Wahlkampf in den USA:Je derber die Attacken auf Clinton, desto größer der Jubel

Delegates raise their fists and shout at the Republican National Convention in Cleveland

"Schuldig!", rufen diese Besucher des republikanischen Parteitags in Cleveland, wenn es um Hillary Clinton geht.

(Foto: REUTERS)
  • Der Hass der Republikaner gegen Clinton ist selbst für das politische Klima der USA außergewöhnlich.
  • Sie schießen sich auf zwei Affären ein: den Bengasi-Angriff 2012 und ihren E-Mail-Skandal.
  • Damit zeichnen sie ein Bild von Clinton, das ihr im Wahlkampf nachhaltig schaden könnte.

Von Hubert Wetzel, Cleveland

Es gibt beim Parteitag in Cleveland durchaus viele Republikaner, die Donald Trump nicht mögen. Einigen ist ihr Präsidentschaftskandidat zu proletig, anderen ist er zu wenig konservativ. Trotzdem sagen die meisten, dass sie Trump im November wählen werden. Denn wenn sich alle über etwas einig sind, dann darüber: Schlimmer als ein Präsident Trump wäre eine Präsidentin Hillary Clinton.

Von der demokratischen Kandidatin wird in Cleveland mit einer Wut und einem Hass gesprochen, der selbst für das vergiftete politische Klima Amerikas außergewöhnlich ist. Als Chris Christie, Gouverneur von New Jersey und ehemaliger Staatsanwalt, am Dienstagabend eine "Anklageschrift" gegen Clinton vortrug, brüllten ihm die Delegierten wieder und wieder das Urteil zu: "Schuldig!" Weißhaarige Damen keiften verzückt: "Sperrt sie ein, sperrt sie ein!" Ihn habe die Szenerie eher an einen Hexenprozess als an einen Parteitag erinnert, sagte später ein indignierter CNN-Kommentator.

So geht es seit Tagen in Cleveland. Ton und Wortwahl variieren, je nachdem, wie staatsmännisch ein Redner erscheinen möchte. Doch das Ziel der Attacken bleibt stets das gleiche: Hillary Clinton.

Nun gehört das Eindreschen auf den Gegenkandidaten zu den Ritualen eines solchen Parteitags. Die Delegierten wollen rohes Fleisch vorgeworfen bekommen - je derber die Attacken, desto größer der Jubel.

Die Ministerin versuchte, die Hintergründe zu verschleiern

Bemerkenswert - und vielleicht beunruhigend für Clintons Wahlkampfteam - ist allerdings, wie konsequent sich die Republikaner auf zwei Affären einschießen, die der Demokratin erheblich schaden könnten: zum einen der Angriff von islamistischen Terroristen auf das US-Konsulat in der libyschen Stadt Bengasi im September 2012, bei dem vier Amerikaner getötet wurden. Zum anderen Clintons seltsame Praxis, ihren gesamten dienstlichen E-Mail-Verkehr während ihrer Zeit als Außenministerin über einen privaten, ungesicherten Server laufen zu lassen.

Die Fälle sind nicht neu, die Fakten längst bekannt. Clinton war Außenministerin, als das Konsulat in Bengasi angegriffen wurde. Spätere Untersuchungen haben ergeben, dass die Gebäude nicht ausreichend gesichert waren, wofür aber nicht Clinton persönlich verantwortlich war. Nach der Attacke versuchte die Ministerin freilich, die Hintergründe zu verschleiern. Sie stellte den Anschlag als spontane Attacke wegen eines antiislamischen Internetfilms dar, nicht als geplante Terroroperation. "Welchen Unterschied macht das jetzt noch", fragte sie entnervt, als sie später vom Kongress dazu vernommen wurde.

Bei den E-Mails ist Clintons Anteil am Skandal größer. Sie traf die Entscheidung, einen privaten Server einzurichten. Als das aufflog, verteidigte sie sich mit halbgaren Erklärungen. Das FBI kam zu dem Schluss, dass Clinton zwar nichts Strafbares getan habe, das für eine Anklage reiche, sich aber "extrem nachlässig" verhalten habe.

Die Republikaner stellen Clinton als nicht vertrauenswürdig dar

Die Republikaner stricken daraus dieses Bild: Bengasi zeigt, dass Clinton eine Verräterin ist, die lügt und das Leben von vier amerikanischen Helden auf dem Gewissen hat. Die E-Mails zeigen, dass Clinton vertrauensunwürdig ist und sich über dem Gesetz sieht. Das sind Vorwürfe, die, wenn sie im Wahlkampf richtig ausgebreitet werden, einige Verheerung anrichten können, denn sie stellen Clintons Charakter infrage und konterkarieren eines ihrer Hauptargumente - dass sie die erfahrene Krisenmanagerin ist, der die Amerikaner sich und das Land anvertrauen können.

Der Parteitag gab einen Vorgeschmack, wie die Republikaner Clinton demontieren wollen. Am Montagabend trat Patricia Smith in der Halle auf, deren Sohn Sean in Bengasi getötet worden ist. Mit erstickter Stimme beschuldigte sie Clinton, die Amerikaner dort erst im Stich gelassen und dann die Angehörigen der Toten schäbig behandelt zu haben. "Ich mache Hillary Clinton persönlich für den Tod meines Sohnes verantwortlich", sagte Smith - kein Wahlkampfmanager hört so was gern über seinen Kandidaten.

Dass es auch andere Versionen gibt, was genau in Bengasi passiert ist, dass andere Hinterbliebene sich von Clinton nicht verraten fühlen, spielt da keine Rolle. Gegen die Tränen einer Mutter kann man nur schwer anargumentieren.

Die Demokratin macht sich selbst das Leben schwer

Die E-Mail-Affäre ist kaum weniger heikel. "Extrem nachlässig" im Umgang mit sensiblen, teils geheimen Dienstdokumenten - dieses Urteil aus dem Munde eines FBI-Direktors ist nicht hilfreich für Clinton, die Amerika davon überzeugen will, dass Trump charakterlich untauglich für das Weiße Haus ist.

Am Montagabend sprach in Cleveland Michael Flynn, ein beinharter Trump-Unterstützer, mit beeindruckend klingenden Titeln: Generalleutnant a. D. und ehemaliger Chef des Militärgeheimdienstes DIA. Hätte er mit seinen E-Mails getan, was Clinton getan hat, er stünde nicht auf der Bühne, sondern säße im Knast, polterte er. "Sperrt sie ein!", kreischte das Publikum.

Clinton selbst macht sich die Sache noch schwerer durch ihre trotzige Unfähigkeit, Fehler zuzugeben und sich zu entschuldigen. Beide Affären sind Belege für die Regel, nach der nicht der ursprüngliche Fehltritt den großen Schaden anrichtet, sondern der Versuch, diesen zu vertuschen oder wegzureden. Cleveland zeigt, dass die Republikaner das nicht zulassen wollen.

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