Wahlkampf 2017:Ein starker Schulz ist gut für Merkel

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  • Unionspolitiker reagieren schulterzuckend auf die Nominierung von Martin Schulz als SPD-Kanzlerkandidat.
  • Schulz und Noch-SPD-Chef Sigmar Gabriel seien sich ähnlich. Zudem sei der Hauptgegner eher bei der CSU zu suchen.
  • Im Hinblick auf eine Fortsetzung der großen Koalition ist eine gestärkte, selbstbewusstere SPD der Kanzlerin vielleicht sogar lieb.

Kommentar von Thorsten Denkler, Berlin

Es sind fast alle gekommen zum dienstagabendlichen Geburtstagsempfang des Spiegels in den Berliner Redaktionsräumen am Hauptbahnhof. Minister sind da, Parteivorsitzende, Generalsekretäre, Abgeordnete.

Und auch Noch-SPD-Chef Sigmar Gabriel ist da, der wenige Stunden zuvor für die größte Überraschung in diesem noch jungen politischen Jahr gesorgt hat. Er wird nicht Kanzlerkandidat der SPD und er gibt auch den Parteivorsitz ab. Der frühere Europaparlamentspräsident Martin Schulz soll richten, was Gabriel in bald acht Jahren als Parteichef nicht hinbekommen hat. Schulz soll die Partei als Kanzlerkandidat und Parteichef zu neuer Größe führen.

Es ist das Thema des Abends im Spiegel-Büro. Auch wenn in diesem Fall der Spiegel selbst nichts für die Geschichte kann. Gabriel hatte dem Konkurrenzblatt Stern das entscheidende Interview gegeben. "Wenn ich jetzt anträte, würde ich scheitern und mit mir die SPD", sagt er dem Magazin.

Der SPD-Machtwechsel wird auch mit führenden Politikern der Union diskutiert: Ist Schulz der unangenehmere Gegner? Muss die Union Schulz gar fürchten? Ist die Kanzlerschaft von Angela Merkel in Gefahr? Die Fragesteller ernten meist ein mildes Lächeln.

Tatsächlich muss sich Angela Merkel über den Kandidaten Schulz nicht mehr oder weniger den Kopf zerbrechen als über einen Kandidaten Sigmar Gabriel. Merkels NRW-Landeschef Armin Laschet bringt es auf den Punkt: "Angela Merkel hat sehr beliebte Politiker als Gegenkandidaten gehabt, wie Frank-Walter Steinmeier und Peer Steinbrück beim letzten Mal, und deshalb ist es fast egal, ob es Schulz, Scholz oder Gabriel ist."

Gabriel mag sie besser kennen. Aber von ihrem Naturell her sind sich Schulz und Gabriel nicht unähnlich. Beide sind hervorragende Redner, beide streiten gerne, können aufbrausend sein. Beide können ihre Gegner mit zwei, drei scharfen Bemerkungen in die Ecke stellen.

Merkels Vorteil: ihre Gelassenheit

Genau darin liegt aus Sicht der CDU Merkels großer Vorteil. Das Kalkül: Die Welt gerät aus den Fugen. Und mit Trump, der europäischen Dauerkrise, dem aufkeimenden Rechtspopulismus suchen die Menschen Halt in Personen, die souveräne Ruhe ausstrahlen, die ihnen das Gefühl geben, sorgt euch nicht, ich werde das schon richten.

Und dieses Bedürfnis, das könne erwiesenermaßen Angela Merkel von allen am besten befriedigen. Die Union setze darauf, dass sie mit Angela Merkel in "sehr unsicheren Zeiten eine erfahrene Führerin an der Spitze" habe, sagt etwa CDU-Mann Jens Spahn.

Merkel muss sich dafür nicht einmal neu erfinden. Sie ist so. Unaufgeregt, sachlich und gleichzeitig ihrer eigenen Linie treu, wenn sie sich einmal für eine Linie entschieden hat. In der Euro-Krise haben viele Menschen sie dafür noch bewundert. In der Flüchtlingsfrage sehen sie manche auf dem falschen Weg - respektieren aber durchaus ihre Standfestigkeit.

Die Flüchtlingsfrage und alle anderen Fragen, die damit oft verknüpft werden, dürften zu den entscheidenden für den Bundestagswahlkampf gehören. Etwa die nach der inneren Sicherheit. Schulz wird hier kaum einen Angriffspunkt finden. Die Union wird er nicht rechts überholen können und wollen.

Nicht von ungefähr haben ihn jetzt die ersten Unionspolitiker öffentlich aufgefordert, zur inneren Sicherheit Stellung zu beziehen. In der Erwartung, dass Schulz ihnen da nichts wird anhaben können.

In der CDU wird der Hauptgegner ohnehin woanders gesehen. "Bevor uns die SPD bezwingt, ist es die CSU", sagt ein führender Christdemokrat auf dem Spiegel-Empfang. Seit Monaten versucht CSU-Chef Horst Seehofer die große Schwesterpartei vor sich her zu treiben. Obergrenze, Obergrenze, Obergrenze, schallt es von den Alpen in den Norden. Immer wieder werden neue Ultimaten und Bedingungen gestellt. Die Uneinigkeit gilt als die größte Hürde auf dem Weg zum nächsten Wahlsieg. Wobei die Union in fünf von sechs Umfragen in diesem Jahr dennoch auf deutlich über 35 Prozent taxiert wird.

SPD-Kanzlerkandidat Schulz wird das so schnell nicht ändern können - seinetwegen Sorgen machen müssen sich allenfalls Linke und Grüne. Mit einem Gerechtigkeits-Wahlkampf, wie ihn Schulz am Dienstagabend grob skizzierte, fischt Schulz eher im linken Lager. Wenn er es schafft, die SPD aus dem 20-Prozent-Loch zu holen, dann eher um den Preis, dass Linke und Grüne schwächer werden.

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Einem Machtwechsel wäre Schulz damit kein Stück näher gekommen. Den würde es nur mit einem Linksbündnis geben, wofür es momentan keine rechnerische Mehrheit gibt. Ohne eine realistische Option auf ein linkes Bündnis aber wird es für die SPD schwer, den Wählern Schulz als echte Alternative zu verkaufen.

Schulz darf stark werden, nur nicht zu stark

Für Merkel ändert sich nicht viel. Ja, der Kandidat Schulz mag unabhängiger sein als der Kandidat Gabriel. Schulz hat sich die Bundespolitik in den vergangenen Jahrzehnten aus Brüsseler Perspektive angeschaut. Er kann weder für die Agenda 2010, noch für die Rente mit 67, noch für das Regierungshandeln der SPD in den vergangenen Jahren persönlich haftbar gemacht werden. Und ohne Amt in der Regierung kann er diese nach Lust und Laune angreifen.

Merkel wird das entspannt von sich abprallen lassen. Sie wird den Sozialdemokraten vielleicht sogar jedes Prozentpünktchen gönnen, das sie hinzugewinnen. Noch besser wäre, sie würden stärker als die 25,7 Prozent, mit denen die SPD die Wahl 2013 abgeschlossen hat. Nur dann kann die SPD erhobenen Hauptes das Wagnis einer erneuten großen Koalition eingehen. Das wäre Merkel wohl lieber, als mit den Grünen oder, wenn es mit denen alleine nicht reicht, gar in einer Dreierkoalition aus etwa Union, Grünen und FDP das Land zu regieren.

Je mehr Optionen sie hat, desto besser für Merkel. Ein starker Schulz kann ihr da nur gelegen sein. Nur zu stark darf er nicht werden.

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