Wahlkampf in Thüringen:Wossi will's wissen

Wahlkampf in Thüringen: Wahlkampf mit Anhang: Bodo Ramelow wurde beim Kampf um die Stimmen der Weimarer nicht nur von seiner Frau sondern auch von Hund Attila begleitet.

Wahlkampf mit Anhang: Bodo Ramelow wurde beim Kampf um die Stimmen der Weimarer nicht nur von seiner Frau sondern auch von Hund Attila begleitet.

(Foto: AFP)

Es wäre eine Sensation, würde Bodo Ramelow am Sonntag zum ersten linken Ministerpräsidenten Deutschlands aufsteigen. Doch faktisch agiert der westdeutsche Ostdeutsche in Thüringen schon wie einer.

Von Cornelius Pollmer, Erfurt/Weimar

Es ist noch überhaupt nichts entschieden in diesem Wahlkampf, daran muss sich auch Bodo Ramelow ab und an erinnern, wie neulich, als er einen Thüringer Unternehmer besuchte. "Ihr Vorgänger war ja auch schon da", sagte der Mann, Ramelow stockte, dann bat er ihn, seinen Satz zu wiederholen. Nun stockte der Unternehmer, dann bekam er gerade so noch die scharfe Kurve: Dieter Althaus sei ja auch einmal Kandidat für das Amt des Ministerpräsidenten gewesen.

Es ist jetzt immer wieder die Geschichte Bodo Ramelows zu lesen, noch ist es eine im Konjunktiv: Er könnte der erste linke Ministerpräsident Deutschlands werden. Am kommenden Wochenende wählt Thüringen einen neuen Landtag, es könnte für eine Fortsetzung der schwarz-roten Koalition von Christine Lieberknecht reichen, es könnte aber auch für eine rot-rote oder rot-rot-grüne Allianz reichen. Formal wäre Letzteres ein bedeutsames Novum, nur, was würde es faktisch bedeuten?

Je weiter man sich von Thüringen entfernt, desto gewaltiger scheint das Momentum. Ein Reporter von Bloomberg schrieb einen Text über Ramelow, die Überschrift seines Artikels war überladen mit Reizwörtern: "German Ex-Communists Seek Revolution in Luther's Homeland". Im ersten Kommentar unter dem Text fragte einer besorgt: "Will they reinstate the STASI?" So ähnlich würde auch die CDU das Duell zwischen Lieberknecht und Ramelow gerne intonieren, sie wirkt dabei mehr bemüht als ernsthaft sorgenvoll. Dass man einen Linken aus Prinzip nicht wählen dürfe, trägt als Begründung im Jahr 2014 nicht mehr allzu weit. Im Gegenteil, je näher man diesem Wahlkampf kommt, desto mehr scheint klar zu sein, dass die faktischen Unterschiede mit den formalen nicht mithalten und gar nicht mithalten könnten. Dies gilt für beide großen Felder dieses Wahlkampfes, also für die Personen wie für die Inhalte.

Er will, was alle wollen

Zu den Inhalten. Wie schon in Sachsen, versprechen in Thüringen im Grunde alle Parteien die Anzahl der Lehrer-Neueinstellungen zu erhöhen, Unterschiede in ihren Forderungen lassen sich nur mit kreativer Bruchrechnung herausarbeiten: Die SPD will 500 Lehrer pro Jahr anwerben, die CDU 1000 in zwei Jahren, Ramelows Linkspartei hat sich für 5000 in zehn Jahren ausgesprochen. Alle Parteien wollen die Kommunen finanziell entlasten, alle sind sich einig, dass die Schuldenbremse zügig in die Landesverfassung zu übernehmen sei.

Zur Person. Bodo Ramelow, 58, geboren in Niedersachsen, kam 1990 als Sekretär der Gewerkschaft Handel, Banken, Versicherungen (HBV) aus Hessen nach Thüringen, um dort gewerkschaftliche Strukturen aufzubauen. Mit einem Bündnis aus Betriebsräten zog er gegen Zerschlagungen durch die Treuhand zu Felde, "da lag ich auch mal vor einem 40-Tonner auf der Straße". Drei Mal wurde Ramelow in seiner HBV-Zeit ein Mitgliedsantrag der SPD vorgelegt, drei Mal habe er diesen lächelnd zurückgegeben. Als es mit der HBV zu Ende ging, verlor Ramelows Parteienskepsis an Kraft. Er habe damals gedacht: "Wenn ich nichts mehr verändern kann, dann muss ich mich verändern." 1999 trat Ramelow der PDS bei, 2004 war er das erste Mal ihr alleiniger Spitzenkandidat, 2009 verbesserte er das Ergebnis der der PDS nachfolgenden Linkspartei erneut.

