Wahlkampf in Berlin:Ein Gegner, der schwer zu greifen ist

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Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller. (Foto: Maurizio Gambarini/dpa)

Der Regierende Bürgermeister Michael Müller kämpft gegen ein Umfragetief. Die CDU geht derweil auf die Grünen zu.

Von Jens Schneider, Berlin

Schon wieder so ein netter Abend, Michael Müller konnte entspannt durch das Bürgergespräch führen. In der Filmbühne in Charlottenburg machte nur das aufgeregte Japsen eines kleinen weißen Mopses etwas Unruhe, man sorgte sich, ob der aufgeregte Hund den Abend überstehen würde. Derweil zählte der Regierende Bürgermeister Erfolge auf: die vielen neuen Arbeitsplätze in Berlin, das überdurchschnittliche Wachstum der Wirtschaft. Mit gutem Grund würden immer mehr Menschen in der Hauptstadt leben wollen: "Die rund 40 000, die Jahr für Jahr zusätzlich kommen, fühlen sich pudelwohl."

Wie stets räumte Müller ein, dass manches zu verbessern sei. Es gab ernste Fragen zum Denkmalschutz im Viertel, zum Wohnungsbau, auch zur ewigen Flughafenbaustelle BER. Aber Wutausbrüche oder Missmut erlebt er nicht. Es ging wie meist harmonisch zu bei Müllers "Füreinander"-Tour durch Berlins Bezirke. Er sagt gern die Stimmung sei gut - und wirkt dann doch hochnervös. Drei Monate vor der Wahl zum Abgeordnetenhaus am 18. September ist Müller viel unterwegs, um einen Gegner zu stellen, der schwer zu greifen ist. Es gibt in Berlin offenbar viel Missmut und Wut. Vor zwei Jahren übernahm Müller als Nachfolger von Klaus Wowereit. Die ersten Monate fühlten sich an wie ein Honeymoon, er erreichte Spitzenwerte in Umfragen und zog seine SPD nach oben. Das ist vorbei. Müllers Werte sind viel schlechter geworden, die SPD liegt weit unterhalb der 30-Prozent-Marke. Die CDU steht mit ihrem Spitzenkandidaten, Innensenator Frank Henkel, noch übler da. Auch die Linke schwächelt. Die Grünen können mit Zuwachs rechnen, aber ihre Spitzenkandidatin Ramona Pop denkt nicht daran, sich als Herausforderin zu gebärden. Die Grünen erinnern sich zu gut an das Scheitern von Renate Künast, die 2011 den Wowereit herausfordern wollte.

Es wird spekuliert, dass die AfD in den Hochburgen der Linken stark abschneiden kann

Irritiert beobachtet man den Aufstieg der AfD, von der viele Berliner Politiker lange meinten, sie habe hier keine Chance, weil die Stadt doch so bunt und weltoffen sei. Müller hat das Ziel ausgegeben, die AfD unter fünf Prozent und so aus dem Parlament zu halten. Sie lag in letzten Umfragen mal bei acht, dann bei 15 Prozent.

Es wird spekuliert, dass sie in Ostberlin stark abschneiden könnte, in Hochburgen der Linken. Deren Chef Klaus Lederer widerspricht: "Das Aufkommen der AfD ist eine dramatische Entwicklung, aber das ist ein Problem für alle Parteien." Im Wahlkampf wolle er klar machen, wer sich da zur Wahl stelle. "Es kristallisiert sich zunehmend heraus, dass dies eine rassistische Partei ist, die für Neoliberalität und Austerität steht", sagt Lederer. "Da unterscheiden sie sich deutlich von der Linken."

Während die Piraten wohl nicht wieder ins Parlament kommen, kann sich die FDP Hoffnungen machen. Also zirkulieren in Gedankenspielen von Berliner Politikern viele bunte Kombinationen, von Rot-rot-grün bis zu Schwarz-gelb-grün. Die CDU beansprucht offiziell die Führungsrolle in der Stadt. "Die Umfragen stehen im Moment nicht gut für uns, das sehe ich natürlich", sagt ihr Generalsekretär Kai Wegner. "Aber die CDU geht mit einer erfolgreichen Regierungsbilanz in den Wahlkampf. Berlin steht viel besser da als vor fünf Jahren. Unter Rot-Rot wurde die Stadt auf Verschleiß gefahren, heute investieren wir wieder in die Zukunft."

Wegner schließt jede Zusammenarbeit mit der AfD aus. "Wir werden die AfD entlarven und deutlich machen, dass sie keine Alternative ist. Dazu gehört aber auch, dass wir die Sorgen und Ängste der Menschen ernst nehmen und danach handeln. Wir sind die Partei für Sicherheit, Sauberkeit und Ordnung in Berlin."

Eine Kooperation mit den Grünen scheint für ihn dagegen sogar eine sympathische Option für die Hauptstadt zu sein, auch wenn Grün und Schwarz in Berlin eigentlich besonders weit auseinander liegen. "Der linke Flügel ist schon schwierig, aber es gibt auch Schnittmengen mit den Grünen", sagt Wegner, der angesichts der guten Umfragewerte der Grünen nicht ausschließt, dass die CDU auch als deren kleiner Partner regieren könnte, um die sozialdemokratische Dominanz zu durchbrechen. Seit mehr als einem Vierteljahrhundert ist die SPD an der Regierung in Berlin beteiligt, seit mehr als einem Jahrzehnt stellt sie den Regierungschef. "Natürlich wollen wir stärker als die Grünen werden", sagt Wegner. "Ein Wechsel könnte aber in jedem Fall dafür sorgen, die Verwaltung mal durchzulüften."

© SZ vom 11.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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