänen das Wählen schwer gemacht. Eine elektronische Wahl war ebenso wenig möglich wie die Wahl per Brief. Gerade einmal 294 Wahllokale standen den mehr als zwei Millionen Auslandsrumänen zur Verfügung, fünf davon in Deutschland.

Die Wähler mussten somit oft eine lange Anreise und außerdem lange Wartzeiten in Kauf nehmen. Auf ein Wahllokal kamen im Schnitt knapp 7000 Wahlberechtigte. Zum Vergleich: Bei der Bundestagswahl 2013 standen 2,5 Millionen Wahlberechtigten in Berlin etwa 1700 Wahllokale zur Verfügung - das sind weniger als 1500 Stimmberechtigte pro Wahllokal. Trotz stundenlangen Wartens konnten viele rumänische Bürger im ersten Wahlgang am 2. November ihre Stimme nicht abgeben, bei der Stichwahl kam es erneut zu Problemen. Ponta hatte sich trotz einer Empfehlung der Wahlkommission geweigert, mehr Wahllokale zur Verfügung zu stellen. In mehreren Städten kam es zu Zwischenfällen. In Paris kam es am Sonntagabend zu Ausschreitungen vor der rumänischen Botschaft. Die Polizei ging mit Tränengas gegen aufgebrachte Rumänen vor, die bei der Schließung des Gebäudes ihre Stimme noch nicht hatten abgeben können. In München waren Wähler mit Zahnbürsten zu sehen, um zu zeigen, dass sie von einer langen Wartezeit ausgingen.

Rumänen demonstrieren für Wahlrecht

Auch in München konnten nicht alle Rumänen ihre Stimme abgeben. Hier demonstrieren sie am Abend vor dem Konsulat in München.

(Foto: dpa)

Wer sind die Siebenbürger Sachsen?

Die Vorfahren der Siebenbürger Sachsen haben sich bereits im 12. Jahrhundert in der Region Siebenbürgen im damaligen Königreich Ungarn angesiedelt. Allerdings handelte es sich nicht um Sachsen, sondern um Menschen aus verschiedenen deutschsprachigen Gebieten vor allem im heutigen Deutschland, Luxemburg, Lothringen, Elsass und Belgien. Angeworben wurden sie einst in ihren Heimatländern. Eine andere, populärere Erklärung ist, dass es sich bei den ersten Siedlern in dieser Region um Teilnehmer des Zweiten Kreuzzugs 1147 handelte. Der Fußweg ins Heilige Land führte durch Ungarn. Und der ungarische König Geza II. überzeugte vermutlich eine Reihe der Teilnehmer, darunter Bauern und Handwerker, in seinem Land zu siedeln.

Sein Interesse lag darin, mit diesen Christen aus dem Westen heidnische Stämme aus dem Osten abwehren zu können. Über die Jahrhunderte entwickelte sich aus den Siedlern ein Volk, das sich über die deutsche Sprache und die kulturelle Nähe identifizierte. Den Namen "Sachsen" bekamen die Siedler von den einheimischen Ungarn als Synonym für Menschen aus dem deutschsprachigen Westen. Im 16. Jahrhundert besiegte das Osmanische Reich Ungarn, Siebenbürgen wurde ein Fürstentum unter der Kontrolle der Türken. Nach dem Sieg der Österreicher über das Osmanische Reich Ende des 17. Jahrhunderts übernahm Wien die Kontrolle über Ungarn und auch Siebenbürgen. 1918, nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg und dem Ende der Donaumonarchie, ging das Gebiet an Rumänien.

Im Zweiten Weltkrieg kämpfte die Armee des Königreichs Rumänien anfänglich auf der Seite Deutschlands und Italiens. Unter den deutschstämmigen Rumänen gab es viel Sympathie für die nationalsozialistische Machtübernahme. Ab 1940 konnten "Volksdeutsche" wie die Banater Schwaben auch in die Wehrmacht und die SS eintreten. Allerdings taten dies nicht alle von ihnen freiwillig, sondern im Rahmen der allgemeinen Rekrutierung unter den Rumäniendeutschen.