Ramelow ist eigentlich unwählbar

Formal ist Ramelow Wessi und Linker, und damit eigentlich unwählbar in einem Bundesland, das seit der Wende von der CDU meist beherrscht und immer regiert worden ist. Faktisch aber "bin ich ja ein Urgestein dieses Landes, seit 25 Jahren hier". Ramelow ist ein westdeutscher Ostdeutscher geworden, ein Wossi. Die Menschen würden zwar wissen, dass er aus dem Westen komme, aber eben auch, dass er seit 1990 da sei. Die Geschichte Bodo Ramelows ist in Teilen auch eine der Bundesrepublik und deren innenpolitischer Erschlaffung.

Ramelow erlebte die wilden Tage im Umbruch nach 1989, und er ist jetzt noch da, in einer Zeit, in der sich besonders im Osten viele Menschen von der Politik im Grunde Kontinuität wünschen. Aber sie wünschen sich auch ab und an mal ein anderes Gesicht an der Spitze, auch darin besteht Ramelows Chance. Dass sich nach einer Wahl alles ändern werde, mag früher mal ein Versprechen gewesen sein, heute ist es im verhalten prosperierenden Thüringen eher eine Angst, die Bodo Ramelow den Wählern gleich selbst nehmen möchte: Nicht alles anders machen, aber vieles besser - mit einem solchen Kurs eine lange währende CDU-Regierung fällen zu wollen, funktionierte schon einmal, bei Gerhard Schröder, 1998.

Ramelows Frau scheint vorbereitet zu sein

Womöglich hilft Ramelow das Prädikat West-Linker nun sogar. Stasi- und SED-Schatten fallen zwar auf andere in Partei und Fraktion, aber nicht auf Ramelow selbst. Und ein Westdeutscher, der auf westdeutsche Gestaltungsprinzipien etwa in der Daseinsvorsorge schimpft? Das kommt auf den Marktplätzen Thüringens natürlich nicht so schlecht an.

Darüber hinaus hat sich Ramelow in den vergangenen Jahren auch in der B-Note verbessert, in der es um die Frage geht: ministerpräsidiabel oder nicht? Wie Tim und Struppi stromerten Ramelow und sein Jack-Russell-Terrier Attila vor Jahren noch durch die Straßen. Die Tolle ist weg, Ramelow gibt sich heute scheitel- und staatstragend. Er gehört zu den besten Rednern des Landtags, gelegentlich vermittelt er, wenn welche aus CDU und SPD mal wieder scharmützeln. Sieht sie so aus, die Revolution in Lutherland?

Beim Parlamentariertag der Linken in Erfurt saß Bodo Ramelow vor ein paar Tagen auf einem Podium. Thema: "Die Linke in Regierungsverantwortung - Erfahrungen, Bedingungen, Perspektiven." Carola Bluhm, gewesene Senatorin in Berlin, sagte, sie beobachte bei Medien gegenüber Ramelow und der Linken in diesem Wahlkampf eine "wertschätzende Neutralität", das sei ein Fortschritt. Ramelow sagte, er schätze die Erfolgschancen auf 50:50, und er erzählte auch vom Jahr 2009, als die Linke schon einmal vor der Gelegenheit stand, in Thüringen zu regieren. Da habe man "viele, viele Fehler gemacht, wir waren siegesbesoffen".

Bevor SPD und Linke damals inhaltliche Ähnlichkeiten hätten ausloten können, überzogen sie sich mit Bedingungen, die ein Bündnis letztlich unmöglich machten. Viele sagen, auch Ramelows cholerische Art habe die Sondierungen sabotiert, er selbst bestreitet das. Dieses Mal haben beide Parteien und die Grünen schon vor der Wahl ein paar Fallstricke zerschnitten. Es bleibt die Frage, ob Ramelow nach einem möglichen Wahlsieg die Ruhe besäße, ein Bündnis einzufädeln und die SPD und deren Mitglieder aus dem Magnetfeld der CDU herauszuholen.

Ein wenig fahrig wirkt Ramelow in diesen Tagen zuweilen schon, aber doch auch erfahrener. Seine Frau scheint ebenso vorbereitet zu sein auf eine mögliche neue Rolle als Gattin des Ministerpräsidentin. Germana Alberti vom Hofe trägt nun manchmal einen grünen Jutebeutel bei sich. Darauf steht: "Ich schmeiß' alles hin und werd' Prinzessin."

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