Wahlerfolge für rechte Parteien:"Ein schmutziger Fleck auf dem Ansehen Deutschlands"

In Sachsen bekommt die NPD fast gleich viel Stimmen wie die SPD, in Brandenburg zieht die DVU erneut ins Parlament ein. Das gute Abschneiden rechter Parteien besorgt Politiker hierzulande und ausländische Medien gleichermaßen.

Der Parteienforscher Jürgen Falter warnte bei Sabine Christiansen vor einem bundesweiten Erstarken rechtsextremer Parteien. "Wenn es nicht irgendeine Form von Wirtschaftswunder Ost gibt, dann werden wir erleben, dass das Potenzial, das wir an Rechtsextremismus in unserer Gesellschaft haben, ausgeschöpft wird", sagte Falter. Dieses Potenzial liege bundesweit bei 15 Prozent.

Wahlerfolge für rechte Parteien: Aus Protest gegen den Spitzenkandidaten der NPD (li.) verlassen die Vertreter der anderen Parteien geschlossen eine Gesprächsrunde von ARD und ZDF.

Aus Protest gegen den Spitzenkandidaten der NPD (li.) verlassen die Vertreter der anderen Parteien geschlossen eine Gesprächsrunde von ARD und ZDF.

(Foto: Foto: dpa)

CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer äußerte sich besorgt über die starken Stimmengewinne der Rechtsparteien und der PDS. Die "populistischen und extremen Parteien auf dem rechten und linken Flügel" hätten jeweils zusammen über 30 Prozent erhalten, sagte Meyer. Die Ergebnisse müssten für die demokratischen Parteien "Mahnung und Warnung" sein, für mehr Aufklärung über die Reformen zu sorgen, forderte Meyer.

Vor allem Arbeitslose wählen NPD

Der stellvertretende Unionsfraktionschef im Bundestag, Wolfgang Bosbach, sagte den "Stuttgarter Nachrichten", dass der NPD-Erfolg nicht überschätzt werden solle. "Die Wahlergebnisse stellen keinen Protest gegen die Demokratie in Deutschland dar, sondern einen Protest gegen die etablierten Parteien", sagte er. Es gebe keinen Rechtsruck in Deutschland.

Der sächsische Ministerpräsident Georg Milbradt sagte, dass sich viele junge Wähler wegen einer "hohen Verunsicherung über die Zukunft" für die Rechtsextremen entschieden hätten.

Einer ersten Analyse zufolge wurde die NPD in Sachsen vor allem von Arbeitslosen gewählt. Die Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen ermittelte für das ZDF, dass 18 Prozent der Wähler ohne bezahlte Beschäftigung für die rechtsextremistische Partei votierten. Von den Arbeitern entschieden sich 13 Prozent für den rechten Rand, von Angestellten und Beamten sechs und von den Selbstständigen neun Prozent.

Warnsignal für ausländische Investoren

Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Paul Spiegel, hat unterdessen die etablierten Parteien aufgefordert, den Wahlerfolg der NPD in Sachsen "sehr ernst zu nehmen und daraus Konsequenzen zu ziehen". Dem Berliner Tagesspiegel sagte er, im Erfolg der NPD drückten sich auch Versäumnisse der Politik aus. Sie habe "die Zeichen des Protests im Osten zu lange ignoriert".

Spiegel unterstützte die Kritik von Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) an der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, das NPD-Verbotsverfahren zu stoppen. "Eine Partei, die antisemitische und ausländerfeindliche Propaganda macht, gehört nicht in ein Parlament."

Um Radikalen den Boden zu entziehen, müssten die notwendigen Reformen überzeugender erklärt werden. Es gehe auch darum, "wirtschaftlichen Schaden von Deutschland abzuwenden". Die Wirkung derartiger Wahlergebnisse auf ausländische Investoren sei nicht zu unterschätzen.

Gegendemonstrationen und Buh-Rufe

Auch der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, Ludwig Georg Braun, sagte der Freien Presse in Chemnitz, angesichts des Einzuges von NPD und DVU in die Landtage drohe eine Verunsicherung der Wirtschaft und damit eine Zurückhaltung der Investoren aus dem In- und Ausland in den beiden Bundesländern.

Aus Protest gegen den Spitzenkandidaten der NPD hatten die Spitzenkandidaten der anderen Parteien geschlossen eine Gesprächsrunde von ARD und ZDF verlassen. NPD-Landeschef Holger Apfel hatte gesagt: "Das war ein großartiger Tag für alle Deutschen, die noch deutsch sein wollen." Vor dem sächsischen Landtag demonstrierten rund 150 Menschen spontan, um Widerstand gegen Rechts zu signalisieren.

Apfel war bereits auf dem Weg in den Landtag mit lauten Buh-Rufen empfangen worden. Der Brandenburger CDU-Generalsekretär Thomas Lunacek gab der PDS die Schuld am erneuten Einzug der rechtsextremen DVU in den Potsdamer Landtag. Die "Angstkampagnen der PDS" gegen die Hartz-IV-Reform hätten die DVU stark werden lassen, sagte Lunacek der Netzeitung.

Die PDS-Bundestagsabgeordnete Petra Pau machte hingegen SPD und CDU für den Einzug der rechtsextremen Parteien in die Landesparlamente mitverantwortlich. Wer diese Parteien mit der PDS gleichsetze, mache NPD und DVU erst hoffähig, sagte Pau der Freien Presse.

Sorge im Ausland

Den Wahlausgang in Brandenburg und Sachsen kommentiert die römische Zeitung La Repubblica: "Zwei Gespenster gehen im Herzen Europas um, die Geister der Neonazis und des stalinistischen Neokommunismus. Fast 15 Jahre nach dem Fall der Mauer gehen Gruppen der fremdenfeindlichen, antiwestlichen und antisemitischen Ultrarechten sowie die Erben der DDR-Diktatur siegreich aus zwei Landtagswahlen in Ostdeutschland hervor.

(...) Sie gewinnen mit ganz ähnlichen Slogans: Nein zum Abbau und zu den Reformen des Sozialstaates, Nein zum Euro und zur NATO, Nein zum Europa der offenen Grenzen. Die extremen politischen Ränder lasten wie ein schmutziger Fleck auf dem internationalen Ansehen der deutschen Demokratie."

Die liberale österreichische Tageszeitung Der Standard schreibt dazu: "Spitzenvertreter der demokratischen Parteien haben mit ihrem Verhalten vor der Wahl zum Erstarken der NPD in Sachsen und der DVU in Brandenburg beigetragen. Zum einen haben sie durch die Art, wie der Bevölkerung die Arbeitsmarktreform ohne Erläuterungen einfach vorgesetzt wurde, Proteste provoziert, von denen die Parteien am rechten Rand profitierten.

(...)Was von allen demokratischen Parteien versäumt wurde, ist eine inhaltliche Auseinandersetzung mit NPD und DVU. (...) Ein Trost mag sein, dass rechtsextreme Parteien im demokratischen System rasch selbst scheitern."

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