Rumänien wechselte 1944 die Seite und schloss sich den Alliierten an. Viele "Volksdeutsche" flohen nun vor der Roten Armee ins Deutsche Reich. Nach dem Zweiten Weltkrieg kam es zu Vergeltungsaktionen gegen die deutschstämmigen Rumänen, zu Diskriminierung und Enteignungen. Unter Nicolae Ceaușescu (von 1965 bis 1989 an der Macht) entspannte sich die Lage kurz, wurde dann aber so schlecht, dass die deutsche Bundesregierung vor allem in den siebziger und achtziger Jahren mehr als 200 000 Rumäniendeutsche "freikaufte".

Nach dem Zweiten Weltkrieg ist der Anteil der deutschstämmigen Minderheit deshalb deutlich zurückgegangen. Während in Siebenbürgen 1930 noch 230 000 deutschstämmige Rumänen lebten, waren es 1989 nur noch etwa 100 000. Nach dem Ende der Ceaușescu-Diktatur wanderten weitere Rumäniendeutsche aus. Heute leben in Rumänien nur noch einige Zehntausend Menschen, deren Vorfahren aus den deutschsprachigen Gebieten im Westen stammen. In Deutschland dagegen leben dem Verband der Siebenbürger Sachsen zufolge heute etwa 250 000 Angehörige dieser Gruppe.

Welche deutschsprachigen Minderheiten gibt es sonst noch?

Die Banater Schwaben sind neben den Siebenbürger Sachsen die größte Gruppe der sogenannten Rumäniendeutschen. Ihr Name rührt vom Banat her, einer Region, deren größter Teil heute zu Rumänien gehört. Es handelt sich bei den Banater Schwaben allerdings nicht überwiegend um die Nachfahren von Schwaben - ihre Vorfahren kamen vielmehr aus etlichen Regionen wie Bayern, Franken oder Baden, aber auch aus dem Elsass oder Lothringen.

Der Begriff Schwaben rührt vermutlich eher daher, dass viele Einwanderer ab dem Ende des 17. Jahrhunderts von der schwäbischen Stadt Ulm aus auf der Donau bis in ihre Siedlungsgebiete reisten. Daher rührt auch der Begriff "Donauschwaben" für die damals in den Osten ausgewanderten Deutschen.

Hintergrund der Auswanderung war das Interesse Österreich-Ungarns, in den östlichen Gebieten die nach den Türkenkriegen teilweise verödeten Ländereien zu besiedeln. Bereits Ende des 17. Jahrhunderts hatte Wien Siedler in ungarische Städte geschickt, die von den Türken zurückerobert waren. Landesfürsten im deutschen Reich unterstützten die Auswanderung ihrer Untertanen. Wien legte Wert darauf, dass vor allem katholische Siedler in den Osten auswanderten. Allerdings warben ungarische Großgrundbesitzer auch um Siedler evangelischen Glaubens.

Als Folge des Ersten Weltkriegs ging der größere Teil des Banats 1920 an Rumänien.

Weitere deutschstämmige Minderheiten in Rumänien sind etwa die Banater Berglanddeutschen, die sich um 1800 im Südosten des Banat ansiedelten. Da es sich vor allem um Österreicher und Bayern handelte, die einen anderen Dialekt sprachen als die Banater Schwaben, wurden sie von diesen unterschieden. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden viele der Banater Berglanddeutschen in die Sowjetunion zwangsdeportiert, andere flohen nach Westen.

Die Bukowinadeutschen, die sich seit dem 18. Jahrhundert im Fürstentum Moldau angesiedelt hatten, stammten zum Teil aus deutschsprachigen Gebieten im Westen, aber auch aus dem Banat und anderen ungarischen Regionen. 1940 wurden fast alle "Volksdeutschen" in der Bukowina nach einer Absprache zwischen Deutschland und der Sowjetunion ins Deutsche Reich und ins besetzte Polen umgesiedelt.

Genauso erging es den Dobrudschadeutschen, die im 19. Jahrhundert aus Russland in die Dobrudscha am Schwarzen Meer gekommen waren.

Eine weitere Gruppe sind die Sathmarer Schwaben, deren Vorfahren nach den Türkenkriegen Anfang des 18. Jahrhunderts nach Ungarn gekommen waren. Nach dem Zweiten Weltkrieg flohen viele von ihnen nach Westen, andere wurden nach Osten deportiert, alle übrigen enteignet.

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