Wahlkampfthemen der SPD:Irgendwie staatstragend

SPD Launches Election Campaign Headquarters

Wahlplakat in der SPD-Zentrale.: In Fragen der Europapolitik sind sich Kanzlerin Merkel und ihr Herausforderer Peer Steinbrück ziemlich einig

(Foto: Getty Images)

Löhne, Bildung, Familie, Gleichstellung und Finanzmarktregulierung. Echte Schlager sind die jetzt vorgestellten Wahlkampfthemen der Sozialdemokraten nicht. Doch was bleibt? In der Euro-Politik sind sich Merkel und Steinbrück ziemlich einig.

Von Susanne Höll, Berlin

Die Bundes-SPD hat in Kurzform ihre wichtigsten Wahlkampfthemen präsentiert. Gute Arbeit für guten Lohn steht an erster Stelle, gefolgt von den Themen Bildung, Familie, Gleichstellung und Finanzmarktregulierung. Europa findet sich auf dieser Prioritätenliste nicht. Anders als manche Sozialdemokraten gehofft und prophezeit hatten, wollen die SPD-Granden sich mit der Kanzlerin in den nächsten Monaten keine groß angelegte Grundsatzauseinandersetzung über die Euro-Rettung und die Zukunft der Gemeinschaft liefern.

Auch beim Hilfspaket für Zypern kann die schwarz-gelbe Bundesregierung bei einer Abstimmung im Bundestag wieder mit roter Unterstützung rechnen, jedenfalls wenn es nach der Führung von Partei und Fraktion geht.

Folgt man der Argumentation der SPD-Strategen, gibt es mehrere Gründe für diesen vergleichsweise defensiven Kurs. Zum einen beäugt die klassische SPD-Klientel die Versuche zur Rettung des Euro und zum Erhalt der Gemeinschaft nicht weniger skeptisch als die Wähler von Union und FDP. Dass mit ihren Steuergeldern Staaten und Banken saniert werden müssen, während daheim das Geld für Schulsanierungen, Straßenbau und Sozialprojekte fehlt, findet der durchschnittliche Sozialdemokrat genauso fragwürdig wie ein Konservativer oder Liberaler.

SPD-Bundestagsabgeordnete klagen immer wieder, dass sie zu Hause im Wahlkreis Schwierigkeiten hätten, die deutsche Europa-Politik zu vermitteln und um Verständnis für die komplexen Probleme der EU zu werben. "Das ist bei unseren Leuten nicht der Renner", sagte unlängst ein namhafter Vertreter der Sozialdemokratie.

Und die SPD hat mehrfach, zuletzt in der Zypern-Diskussion, die Erfahrung machen müssen, dass ihre vollmundig angekündigte Opposition gegen die Politik der Bundesregierung keine Erfolge bringt. Der Parteivorsitzende Sigmar Gabriel hatte im Januar, als die Debatte um eine Hilfe für die Mittelmeerinsel in Fahrt kam, eine Absage der SPD in Aussicht gestellt. Mit der Begründung, es sei deutschen Steuerzahlen nicht zuzumuten, zyprische Banken zu retten, "deren Geschäftsmodell auf der Beihilfe zum Steuerbetrug basiert". Inzwischen ist auch er dem Vernehmen nach bereit, im April im Bundestag mit Ja zu stimmen, wenn auch grummelnd.

Staats- und europatragende Sozialdemokraten

Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble haben sich auch diesmal zahlreiche SPD-Forderungen zu eigen gemacht und in den Verhandlungen der internationalen Geldgeber mit der Regierung in Nikosia durchsetzen können, dass ein Nein inhaltlich kaum begründbar wäre. Die SPD klagt seit Beginn der Euro-Krise, die Bundeskanzlerin fahre in Brüssel politische Schlangenlinien, die die Gemeinschaft und deren Bürger teuer zu stehen kämen. Dieser Vorwurf ist nicht unberechtigt. Aber auf ihren Kurven schafft es Merkel immer wieder, SPD-Wünsche aufzunehmen und sich so die Unterstützung der größten Oppositionspartei zu sichern.

Und damit macht sie nicht sich und der Koalition, sondern der SPD das Leben schwer. Denn in der Bundestagsfraktion schwindet seit geraumer Zeit die Lust, in Europa-Fragen trotz vieler Detailkritik immer wieder mit der Koalition zu votieren. Der Fraktionsvorsitzende Frank-Walter Steinmeier und die Europa-Politiker haben zusehends Mühe, die eigenen Reihen vor Fundamentalopposition im Bundestag abzubringen. Denn in zentralen Fragen der Euro-Politik sind sich Merkel, Steinmeier und auch Steinbrück ziemlich einig.

Die SPD würde manches besser machen wollen, aber nicht alles anders. In der Euro-Politik verhalten sich die Sozialdemokraten, abgesehen von zwei kleinen Irrwegen zu Beginn der Euro-Krise, staats- und damit europatragend. Auch deshalb eignet sich das EU- Thema nicht zum Wahlkampfschlager.

Kanzlerkandidat Steinbrück und andere in der SPD hatten das vor einiger Zeit noch etwas anders gesehen. Seine einst hohe Popularität in den eigenen Reihen und in der Bevölkerung hatte Steinbrück sich bekanntlich mit seinen öffentlichen Vortagsreihen erworben, in denen er engagiert für Europa warb und zwischenzeitlichen nationalen Chauvinismus in Union und FDP geißelte. Solche unschönen Töne sind bei Schwarz-Gelb inzwischen verstummt. Anlass für Fundamentalkritik bietet die Kanzlerin inzwischen kaum mehr. Deshalb wird die SPD der Kanzlerin im Bundestagswahlkampf Versäumnisse vorwerfen. Aber im Bundestag mutmaßlich weiter unterstützen.

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