Wahlkampf in Thüringen:Auf sie mit Miau

Demonstration gegen Nazis vor dem Landtag in Erfurt

"Keine Nazis in den Landtag": Viele Erfurter Abgeordnete versuchen, die NPD mit Mülltonnen zu stoppen.

(Foto: Michael Reichel/dpa)

Der Landtagswahlkampf in Thüringen ist von Tiervergleichen geprägt - und einer grotesken NPD. Dabei ist die Abstimmung im September spannend wie nie. Erstmals könnte ein Linker in Deutschland Ministerpräsident werden.

Von Cornelius Pollmer, Erfurt

Der Tiervergleich hat in der Politik eine wirklich elendig lange Tradition, und seit Franz Müntefering die Heuschrecken hopsen ließ, hat er sogar wieder so etwas wie Konjunktur. Wesentliche Neuerungen aber gab es auf dem Gebiet der Verbal-Zoologie zuletzt nicht zu berichten, bis, ja bis der Wahlkampf im angeblich grünen Herz Deutschlands begann, in Thüringen.

Zu den Tieren gleich mehr, zunächst zur Sache: Am 14. September wählen die Bürger einen neuen Landtag, es könnte an diesem Tag fast alles passieren oder auch gar nichts. Die Umfragewerte von Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht und ihrer CDU sind ordentlich, trotz einiger Affärchen; es könnte sein, dass sie einfach mit der SPD weiterregiert. Es könnte aber auch sein, dass die Republik mit Bodo Ramelow ihren ersten linken Ministerpräsidenten bekommt, als Anführer einer rot-roten oder rot-rot-grünen Koalition.

Bodo Ramelow - der "rundliche Stubenkater"

Das Volk hat in Thüringen also durchaus eine Wahl, und im Werben um die Stimmen haben sich die Leitwölfinnen und Leitwölfe der Parteien offenbar zu einer Art konzeptionellen Tiervergleichs-Bingo verabredet. Den Auftakt besorgte Sozialministerin Heike Taubert von der SPD. Über den Vielleicht-bald-Ministerpräsidenten von der Linken sagte sie, dieser sei nach 15 Jahren in der Opposition zum "rundlichen Stubenkater" geworden.

Ramelow stellte daraufhin zunächst die parlamentarische Sonderanfrage 5/1, die sich nach Chancen und Risiken der Unterbringung eines Stubenkaters in der Staatskanzlei erkundigte. Und dann stellte er Taubert gedanklich auch noch an die Seite von Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht und twitterte: "Die bei kleinen grauen Mäuschen meistunterschätzte Spezies ist der Stubenkater, gerade der rundliche :) #Miau". Vor ein paar Tagen nun stieg Lieberknecht selbst in den Käfig und sagte, bei den Linken handele es sich um Ewiggestrige, die noch nach der Wende "wie die Affen" in die Bäume geklettert seien, um etwa den Neubau von Autobahnen zu verhindern.

Der Wahlkampf, das war bislang ein großes, schnurrendes: #Miau. An diesem Donnerstag aber taucht während der Landtagssitzung in den Schlagworten bei Twitter auch das Hashtag #NoPasaran auf. Der Schlachtruf der Antifaschisten richtet sich gegen Patrick Wieschke, den Spitzenkandidaten der NPD. Wieschkes Akte ist eine zum Gruseln, er hat mal einen heftigen Anschlag auf einen türkischen Imbiss in Eisenach angezettelt. Nun aber will er sich nur noch bei der Landtagswahl gut schlagen, die NPD veröffentlichte am Dienstag zu diesem Zweck einen grotesken Werbespot. Er wirkt, als hätte man die Produktion lieber gleich Satirikern überlassen.

"Gewöhnt euch schon einmal an uns"

Am Mittwoch wiederum, so hatte sie es angekündigt, will die NPD schon mal "symbolisch in den Landtag einziehen". Also bauen sich am Morgen zunächst die fünf Fraktionen des Landtags - fast mit etwas zu viel Routine - zum Gegenprotest auf, mit Trillerpfeifen, ein paar klackernden Mülltonnendeckeln, ein paar, nun ja, "pfiffigen" Transparenten. Dann reist die NPD geschlossen an - in einem Kleintransporter. "Gewöhnt euch schon einmal an uns", schreit Wieschke ins Mikrofon, das genauso übersteuert ist wie der ganze Auftritt. Gekrönt werden soll er vom Einzug in den Plenarsaal, Wieschke hat seine Leute als normale Besuchergruppe angemeldet. Aber daraus wird nichts. Zivil-politische Kräfte blockieren die NPD, #NoPasaran.

Wieschke guckt ein bisschen traurig durch die geschlossene Glastür, ein Männchen, umringt von Polizisten und anderen Ordnungshütern. Von der luftigen Gegenseite im Innenraum betrachtet, wähnt man sich da schon wieder im Zoo, einem voller Menschen. Denn gleichzeitig schleust ein Mitarbeiter des Landtags Besuchergruppen durch den Eingang daneben ins Haus. Er klärt die verwunderten Leute über das Gemenge auf, man habe es "hier mit einer Ausnahmesituation zu tun, die für Sie mit einigen Unannehmlichkeiten verbunden ist".

Wenn Bodo Ramelow seine Sache ordentlich macht, könnte der Mitarbeiter den Satz im Herbst wiederholen, dann allerdings gegenüber den Fraktionen von CDU und SPD.

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Anmerkung der Redaktion: Dieser Artikel wurde nach Veröffentlichung bearbeitet.

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