Wahlkampf in Niedersachsen:Waffenlobby macht sich für FDP stark

Das Aus droht, es geht für die FDP in Niedersachsen um jede Stimme. Diese Unterstützung ist ihr trotzdem nicht recht: Der Waffenfreunde-Verein "Prolegal" ruft zur Wahl der Liberalen auf. Er pflegt Kontakte zur umstrittenen US-Waffenlobby NRA und preist deren kompromisslose Haltung nach dem Schulmassaker von Newtown.

Von Oliver Das Gupta, Hannover, und Oliver Klasen

Der Verein Prolegal hat nur 5100 Mitglieder, aber sein Anspruch ist groß. Auf seiner Homepage ist ein Foto des Berliner Reichstages zu sehen, daneben steht ein Zitat aus Schillers Wilhelm Tell: "Ich tue recht und scheue keinen Feind."

Der Verein strebt danach, "den legalen Waffenbesitz der Bevölkerung positiv zu vermitteln, die Ausübung des legalen Waffenbesitzes zu pflegen und zu fördern." Eine Verschärfung der deutschen Waffengesetze müsse "mit allen zur Verfügung stehenden demokratischen Mitteln" verhindert werden.

Werbung ist eines dieser Mittel. Vor der Landtagswahl in Niedersachsen am Sonntag trommeln die Waffenfreunde für die FDP. Die Liberalen könnten im Norden an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern. Prolegal will das verhindern und warnt "Jäger und Sportschützen" vor einem Wahlsieg von SPD und Grünen: "Gehen Sie zur Wahl, denn ein einziger Prozentpunkt Wählerstimmen kann Sie Ihre bürgerlichen Rechte und Freiheiten kosten!"

Im Falle eines Sieges von Rot-Grün drohten Waffenfreunden eine Vielzahl von Restriktionen, warnen Prolegal und Gunboard.de, ein - nach eigenen Angaben - "Fachforum für Waffenhobby und Waffenlobby", in einem Flugblatt zur Wahl, das auch auf Facebook kursiert.

Waffenlobby lobt das Wahlprogramm der FDP

Eindringlich wird auf dem Flyer davor gewarnt, was passiert, sollte es zu einer Regierungsübernahme von SPD und Grünen in Hannover kommen: "Weniger privater Waffenbesitz in Deutschland und keine großkalibrigen Waffen im Schießsport mehr sowie drastische Einschränkungen im Jagdrecht". Konkrete Vorhaben in Sachen Jagdrecht finden sich allerdings weder im Wahlprogramm der SPD, noch in dem der Grünen.

Die Waffenlobby empfiehlt dann auch lieber den Blick ins Wahlprogramm der FDP Niedersachsen. Dort ist auf Seite 39 zu lesen, dass die Liberalen "die Abschaffung der Jagdsteuer" planen und "den Abbau bürokratischer Hemmnisse zur Ausübung der Jagd" voranbringen wollen. Ähnliche Versprechen finden sich auch auf einem Wahlaufruf, mit dem die FDP bei Facebook um die Gunst der Jäger buhlt. Demnach soll es, wenn die FDP an der Regierung beteiligt ist, keine Steuer auf Waffen geben und das Waffenrecht soll nicht verschärft werden.

Es ist durchaus Usus, dass Lobbygruppen, Verbände und Gewerkschaften in Wahlkampfzeiten klare Präferenzen zeigen und Wahlempfehlungen abgeben. Nicht immer findet das die Zustimmung der Gelobten. Auch die niedersächsische FDP gibt sich über ihre Anhängerschaft wenig erfreut. "Manchmal wird man von Seiten unterstützt, von denen man nichts ahnt und es sich nicht gerade wünscht", sagt Landesgeneralsekretär Gero Hocker auf Anfrage von SZ.de.

Zumal Prolegal auch bei Waffen-Befürwortern keinen guten Leumund hat. "Ich halte nichts davon, was die da so machen", sagt Jürgen Kohlheim, Vizepräsident des 1,4 Millionen Mitglieder starken Deutschen Schützenbundes, zu SZ.de.

