Wahlen in Finnland:Finnische Rechenspiele

Ein Erfolg einer populistischen Partei bei der finnischen Parlamentswahl ist sehr wahrscheinlich. Europa und seine Schulden waren die großen Themen des Wahlkampfs. Gibt es nun eine Kehrtwende in Finnlands Europapolitik?

Gunnar Herrmann, Stockholm

Europa und seine Schulden sind die großen Themen der Parlamentswahl gewesen, zu der am Sonntag 4,4 Millionen Finnen aufgerufen waren. Nach einem für finnische Verhältnisse ungewöhnlich heftigen Wahlkampf zeichnete sich am Sonntagnachmittag eine hohe Wahlbeteiligung ab. Ergebnisse lagen bei Redaktionsschluss noch nicht vor, es wird jedoch erwartet, dass die Partei Wahre Finnen ihr Ergebnis vervielfachen konnte. Die Gruppierung des Populisten Timo Soini hatte zuletzt versucht, mit scharfer Kritik an den EU-Finanzhilfen für Portugal zu punkten. Jüngste Umfragen sagten ihnen ein Ergebnis von knapp 16 Prozent vorher - etwa viermal so viel wie bei der Wahl 2007.

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"Stimm ab!" fordert ein Plakat der populistischen "Wahren Finnen" eine Passantin in der Hauptstadt Helsinki auf.

(Foto: AFP)

Unklar ist, wie sich der Aufstieg der Wahren Finnen auf die Politik des Euro-Landes auswirken wird. Alle Parteien mit Ausnahme der Grünen sind bereit, eine Koalition mit den Populisten einzugehen - allerdings nicht bedingungslos. Die agrarisch-liberale Zentrumspartei von Ministerpräsidentin Mari Kiviniemi und die konservative Sammlungspartei von Finanzminister Jyrki Katainen - beide haben in Brüssel den Finanzhilfen schon zugestimmt - wollen nur einer Regierung angehören, die Portugal auch weiterhin unterstützt. Katainen lag in den Umfragen zuletzt deutlich vorne und gilt darum als aussichtsreichster Anwärter auf das Amt des neuen Regierungschefs.

Die Sozialdemokraten, bislang Finnlands dritte große Partei, kamen den Populisten im Wahlkampf immerhin ein kleines Stück weit entgegen. Parteichefin Jutta Urpilainen befürwortet zwar weitere Finanzgarantien für den Euro-Rettungsschirm, will diese aber an zusätzliche Bedingungen knüpfen. Urpilainen möchte Banken und Finanzinvestoren bei der Euro-Rettung stärker in die Pflicht nehmen. Wie die Sozialdemokratin die anderen Euro-Länder von einer Änderung der abgesprochenen Regeln überzeugen möchte, ist jedoch nicht klar.

Dass das in der Vergangenheit stets EU-begeisterte Finnland in Brüssel unter dem Einfluss der Populisten eine Kehrtwende vollzieht, glaubt jedenfalls niemand. "Wir brauchen auf jeden Fall ein Ja zu Portugal", sagt Sixten Korkman, Chef von Etla, einem Thinktank der finnischen Wirtschaft. Ein Nein berge für die europäische und die finnische Ökonomie unkalkulierbare Risiken. Darum glaubt Korkman nicht, dass die Wahren Finnen der nächsten Regierung angehören werden. Timo Soini könne in diesem Punkt nach dem Wahlkampf der vergangenen Wochen keine Kompromisse schließen, meint Korkman.

Tatsächlich hat der Vorsitzende der Wahren Finnen angekündigt, dass er keinesfalls den Finanzhilfen für Portugal zustimmen werde. Soini, der seit seinem 16.Lebensjahr parteipolitisch aktiv ist, sagte aber auch: "Ich war mein ganzes Leben in der Opposition, jetzt will ich in die Regierung." Manche Beobachter meinen, dieser Wunsch sei stärker als alles andere. Und darum werde der Populist seinen Widerstand aufgeben, im Gegenzug für Zugeständnisse in anderen Bereichen. Die Wahren Finnen setzen sich auch für eine härtere Ausländerpolitik ein und wollen Schwedisch als Schulpflichtfach abschaffen. Als Zugeständnis an die schwedischsprachige Minderheit, die etwa sechs Prozent der Bevölkerung ausmacht, müssen alle Finnen die Sprache des westlichen Nachbarlandes lernen. In jüngster Zeit wächst jedoch der Unmut über diese jahrzehntealte Regelung.

Egal, wie die Wahl ausgeht: Ob Soini und seine Wahren Finnen für eine Regierungsbildung überhaupt gebraucht werden, ist unklar. Rein rechnerisch wäre es nämlich denkbar, dass Zentrum, Konservative und Sozialdemokraten gemeinsam eine Art große Koalition bilden. Die drei Parteien haben in den vergangenen 20 Jahren in wechselnden Konstellationen miteinander regiert und in ihren Programmen liegen sie nah beieinander. Allerdings würde bei dieser Lösung den Wahren Finnen die Rolle als stärkste Oppositionskraft zufallen. Das erscheint den meisten Politikern der etablierten Parteien wenig verlockend.

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