Wahlkampf:"Die Leute sehen mich und denken AfD"

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Früher AfD, jetzt Alfa: Parteigründer Bernd Lucke (Foto: dpa)
  • AfD-Gründer Bernd Lucke ist Spitzenkandidat seiner neuen Partei Alfa für die Bundestagswahl.
  • Er bildet mit Ulrike Trebesius eine Doppelspitze, er will sie auch als Galionsfigur gegen das AfD-Stigma.
  • "Wir sind keine Protestpartei, wir wollen konstruktiv wirken", sagt Lucke über Alfa.

Von Thomas Hahn, Demmin

"Herr Lucke ist da", raunt jemand ehrfurchtsvoll, und tatsächlich: Bernd Lucke betritt die Tennishalle des TC Hansestadt in Demmin, die der jungen Partei Allianz für Fortschritt und Aufbruch (Alfa) an diesem Samstag als Schauplatz ihres Bundesparteitags dient. Der Gründungsvorsitzende Lucke trägt einen dunklen Anzug und einen Rucksack, der ziemlich schwer aussieht. Er strahlt eine freundliche Entschlossenheit aus, und er möchte unbedingt pünktlich anfangen. Wenig später hält er eine konzentrierte Rede, in der er unter anderem erklärt: "Es knirscht im Gebälk unseres Staates." Eilig lässt er sich von den 250 Delegierten zum Alfa-Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl 2017 wählen. Er gratuliert der bisherigen Generalsekretärin Ulrike Trebesius, der er den Parteivorsitz überlässt. Und zwischendurch gibt er ein Interview. Bernd Lucke will offensichtlich was schaffen.

Bernd Lucke, 53, Ökonom und Politik-Mensch, unternimmt gerade seinen zweiten Versuch, eine konservativ-liberale Alternative zum Parteien-Establishment zu erschaffen. Und es wäre sicher nicht nur für ihn gut, wenn er diesmal etwas achtsamer wäre dabei als bei seinem ersten Versuch, der ihm nämlich aus dem Ruder lief. Fast kann man sagen, Lucke hat seinem Deutschland einen Bärendienst erwiesen, indem er 2013 als Wortführer diverser Euro-Kritiker die AfD mitbegründete und damit half, einen Anlaufpunkt für rechtslastige Protestler aufzubauen. Er ertrug sein Geschöpf am Schluss ja selbst nicht mehr, er wurde aus dem Vorstand herausgebuht. Und diese zersetzende Stimmungsmache, in welche die AfD neuerdings sogar Fußball-Nationalspieler mit Migrationshintergrund einbezieht, erstaunt ihn immer noch, wenn auch auf seine sehr nüchterne Art. "Ich finde es manchmal schon informativ, was an Äußerungen aus der AfD kommt", sagt Lucke.

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Also: Zurück auf Los. Alfa ist Luckes neuer Hebel für eine Art Ökonomie-Wende, nach der die Interessen von Nationalstaaten und Unternehmen wieder mehr Raum bekommen. Nur zehn Tage nach seinem AfD-Austritt gründete er mit anderen Aussteigern wie dem früheren Industrieverbands-Präsidenten Hans-Olaf Henkel die Alfa. Bei den jüngsten Landtagswahlen war sie schon dabei; Baden-Württemberg brachte mit 1,0 Prozent noch das beste Ergebnis. Jetzt hat Lucke die Gründungsphase abgeschlossen und will durchstarten. Aber wie? Nach diesem Vorleben als Mister AfD?

Lucke sitzt vor der Tennishalle auf einer Bank. Drinnen läuft die Sitzung weiter. Gleich wird er noch mal reinspringen müssen, um ein Nationaltrikot überzustreifen und sich vom stehenden Plenum als Spitzenkandidat feiern zu lassen. Alfa braucht Aufmerksamkeit, sonst wird er den AfD-Schatten erst recht nicht los. "Die Leute sehen mich und denken AfD", sagt er, "das ist eine gewisse Last."

Und natürlich hat er einen Plan, wie er sie lindern kann. Ulrike Trebesius gehört dazu. Die Doppelspitze mit ihr als Vorsitzender will er nicht nur, damit er den Rücken frei hat für das Ziel, Alfa 2017 in den Bundestag zu bringen. Er will sie auch als Galionsfigur gegen das Stigma. Trebesius' AfD-Geschichte ist nicht so bekannt, sie kann leichter bei null anfangen. "Die Hälfte unserer Mitglieder war vorher nicht in der AfD und will damit auch nichts zu tun haben", sagt Lucke, "das verkörpert Ulrike Trebesius besser als ich."

Lucke ist auf eine fast radikale Art rational, und so geht er seine Herzensangelegenheit auch an: sachlich, fast kühl. Die Lösungen der etablierten Parteien zur Euro- und Finanzkrise haben einst seinen Widerspruchsgeist geweckt. Als Wirtschaftswissenschaftler kam er nicht weiter, also suchte er einen anderen Weg: "Die Politik wird sehr viel hellhöriger, wenn man ihr die Wähler abspenstig macht." Deshalb die AfD. Deshalb jetzt Alfa: Lucke ist noch nicht fertig mit dem Establishment.

Ist das nun die Hoffnung für Alfa? Dass die Wutbürger seriös werden?

Nüchternes Aufbegehren, darum geht es ihm beim zweiten Versuch. Solche Rechtsausleger wie bei der AfD sollen ihm nicht noch einmal die Performance vermasseln. Alfa soll nicht wachsen, indem es brüllende Pegida-Bewegte abholt, sondern indem sie sich an gleichgesinnte Interessenverbände und Initiativen hält. "Wir sind keine Protestpartei, wir wollen konstruktiv wirken", sagt Lucke.

Deshalb bekennt sich Alfa im Parteiprogramm auch "zur menschlichen Pflicht, Kriegsflüchtlingen und Asylbewerbern zu helfen". Die Alfa-Vorschläge dazu sind allerdings auch sehr nüchtern: Schutzzonen in der Nähe der Krisenländer, zuverlässige Sicherung der EU-Außengrenzen. Und: "atmende Obergrenze". Das heißt: Kommunen müssen selbst entscheiden, wie viele Schutzbedürftige sie aufnehmen. "Wir müssen Abstriche machen bei dem Anspruch, wir müssten jedem helfen, der in Not ist", sagt Lucke, "so ein moralischer Rigorismus ist bei der Dimension des Problems für pragmatische Politik nicht tauglich."

Ob er damit in den Bundestag kommt? "Wir sind in einer Phase, die sehr stark durch Polarisierung und durch Emotionalität geprägt ist." Und Lucke ahnt wohl: Wenn es dabei bleibt, hat er keine Chance. Dann gewinnt die AfD dank jener Wähler, die mit Parolen ihren diffusen Zorn kühlen: "Aber solche Phasen klingen auch wieder ab." Ist das die Hoffnung für Alfa? Dass die Wutbürger seriös werden? "Wir müssen mehr werden", sagt Lucke, mehr als die 2700 Mitglieder, "damit wir durch die pure Masse zeigen können, dass wir relevant sind." Er muss dran glauben, sonst hätte er mit Alfa erst gar nicht anfangen müssen.

© SZ vom 06.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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