Wahlsieg der Hamas:Politisches Erdbeben erschüttert den Nahen Osten

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Wider Erwarten haben doch die Fundamentalisten von der Hamas die palästinensischen Parlamentswahlen gewonnen. Die militanten Widerstandskämpfer müssen sich nun als Politiker bewähren. Den Friedensprozess mit Israel macht das nicht leichter.

Die Extremisten-Organisation Hamas hat 76 Sitze im Palästinenser-Parlament erobert und damit eine deutliche absolute Mehrheit. Die palästinensische Wahlkommission teilte mit, der Anteil der bisher regierenden Fatah sei auf 43 Abgeordnete geschrumpft.

Jugendliche Anhänger der Hamas feiern den Wahlsieg im Gaza-Streifen. (Foto: Foto: AFP)

Die Fatah hatte bereits vor der Bekanntgabe ihre Niederlage erklärt und angekündigt, in die Opposition zu gehen. Die Hamas war bei der Wahl am Mittwoch erstmals für das Parlament angetreten. Sie kämpft für eine Zerstörung Israels und wird von Israel, der USA und der Europäischen Union (EU) als Terror-Organisation betrachtet.

Hamas will mit Fatah koalieren

Der deutliche Sieg der Hamas verändert die politische Landschaft in der Region nachhaltig. Ministerpräsident Ahmed Kurei (Fatah) erklärte am Morgen: "Die Hamas wird die neue Regierung bilden, wenn sich ihr Sieg bestätigt."

Hamas-Führer Chaled Maschal teilte mit, er strebe eine Koalition mit der Fatah an. Auch Muschir al Masri, der in seinem Wahlbezirk im Norden des Gazastreifens bei der Wahl ein Mandat erringen konnte, bekräftigte den Willen der Hamas zu einer Koalition mit der Fatah-Bewegung.

"Wir wollen eine politische Partnerschaft", sagte er. "Unsere Partei strebt nach einer Einigung des palästinensischen Volkes, dafür ist eine politische Partnerschaft sehr wichtig."

Dagegen erklärte der bisherige Chefunterhändler mit Israel, Sajeb Erakat: "Die Hamas wird mit der Regierungsbildung beauftragt. Wir in der Fatah werden daran nicht teilnehmen. Wir werden eine loyale Opposition sein und die Partei erneuern."

Ein Grund, der zum Erfolg von Hamas beigetragen haben könnte, ist die Korruption in der von der Fatah geführten Autonomiebehörde.

Allerdings bleiben die Einflussmöglichkeiten von Hamas auch beim Gewinn einer absoluten Mehrheit beschränkt: Präsident bleibt Fatah-Chef Mahmud Abbas, der zugleich Präsident der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) bleibt und damit weiter für die Verhandlungen mit Israel verantwortlich ist.

Hamas nicht gesprächsbereit

Dennoch ist die Zukunft der Beziehungen zwischen Israel und der neuen Palästinenserführung völlig offen.

Zu Gesprächen mit Israel ist die Hamas weiterhin nicht bereit. Auch Israel und die USA hatten angekündigt, nicht mit einer Regierung unter Führung der Hamas zusammenzuarbeiten. Der Friedensprozess droht somit zum Stillstand zu kommen.

"Verhandlungen oder eine Anerkennung des jüdischen Staates stehen nicht auf unserer Agenda", sagte al-Masri, der auch Hamas-Sprecher ist. "Unser Sieg zeigt, dass der Weg der Hamas der richtige ist", sagte er.

Olmert: Israelis können mit jedem Szenario umgehen

Der amtierende israelische Regierungschef Ehud Olmert hatte bereits vor der Wahl angedeutet, dass Israel künftig noch mehr auf einseitige Schritte setzen könnte, falls es keinen geeigneten Gesprächspartner auf Seiten der Palästinenser gebe - ganz nach dem Vorbild des von Ariel Scharon betriebenen Abzugs aus dem Gazastreifen.

"Wir würden ein Abkommen vorziehen", sagte Olmert. "Aber wenn unsere erwarteten Partner bei Verhandlungen nicht zu ihren Verpflichtungen stehen, werden wir das Interesse Israels in jeder Hinsicht zu wahren wissen."

Die Palästinenser betrachten einen solchen israelischen Unilateralismus als Affront, weil Israel seine territorialen Grenzen dabei nach eigenem Gutdünken bestimmen und auch Land beanspruchen würde, das die Palästinenser als Teil ihres geplanten Staates betrachten.

Aber viele Israelis sehen entschlossene einseitige Schritte als Ausweg aus der Sackgasse im Nahost-Konflikt. In seiner ersten großen politischen Rede seit Scharons Schlaganfall am 4. Januar sagte Olmert, Israel werde in der Lage sein, "mit jedem Szenario umzugehen, um seine Sicherheitsinteressen und seinen politischen Horizont zu bewahren".

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