Wahlkampf in Österreich:Personen-Shows für ein sattes Land

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Vor einem Jahr gründete Frank Stronach eine neue Partei, nun tritt er am 29. September bei der Nationalratswahl in Österreich an. (Foto: Roland Schlager/dpa)

Verkrustung und Reformstau? Nein, beim österreichischen Wahlkampf geht es den großen Parteien um den Status quo - und die Debatte prägen ohnehin Personen.

Von Cathrin Kahlweit, Wien

Hannes Androsch mischt sich gern in Österreichs Politik ein. Das hat er immer getan, bis 1981 sogar hauptamtlich - als Finanzminister unter Bruno Kreisky. Später wurde er dann bei der SPÖ entmachtet und außerdem wegen Steuerhinterziehung verurteilt. Seinen politischen Bedeutungsverlust kompensierte er mit ökonomischem Erfolg und demonstriert den Regierenden bis heute gern, dass er sich in Finanz- und Wirtschaftspolitik besser auskennt als sie.

Passend zur Wahl am 29. September hat er ein Buch geschrieben, in dem er seinen Landsleuten Bequemlichkeit und Reformunfähigkeit vorwirft. Die Gründe sucht der 75-Jährige in der Historie und findet sie in den Reformen von Kaiser Joseph II., der das "typisch österreichische Reformerschicksal" erlitten habe: unverstanden, ungeliebt, in Teilen gescheitert. Schon Napoleon, so Androsch, habe über das Kaiserreich geurteilt, es sei immer "ein Jahr, eine Armee und eine Idee im Rückstand". Die Aufklärung habe sich durch die Gegenreformation und den Metternich'schen Überwachungsstaat nie durchsetzen können, Untertanengeist und "raunzerische Wehleidigkeit" prägten das Land.

Gleichwohl rief das US-Magazin Foreign Policy vor wenigen Jahren das "Austrian Miracle", das österreichische Wunder, aus und beklatschte den Aufstieg zu einer der stabilsten Wirtschaftsmächte Europas. Denn: Auch wenn Österreich strukturell verkrustet ist, weil Sozialpartner und Altparteien in einem System allseitiger Abhängigkeiten und Verbindlichkeiten miteinander verwoben sind, so sind doch die Wirtschaftsdaten gut, die Arbeitslosigkeit ist im europäischen Vergleich niedrig, das Ausbildungssystem ein Vorzeigemodell.

Showkämpfe zwischen SPÖ und ÖVP

Wenn also Ende September gewählt wird, geht es den beiden größten und bislang regierenden Parteien, SPÖ und ÖVP, die derzeit bei 28 respektive 25 Prozent liegen, im Wesentlichen um den Status quo. Klar, die Konservativen wollen mehr Arbeitszeitflexibilisierung und Bürokratieabbau, die SPÖ will eine Vermögensteuer und Ganztagsschulen. Aber das sind Showkämpfe.

Letztlich wissen das auch die Wähler, die dankbar sind für eine eruptionslose Politik - deutet das doch darauf hin, dass die Krisen dieser Welt Österreich verschont haben. Daher haben auch alle Versuche, die Verkrustungen aufzubrechen und etwa mit Volksbegehren zu mehr Basisdemokratie, weniger Kirchenprivilegien oder einer neuen Bildungspolitik Bewegung in die politische Landschaft zu bringen, wenig Erfolg gezeitigt.

Und so ist es auch nicht der Reformstau, der die Debatte prägt, sondern es sind Personen: Frank Stronach, der Österreich als junger Mann verließ, kam als Milliardär aus Kanada zurück. Vor einem Jahr gründete er eine Partei, die mit dem Heilsversprechen neuer Werte wie "Transparenz" und "Fairness" antritt, sich aber seither in Diadochenkämpfen befindet. Unlängst erklärte die Drittplatzierte auf der Team-Stronach-Liste, Ex-ORF-Generaldirektorin Monika Lindner, ihren Rückzug; sie hatte gegen die ÖVP in Stellung gebracht werden sollen, der sie aber ihre Karriere verdankt. Und der Salzburger Kandidat Yilmaz Toyran bezeichnete das Team als "Saustall".

Neue Strategie Anti-Europa und Anti-Euro

Der alte Herr selbst hat erklärt, er plane, etwa 25 Millionen Euro für diesen Wahlkampf auszugeben, obwohl eine Kostenbremse von maximal sieben Millionen eingeführt worden war. Das Wahlvolk sieht solche großmächtigen Ankündigungen sowie die professionell gemachten Plakate, auf denen Stronach daherkommt wie ein vom großen Rembrandt porträtierter Fürst - mit andächtigem Staunen. Stronach liegt daher in Umfragen bei sieben bis neun Prozent.

Protestwähler, denen die Selbstverliebtheit der politischen Elite aufstößt, dürften eher bei ihm ein Kreuz machen als bei den langjährigen Herausforderern der etablierten Parteien, BZÖ und FPÖ. Das BZÖ, einst von Jörg Haider gegründet, um seinen Widersachern in der FPÖ zu schaden, steht vor dem Aus. Und Haider-Epigone Heinz-Christian Strache, der sich früh mit seinem einstigen Idol überworfen hatte und darauf besteht, mit der alten Haider-FPÖ nichts zu tun zu haben, geriert sich, wie Frank Stronach, als One-Man-Show.

Weil man im satten, zufriedenen Österreich aber nicht mehr mit offen ausländerfeindlichen "Sagern" punkten kann und die Propaganda des rechtsextremen Bodensatzes der Freiheitlichen mittlerweile mehr Ekel als Zustimmung hervorruft, versucht sich Strache mit Anti-Europa und Anti-Euro. Doch nur etwa 19 Prozent wollen ihm folgen - heraus aus der EU und zurück zum Schilling.

Da gehen die Neos (Das neue Österreich) schon moderater vor, die bei dieser Wahl erstmals antreten. Sie fordern mehr Bürgerrechte in der EU, mehr direkte Demokratie, mehr Schulautonomie. Meinungsforscher sehen die Neos und ihre Reformvorschläge aber nur bei maximal vier Prozent. Schon der Habsburger Reformer Joseph II. wusste, wie Regieren geht: "Alles für das Volk, nichts durch das Volk."

© SZ vom 28.08.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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