Wahlkampf in Rheinland-Pfalz:Rüben, Reben und politische Sprengsätze

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Vor der Landtagswahl waschen die Parteien an Rhein und Mosel schmutzige Wäsche. Der Wähler dürfte sich fragen: Warum im März zur Urne gehen - wenn nur Schurken zur Abstimmung stehen?

Marc Widmann

Für Ahnungslose ist Rheinland-Pfalz noch immer das Land der Rüben und Reben, ein gemütliches Idyll mit Weinköniginnen und deftigem Essen, wo man herzhaft in den Saumagen beißt, seit Urzeiten regiert vom ebenso gemütlichen Sozialdemokraten Kurt Beck. Ein etwas verschlafenes Fleckchen, in dem die Welt noch in Ordnung ist; ach ja, wäre es nur überall so schön.

Nicht nur der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck kommt im Wahlkampf ins Schwitzen: Die Parteien an Rhein und Mosel bewerfen sich vor der Landtagswahl im März gegenseitig mit Schmutz. (Foto: dapd)

Tatsächlich ist Rheinland-Pfalz seit Monaten so ziemlich das Gegenteil: ein Land der Affären und Angriffe, der Attacken und anonymen Anschuldigungen. Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht neuer Schmutz geworfen wird, SPD wie CDU stehen mittlerweile recht besudelt da. Dabei steht die heiße Phase des Wahlkampfs noch bevor. Das ergibt nicht nur ein hässliches Bild, fünf Monate vor der Landtagswahl; das befleckt zugleich die Demokratie.

Gruseln ist gewünscht

Warum, dürfte sich mancher Wähler fragen, soll ich im März überhaupt abstimmen, wo ich doch nur die Wahl habe zwischen angeblichen Schurken?

Es ist ein gefährliches Spiel, das die Parteien treiben, ein Spiel, an dessen Ende alle verlieren. Da ist zum Beispiel das Gerede vom "System Beck". Pausenlos führt die CDU diesen Begriff im Mund, als wichtigen Pfeiler ihres Wahlkampfs. System Beck, das klingt ähnlich düster, ja unheimlich wie Warschauer Pakt, und genau dieses Gruseln ist gewünscht. Alle Fehler von Kurt Beck und seiner Regierung gehören für die Opposition zu diesem System, alles ist angeblich Folge einer unerträglichen Arroganz der absoluten Mehrheit.

Doch je mehr Schaum einer vor dem Mund hat, desto schwerer ist er zu verstehen.

Natürlich gibt es die Fehler der Regierung, sie reihen sich zu einer Kette. Der größte und teuerste ist der Bau eines völlig überdimensionierten Freizeitparks am Nürburgring für 330 Millionen Euro. Besucher gibt es wenig, dafür ermitteln dort die Staatsanwälte. Sie besuchten auch den zurückgetretenen Finanzminister, den Kurt Beck gewähren ließ, ohne Genaueres über das Projekt wissen zu wollen.

Es gibt das marode Schlosshotel in Bad Bergzabern, der Heimatstadt von Kurt Beck, saniert auf Landeskosten für Millionen. Auch hier liefen die Kosten aus dem Ruder, keiner schaute genau hin. Auch hier ist das Bild hässlich, und man darf vermuten, dass anderswo dafür Verantwortliche demissionieren müssten.

Doch wenn lautstarke Skandalisierung eine Folge hat, dann auch diese: Je kräftiger die Gegenseite brüllt, desto enger stehen die Attackierten zusammen.

An Affären mangelt es nicht

So ist es auch beim dritten Fall. Justizminister Bamberger muss sich an diesem Mittwoch im Landtag einem Misstrauensantrag stellen. Er soll Recht gebrochen haben, als er einen hohen Posten mit einem SPD-nahen Richter besetzte und dessen Konkurrent den Rechtsschutz verwehrte. Bamberger wird dennoch im Amt bleiben.

Ja, es kommt einiges zusammen an Unannehmlichkeiten für Kurt Beck, was ihn Sympathie kostet, wohl auch den einen oder anderen Wechselwähler; die SPD-Treuen jedoch versammeln sich umso fester hinter ihm. Sie tun das, weil in Rheinland-Pfalz die Opposition ebenfalls in Not ist. An Affären mangelt es der Gegenseite selbst nicht.

Die junge CDU-Herausforderin Julia Klöckner greift munter an, dabei ticken in ihrer eigenen Partei gleich mehrere Sprengsätze. Ein Abgeordneter steht bald vor Gericht, weil er sich illegal über seine Tochter interne Polizeidaten beschafft hat. Ein Untersuchungsausschuss prüft dubiose Zahlungen der Fraktion im vergangenen Wahlkampf, manch Muffelndes dürfte dabei noch zum Vorschein kommen. Jetzt gibt es auch noch eine anonyme Anzeige wegen illegaler Parteienfinanzierung. Ein System CDU?

Es ist ein schmutziger Wahlkampf in Rheinland-Pfalz, der schmutzigste bisher, und er wird noch unappetitlicher werden. Am Ende müssen die Besudelten dann wieder Politik machen.

© SZ vom 17.11.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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