Wahlen in Israel:Ein Kabinett mit Rentnern und Radikalen

Die voraussichtlichen Partner in der Regierung von Kadima-Chef Olmert sind schwer berechenbar. Er wird am Kabinettstisch wohl mit schwer berechenbaren Fürsten und Tafelrittern aus den anderen Parteien vorlieb nehmen müssen.

Tomas Avenarius

"Heute hat Israels Demokratie gesprochen", triumphierte Ehud Olmert nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses. "Israel will Kadima." Das klingt gut - und ist doch nur ein Teil der Wahrheit. Tatsächlich wollen die Israelis Kadima zwar an der Spitze der Regierung sehen.

Olmert

Ehud Olmert.

(Foto: Foto: AFP)

Aber sie wollen die neu gegründete Partei weit weniger stark und selbstständig, als es sich vor einigen Wochen in den Umfragen noch abgezeichnet hatte.

Nur 28 statt der vorausgesagten 40 Sitze in der Knesset: Der amtierende Premier Olmert muss in den kommenden Wochen nun eine Koalition aus unterschiedlichen kleinen und großen Parteien zusammenzimmern, um eine Mehrheit unter den 120 Knesset-Abgeordneten zu haben.

Statt des vorhergesagten "großen Knalls" bei der Parlamentswahl gab es nur einen "mittleren Plopp" zugunsten der Kadima, analysierte die Jerusalem Post lautmalerisch. Die Olmert-Partei wird nun die Anliegen so unterschiedlicher Parteien wie der linksgerichteten Arbeitspartei (20 Sitze), der ultra-orthodoxen Schas (13) und der linken Meretz in mögliche Übereinstimmung bringen und auch noch die spektakulär erfolgreiche "Rentner-Partei" mit ihren sieben Sitzen zufriedenstellen müssen. Keine einfache Aufgabe.

Kern des Wahlprogramms: die Festlegung der endgültigen Grenzen

Aber Israel wurde fast immer von schwierigen und oft instabilen Koalitionen regiert, entweder unter Führung der linken Arbeitspartei oder des rechts-konservativen Likuds. Neu ist aber, dass mit Kadima eine erst vor wenigen Monaten von Ariel Scharon gegründete Partei die Führung übernehmen wird.

Wenn Olmert nach dieser Wahl allerdings wirklich "König von Israel" sein will, wie ihn die Medien jetzt tauften, dann wird er am Kabinettstisch allerdings mit schwer berechenbaren Fürsten und Tafelrittern aus den anderen Parteien vorlieb nehmen müssen.

Olmert, der seit dem Schlaganfall von Ariel Scharon im Dezember als Ersatz-Premier amtiert, hat die endgültige Festlegung der israelischen Grenzen bis 2010 zum Kern seines Wahlprogramms gemacht. Er will dies durchziehen: sei es auf dem Wege über Verhandlungen mit den Palästinensern oder über einseitige Rückzüge und Grenzziehungen. Das ist die Vorgabe für die Regierungskoalition in der nun 17. Knesset.

An der Arbeitspartei kommt Olmert nicht vorbei

Und das gefällt der Arbeitspartei unter Amir Peretz, die schon immer Wert auf eine Aussöhnung mit den Palästinensern gelegt hat. Doch die Arbeitspartei beharrt auch darauf, die in den vergangenen Jahren stark zusammengestrichenen Sozialleistungen wieder zu verbreitern. Das kostet Geld und wird den neoliberalen Kräften in der Kadima weniger gefallen.

Dass die Arbeitspartei Kadimas wichtigster Koalitionspartner sein wird, scheint dennoch ausgemacht zu sein. An der zweitstärksten Kraft kommt Olmert nicht vorbei. Der Kadima-Politiker Haim Ramon sagte: "Die Arbeitspartei ist ein möglicher zentraler Partner, soziale Forderungen werden kein Hindernis in den Koalitionsverhandlungen sein."

Ein Kabinett mit Rentnern und Radikalen

An einem Zusammengehen mit dem Likud hingegen ist nach Lage der Dinge nur im Notfall zu denken. Die Rechts-Partei unter Benjamin Netanjahu ist nicht nur gegen einen Abzug aus den besetzten Gebieten. Sie hat zudem mit nur elf gewonnenen Sitzen eine derart desaströse Niederlage erlitten, dass sie nur noch eine von mehreren zur Auswahl stehenden kleineren Fraktionen im Parlament ist.

Andere Parteien hingegen werden mit großer Sicherheit in Olmerts Koalition einen Platz finden. Da ist die Schas-Partei, die Vertretung der ultra-orthodoxen orientalischen Juden. Solange deren soziale Forderungen erfüllt und auf ihre religiösen Anliegen - wie etwa spezielle Religionsschulen - Rücksicht genommen wird, ist Schas für Olmert ein relativ einfacher Partner.

Viele Jugendliche haben Gil gewählt - aus Protest gegen das System

Schwer tun wird sich Olmert mit anderen religiösen Parteien oder mit der "Beiteinu". Diese Partei hat vor allem unter den Emigranten aus der Ex-UdSSR Anhänger, sie wird von dem aus Moldawien stammenden Avigdor Lieberman geführt. Den zieht es nach eigenen Worten stark an den Kabinettstisch. Nur: Seine ultra-rechten nationalistischen Positionen werden mit den Rückzugsplänen Olmerts schlecht zusammengehen.

Schwierig könnten Gespräche auch mit der "Pensionärs-Partei" Gil werden. Die Partei wird vom früheren Geheimdienstchef Rafi Eitan geführt. Eitan, ein enger Freund des im Krankenhaus zwischen Leben und Tod schwebenden Ex-Premiers Scharon, ist der einzig bekannte Politiker der Partei; der Rest ist unbekannt. Auch das Programm ist nicht klar.

Nicht umsonst haben viele israelische Jugendliche Gil gewählt - aus Protest gegen das System und nicht aus politisch-programmatischen Erwägungen. So oder so sollte man Olmerts mageren Erfolg, der auch in der schwachen Wahlbeteiligung begründet liegt, nicht kleinreden: die neugegründete Kadima ist immerhin aus dem Stand heraus stärkste Partei im Parlament geworden.

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