Wahlkampfauftritte in EU-Staaten:Merkel sichert Niederlanden nach türkischen NS-Vergleichen "volle Unterstützung" zu

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Auf der Pressekonferenz nach ihrem Spitzengespräch mit der Deutschen Wirtschaft sprach Merkel zunächst über den Konflikt mit der Türkei. (Foto: REUTERS)
  • Kanzlerin Merkel kritisiert in München scharf, dass die türkische Regierung nach Deutschland auch die Niederlande mit dem NS-Regime verglichen hat.
  • In dem Konflikt geht es um geplante Auftritte türkischer Politiker in EU-Ländern, um bei ihren dort lebenden Landsleuten für die von Präsident Erdoğan angestrebte Verfassungsreform zu werben.
  • Auch die EU fordert von Ankara, "überzogene Äußerungen und Handlungen" zu unterlassen.
  • Die Türkei erwartet derweil von den Niederlanden eine offiziell Entschuldigung.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich im Konflikt mit der Türkei demonstrativ auf die Seite der Niederlande und ihres Ministerpräsidenten Mark Rutte gestellt. Auf einer Pressekonferenz in München sagte die CDU-Politikerin, ihre Ablehnung von NS-Vergleichen "gilt in vollem Umfang auch für mit uns befreundete Länder wie die Niederlande". Die Vergleiche "führen völlig in die Irre und verharmlosen das Leid". Die Niederlande hätten deshalb ihre "volle Unterstützung und Solidarität".

Auch die EU forderte die Türkei auf, "überzogene Äußerungen und Handlungen" zu unterlassen. Es sei wichtig, eine weitere Eskalation zu vermeiden und Wege zu finden, die Situation zu beruhigen, sagte EU-Sprecher Margaritis Schinas.

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg rief die Türkei und die anderen Bündnispartner im Streit um untersagte Wahlkampfauftritte türkischer Politiker zur Mäßigung auf. Ziel müsse es sein, "Spannungen zu entschärfen und die Lage zu deeskalieren", sagte er.

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Am Wochenende hatte sich die Auseinandersetzung um Wahlkampfauftritte türkischer Politiker in EU-Staaten verschärft. Die niederländischen Behörden verweigerten Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu die Einreise mit dem Flugzeug und wiesen die türkische Familienministerin Fatma Betül Sayan Kaya auf dem Landweg wieder in Richtung Deutschland aus.

Ankara fordert Entschuldigung von Den Haag

Die Regierung in Ankara legte am Montag offiziell Protest bei den Niederlanden ein. Das Außenministerium in Ankara bestellte den Gesandten der niederländischen Botschaft ein und überreicht ihm zwei Protestnoten.

Darin teilt die türkische Regierung mit, dass die Behandlung der türkischen Minister als Bruch des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen gewertet werde. In dem völkerrechtlichen Vertrag ist beispielsweise geregelt, dass es zu den konsularischen Aufgaben gehört, die "Interessen des Entsendestaats sowie seiner Angehörigen, und zwar sowohl natürlicher als auch juristischer Personen, im Empfangsstaat innerhalb der völkerrechtlich zulässigen Grenzen zu schützen". Zudem kritisiert die türkische Regierung, dass der Polizeieinsatz gegen türkische Demonstranten in Rotterdam unverhältnismäßig gewesen sei. Das melden unter anderem die türkische Zeitung Hürriyet sowie CNN Türk.

Außerdem erwartet Ankara eine offizielle schriftliche Entschuldigung der niederländischen Regierung für die Behandlung der Minister, die diplomatische Gepflogenheiten und internationales Recht verletzten. Präsident Recep Tayyip Erdoğan sagte, die Niederländer hätten "keine Ahnung von Diplomatie oder Politik". "Sie sind Nazi-Nachkommen. Sie sind Faschisten." Der abgewiesene Außenminister Çavuşoğlu drohte, die Türkei werde so lange gegen die Niederlande vorgehen, bis sie sich entschuldigten. Das Land sei die "Hauptstadt des Faschismus".

Der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte hatte eine von der Türkei geforderte Entschuldigung für das Vorgehen gegen die Minister jedoch bereits zuvor abgelehnt. Wenn sich jemand entschuldigen müsse, dann sei dies die Türkei, sagte er am Sonntag am Rande einer Wahlkampfveranstaltung. Faschismus-Vorwürfe der türkischen Regierung wies er als "inakzeptabel" zurück.

Den Haag mahnt Niederländer in der Türkei zur "Vorsicht"

Die Niederlande aktualisierten am Montag wegen der diplomatischen Spannungen die Reisehinweise für die Türkei. Das Außenministerium in Den Haag rät darin den in der Türkei lebenden Niederländern zur "Vorsicht". Sie sollten im gesamten Land Menschenansammlungen sowie belebte Plätze meiden, hieß es.

Die dänische Regierung hatte bereits am Sonntag aus Solidarität mit den Niederlanden einen geplanten Besuch des türkischen Ministerpräsidenten Binali Yıldırım abgesagt. Ein solcher Besuch könnte angesichts der "aktuellen Angriffe der Türkei gegen die Niederlande nicht stattfinden", teilte der dänische Ministerpräsident Lars Løkke Rasmussen mit.

© SZ.de/AFP/AP/dpa/Reuters - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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