Ein Lob der NRA

Auf der Homepage von Prolegal finden sich neben dem Wilhelm-Tell-Zitat noch andere Botschaften. Der Verein übernimmt etwa die Lesart der berüchtigten US-Waffenlobby National Rifle Association (NRA) zum Schulmassaker in Newtown. In dem Ort im US-Bundesstaat Connecticut hatte Mitte Dezember ein 20-Jähriger mit einem Sturmgewehr 20 Kinder und sechs Erwachsene getötet und schließlich sich selbst erschossen.

Auf der Prolegal-Seite ist der Causa ein ausführliches Stück gewidmet. Neben dem Mitgefühl für die Angehörigen-Opfer zeigen die Waffenfreunde vor allem eines: Solidarität mit der NRA. So liefern sie die deutsche Übersetzung der Erklärungen von NRA-Funktionären, die nach der Bluttat allen Ernstes dafür plädierten, Lehrer zu bewaffnen. Vorneweg ziehen sie Parallelen zwischen Deutschland und den USA: "Das, was der stellvertretende Vorsitzende der NRA Wayne LaPierre sagte, ist für deutsche Verhältnisse ein Tabubruch, aber in Auszügen sehr wohl auf Deutschland anwendbar", heißt es in dem Text von Prolegal. Was der Verein damit genau meint, ist unklar. Auf eine Anfrage von SZ.de steht eine Antwort noch aus.

Struktur nach dem Vorbild der amerikanischen NRA

Die Nähe von Prolegal zur NRA ist wohl kein Zufall. Nach eigenen Angaben ist die deutsche Lobbygruppe, die sich im Jahre 2009 gegründet hat, nach dem Vorbild der amerikanischen NRA aufgebaut. Im Direktorium von Prolegal findet sich ein Schütze aus Oberbayern, der unter "Auszeichnungen" neben diversen Schützenpreisen auch die sogenannte "Legion of Honor" des US-Waffenverbandes NRA aufzählt.

Solche Unterstützer machen auch die FDP-Konkurrenz hellhörig. Thomas Oppermann, Geschäftsführer der SPD-Fraktion im Bundestag und ehemaliger niedersächsischer Wissenschaftsminister, sagt: "Die Waffenlobby scheint trotz der grausamen Amokläufe nicht schlau zu werden. Sie diskreditiert mit ihren politischen Forderungen die Schützinnen und Schützen in Niedersachsen. Wenn Philipp Rösler auf die Unterstützung der Waffenlobby setzt, dann ist ihm endgültig nicht mehr zu helfen."

FDP-Generalsekretär Hocker versichert indes, dass es "keinerlei Beziehungen zwischen uns und Prolegal" gebe, wobei er nicht ausschließen kann, dass einzelne FDP-Mitglieder in dem Verein tätig sind.

Tatsächlich gibt es Verknüpfungen: Der Verein wurde nicht nur von einem Schützen mitbegründet, der für die FDP 2009 in den Bundestag wollte. In der jüngeren Vergangenheit gab es vereinzelt gemeinsame Veranstaltungen. Auch Serkan Tören, der für die niedersächsischen Liberalen im Bundestag sitzt, bestätigt auf Anfrage von SZ.de, Kontakt zu Prolegal gehabt zu haben. Als Waffenrechtsexperte spreche er allerdings mit zahlreichen Organisationen wie etwa Schützenvereinen und Sportgruppen. Inhaltlich teile er nicht alle Forderungen von Prolegal.

Die Wahlwerbung der Waffenlobby für seine Partei findet Tören nicht problematisch. Die FDP trete in Niedersachsen gegen eine Verschärfung des Waffenrechts und zusätzliche Steuern auf den Waffenbesitz ein. Da sei es nicht überraschend, wenn Sportschützen, die Angst hätten, ihren Sport nicht mehr ausüben zu können, die Liberalen unterstützten. Tören: "Es machen viele Werbung für uns. Jäger empfehlen die FDP, auch einzelne Schützenverbände sprechen sich für uns aus. Das ist ja auch nichts Verbotenes".

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