Wahlkampf in Deutschland:Kanzleramtschef Altmaier: Wir behalten uns ein Einreiseverbot vor

Istanbul - Erdogan-Plakat

Ein Erdoğan-Plakat auf dem Taksim-Platz in Istanbul: der türkische Präsident erfährt langsam schärfere Reaktionen auch aus Deutschland.

(Foto: dpa)
  • Im Streit um Wahlkampfauftritte türkischer Politiker in Deutschland verschärft die Bundesregierung ihren Ton.
  • Man behalte sich ein Einreiseverbot für ausländische Regierungsmitglieder vor, sagt Kanzleramtschef Altmaier einem Medienbericht zufolge.
  • Zuvor hatte das Saarland angekündigt, als erstes deutsches Bundesland Auftritte türkischer Politiker verbieten zu wollen.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan wird immer ausfallender gegenüber den Niederlanden und Deutschland. Angesichts dessen droht die Bundesregierung nun doch mit einem Einreiseverbot für türkische Spitzenpolitiker.

Deutschland habe die rechtliche Möglichkeit, die Einreise ausländischer Regierungsmitglieder zu unterbinden, sagte der Chef des Bundeskanzleramts, Peter Altmaier (CDU), den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Mittwoch). "Dass die Bundesregierung bisher nicht ihre völkerrechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft hat, ist keine Freikarte für die Zukunft", sagte er. "Ein Einreiseverbot wäre das letzte Mittel. Das behalten wir uns vor."

Nach den Absagen einiger Wahlkampfauftritte türkischer Minister in Deutschland hatte Präsident Erdoğan Deutschland "Nazi-Praktiken" vorgeworfen. Diese Woche beschuldigte er Berlin zudem, Terroristen zu unterstützen. Noch schärfer griff er die Regierung in Den Haag an. Nachdem er die Niederländer zunächst als "Faschisten" beschimpft hatte, legte er am Dienstag noch einmal nach: Er warf den Niederlanden "Staatsterrorismus" vor und beschuldigte sie außerdem - unter völliger Verdrehung der Tatsachen - 1995 das Massaker von Srebrenica begangen zu haben.

Die Bundesregierung hatte mit Blick auf mögliche weitere Wahlkampfauftritte türkischer Politiker in Deutschland geäußert, man "arbeite nicht an irgendwelchen Einreiseverboten". Solche Besuche müssten allerdings zuvor offen angekündigt werden, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert.

Rechtlich gesehen hat die Bundesregierung durchaus die Möglichkeit, Auftritte türkischer Politiker in Deutschland zu untersagen. Der türkische Präsident oder Regierungsmitglieder könnten sich weder auf Grundrechte noch auf das Völkerrecht berufen, um solche Auftritte durchzusetzen, hatte das Bundesverfassungsgericht festgestellt. Es begründete dies damit, dass die Politiker nicht einfach als "ausländische Bürger", sondern "unter Inanspruchnahme ihrer Amtsautorität" hier aufträten.

Saarland will Auftritte türkischer Politiker verbieten

Das Saarland kündigte am Dienstag an, Wahlkampfauftritte türkischer Politiker in Deutschland unterbinden zu wollen. Die Regierung werde "alle Möglichkeiten ergreifen, solche Auftritte auf saarländischem Boden zu verbieten", sagte Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) in Saarbrücken.

Die Landesregierung beruft sich auf Paragraf 47 des Aufenthaltsgesetzes, wonach jedes Bundesland die Möglichkeit hat, die politische Betätigung von Ausländern zu untersagen, wenn das friedliche Zusammenleben von Deutschen und Ausländern gefährdet ist. Innertürkische Konflikte hätten in Deutschland "nichts zu suchen", sagte Kramp-Karrenbauer.

Die Landesregierung wolle die Entscheidung über Wahlkampfauftritte nicht den Kommunen aufbürden. In der derzeit aufgeheizten Stimmung sei "jede Ebene gefordert, den inneren Frieden im Land zu wahren - Bund, Länder wie Kommunen". Das Saarland werde nicht abwarten, bis der Bund die Fragen grundlegend regele oder gar eine EU-weite Regelung getroffen sei, sagte die Ministerpräsidentin.

"Unsere liberale Demokratie ist kein Hort, um für undemokratische Ziele zu werben", sagte sie mit Blick auf die Wahlkampfauftritte türkischer Politiker in Deutschland, bei denen diese für die umstrittene Verfassungsreform in der Türkei werben wollen.

NRW will Einzelfälle prüfen

Andere Landesregierungen reagierten zurückhaltend. Die SPD-geführten Regierungen in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein lehnten es am Dienstag ab, ein generelles Auftrittsverbot für türkische Politiker auszusprechen. "Wir werden auch weiterhin Auftritte von türkischen Regierungsmitgliedern im Einzelfall betrachten", ließ NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) über die Staatskanzlei mitteilen. Sicherheitsaspekte seien ebenso wichtig wie der Charakter einer Veranstaltung.

Weder in NRW noch in Schleswig-Holstein sind allerdings derzeit Termine für Auftritte türkischer Politiker bekannt. In Baden-Württemberg sind nach Angaben aus dem dortigen Innenministerium hingegen noch mehrere Auftritte türkischer Politiker vorgesehen, und zwar in Stuttgart und Mannheim. Das dortige Innenministerium bietet Kommunen rechtliche Beratung an, betont aber auch, das Versammlungsrecht sei in Deutschland ein hohes Gut. In Hamburg wird am Sonntag die stellvertretende AKP-Vorsitzende Nükhet Hotar erwartet. Der Polizei zufolge ist jedoch unbekannt, was sie in der Hansestadt plant.

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