Wahlerfolge von AfD und Linkspartei:Annäherung ist der falsche Weg

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AfD-Chef Bernd Lucke freut sich dieser Tage über beachtliche Wahlerfolge seiner Partei.

(Foto: AFP)

Vielen Wählern ist die politische Lage in Deutschland zu unscharf, deswegen wandern sie zur Linkspartei oder zur AfD. Das heißt allerdings nicht, dass SPD und Union sich den Minderheitsparteien anpassen dürfen.

Kommentar von Kurt Kister

Trotz aller regionalen Unterschiede kann man aus den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg einige allgemeingültige Erkenntnisse gewinnen.

Erstens: Die AfD ist gekommen, um zu bleiben, zumindest im Osten.

Zweitens: Die SPD bleibt, trotz der Ausnahme Brandenburg, in ihrer Strukturkrise.

Drittens: Die FDP ist endgültig Splitterpartei.

Viertens: Die Union steht schlechter da, als manches CDU-Wahlergebnis suggeriert. Sie hat keine "natürlichen" Koalitionspartner mehr, was auch dazu führt, dass ihr Markenkern die Konsistenz von Kalbsbries annimmt.

Fünftens: Die Linkspartei ist, was sie war - im Osten stabil ohne besondere Wachstumsperspektive, im Westen Hinterzimmer.

Und schließlich: Die Grünen gibt es auch noch. Mehr nicht.

Ein linkes und ein konservatives "Lager" gibt es nicht mehr

Linkspartei und AfD haben mehr gemeinsam, als ihnen lieb sein kann. Beide sind, betrachtet man ihre Präsenz in Landtagen, heute in erster Linie ostdeutsche Regionalparteien; im Westen spielen sie nur periphere Rollen. Beide Parteien wollen ganz anders sein als alle anderen, was sich schon in ihren Namen zeigt.

Mit der Bezeichnung "Die Linke" versuchte die Ex-PDS eine ganze politische Strömung zu okkupieren und damit die anderen - SPD und Grüne - als Nicht-Linke auszuschließen. Die Alternative für Deutschland geht noch weiter: Sie wirft alles zwischen Linkspartei und NPD in einen Topf und stellt sich als die einzige andere Möglichkeit, eben die Alternative, gegen und letztlich über alle anderen.

Die Linke ist keine Protestpartei mehr, reüssiert aber als Regionalpartei durchaus. Dennoch hat sie keine realistische Aussicht, im Bund nennenswert mehr als zehn Prozent zu erreichen. Entgegen der Weisheit, die Linkspartei wachse dann, wenn die SPD sich in der Regierungsverantwortung, zumal als Juniorpartner der Union, in die Mitte bewege, ist dies weder im Bund noch in den Ländern geschehen. Die bittere Wahrheit, bei der wiederum die brandenburgische Ausnahme die Regel bestätigt: Die SPD dümpelt oder verliert, die Linkspartei gewinnt nicht.

Ein linkes und ein konservatives "Lager" gibt es in Deutschland ohnehin nicht mehr. Weder versteht sich die SPD insgesamt als linke Partei, noch ist die CDU so konservativ, wie sie das vielleicht zu Helmut Kohls besten Zeiten noch war. Es ist kein Wunder, dass sich gerade bei AfD und Linkspartei viele finden, denen die heutige Lage zu unscharf ist. Diese Unschärfe wird sich aber nicht dadurch beseitigen lassen, dass sich die SPD den Linken annähert oder die CDU der AfD.

Die neueste Dagegen-Partei

Unschärfe, notabene, ist nichts Negatives. Dass zum Beispiel sowohl CDU als auch SPD eine ähnliche Europapolitik verfolgen, ist Ausdruck der grundsätzlich positiven Entwicklung in Europa. Dies anders zu sehen, ist das gute Recht der Minderheitsparteien auf den Flügeln. Darüber muss man debattieren und streiten, aber deswegen müssen SPD oder Union noch lange nicht versuchen, sich den Minderheitsmeinern anzupassen.

Anders als die Linkspartei genießt die AfD den Aufmerksamkeitsvorteil des "new kid on the block", zumindest aber des neu zugezogenen Bewohners im Seniorenheim: Alle schauen, was der Neue macht. Die AfD ist nicht die NPD im Glencheck-Sakko, auch wenn ein Teil der Linken (nicht nur der gleichnamigen Partei) genauso wie ein Teil der Union die AfD im Meinungskampf sehr weit nach rechts rückt.

Es ist falsch, die AfD argumentativ zu ignorieren

So wie man früher in Westdeutschland politische Gegner von links gerne als fünfte Kolonne Moskaus zeichnete (der Ex-CDU-Generalsekretär Heiner Geißler war darin groß), wird heute freizügig mit dem "rechten Rand" argumentiert. Solche Etiketten sollen Debatten ersparen.

Bei der AfD ist das eigentlich nicht nötig, denn sie vertritt zum Teil so sonderbare Positionen, dass diese zu Recht von 90 Prozent der Bevölkerung nicht geteilt werden. Was soll man etwa halten von einer Partei, deren Vorsitzender sich aus politischen Gründen mit der Anzahl seiner Kinder brüstet? Natürlich, die Unterstützung von Familien ist ein wichtiges politisches Ziel. Das aber lässt sich sehr gut verfolgen, ohne dass man sich selbst eine Art Vaterkreuz umhängt.

Jedenfalls ist es falsch, die AfD argumentativ zu ignorieren. Es ist besonders falsch, wenn dies CDU und CSU tun, zumal da sich in ihren Reihen etliche finden, die ebenso gut zur AfD wechseln könnten (Peter Gauweiler zum Beispiel). Noch zieht die AfD jede Menge Protestwähler an, was auch mit dem Neuigkeitseffekt zu tun hat. Protestwähler wandern sogar von der Linkspartei zur AfD.

Das ist zwar inhaltlich ungefähr so, als entdeckte ein Muslim die Vorzüge eines Schweinskoteletts. Aber es hat eben damit zu tun, dass die AfD diesen Verdrossenen mittlerweile vielleicht nicht die beste, aber doch die neueste Dagegen-Partei zu sein scheint.

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