Wahlergebnisse:Geteiltes Land

Die Republik wählt schwarz, mit roten Einsprengseln hier und da - es wirkt fast wie immer nach einer Bundestagswahl. Wären da nicht die Ergebnisse von AfD und Linken.

Von Detlef Esslinger

Auf den ersten Blick sieht die Deutschlandkarte mit dem Erststimmen-Ergebnis aus wie fast immer nach einer Bundestagswahl: CDU und CSU haben die ganz überwiegende Mehrheit der 299 Wahlkreise gewonnen, nämlich 231. So gesehen ist die Republik großflächig schwarz - mit roten Einsprengseln vor allem in Nordhessen, Niedersachsen und im Ruhrgebiet. Die Karte zeigt zum einen, wie der Bundestag aussähe, würde er allein nach dem Mehrheitswahlrecht gewählt; wie die Parlamente in Frankreich und Großbritannien. Die Union würde mit gut einem Drittel der Stimmen fast 80 Prozent der Sitze erringen.

Zum anderen legt die Karte das strukturelle Problem der SPD offen. Sie ist quasi das Spiegelbild jener 20,5 Prozent, auf die sie am Sonntag bei den Zweitstimmen kam. Eine Partei, die nur noch von jedem Fünften angekreuzt wird, ist in weiten Teilen des Landes keine Volkspartei mehr, sie ist auch beim Kampf um Direktmandate überwiegend chancenlos. Immerhin, per saldo hat sie sogar eines gewonnen: 59 statt 58, wie noch vor vier Jahren.

Was die Karte zudem andeutet: das Vordringen der AfD. Im östlichen Sachsen hat sie drei Wahlkreise gewonnen (sofern man auch den von Frauke Petry noch der Partei zurechnet). In dem Bundesland ist sie mit einem Vorsprung von 4000 Stimmen vor der CDU tatsächlich stärkste Partei geworden; und in allen anderen ostdeutschen Flächenländern zweitstärkste. In diesen fünf Ländern hat sie insgesamt fast 29 Prozent all ihrer Stimmen am Sonntag erhalten - obwohl diese nur 16 Prozent aller deutschen Wähler stellten. Nimmt man den Umstand hinzu, dass auch die Linke 29 Prozent ihrer Stimmen im Osten eingesammelt und ihre fünf Direktmandate in Ostberlin sowie in Leipzig errungen hat, so kommt man um die Feststellung nicht umhin: Es mag dies das 27. Jahr der Einheit sein. Doch Ost- und Westdeutschland wählen wie zwei verschiedene Länder.

Früher begründeten demokratische Politiker ihre Aufrufe zum Wählengehen immer auch mit dem Argument, eine niedrige Beteiligung nütze nur den Extremisten (weil die sich auf ihre Anhänger verlassen könnten). Dieses Argument war schon bei den jüngsten Landtagswahlen nicht mehr gültig, und ebenso ungültig war es am Sonntag. In Bayern zum Beispiel war die Wahlbeteiligung von 70 Prozent im Jahr 2013 auf gut 78 Prozent gestiegen. Das desaströse CSU-Ergebnis von 38,8 Prozent kam durch zwei Faktoren zustande: Erstens verlor die Partei mehr als 370 000 ihrer Wähler von vor vier Jahren, fast zwölf Prozent. Zweitens gewann die AfD allein in Bayern mehr als 600 000 Wähler hinzu. Nach den Berechnungen von Infratest dimap gewann diese Partei ihre Wähler überwiegend aus zwei Lagern: vor allem bei den bisherigen Nichtwählern, und erst dann bei den bisherigen Unions-Wählern. Und bundesweit soll die AfD nach den Schätzungen der Meinungsforscher 1,2 Millionen Nichtwähler aktiviert haben, so viele wie keine andere Partei.

Und was man wohl noch hinzufügen sollte: Die AfD war nicht nur in Ostdeutschland besonders stark. Sondern auch in Ostbayern. Dort, in Niederbayern, erreichte sie 16,7 Prozent der Zweitstimmen. In den Wahlkreisen Deggendorf und Straubing kam sie sogar auf 19,2 und 18,4 Prozent - mehr als in Mecklenburg-Vorpommern, wo es insgesamt 18,2 Prozent für sie waren. Nur am Direktmandat ließen die Niederbayern ihre neuen Favoriten nicht schnuppern. Diese gingen alle an die CSU, und zwar mit haushohem Vorsprung.

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