Wahlen in der Schweiz:Polarisierung und ein Ruck nach rechts

Entgegen aller Erwartungen hat die rechtspopulistische SVP von Justizminister Christoph Blocher bei den Parlamentswahlen nochmal fast drei Prozentpunkte zugelegt. Mit 28,8 Prozent kam sie auf den höchsten Anteil, den eine Schweizer Partei seit 1919 erreichte.

Gerd Zitzelsberger

In der Schweiz kommt es zu einer wachsenden Polarisierung und einem Ruck nach rechts: Entgegen vielen Erwartungen hat die nationalkonservative Schweizerische Volkspartei (SVP) bei den Parlamentswahlen am Sonntag nochmals zugelegt.

Wahlen in der Schweiz: Der höchste Anteil, den eine Schweizer Partei seit 1919 erreichte: die rechtspopulistische SVP kam auf 28,8 Prozent.

Der höchste Anteil, den eine Schweizer Partei seit 1919 erreichte: die rechtspopulistische SVP kam auf 28,8 Prozent.

(Foto: Foto: dpa)

Bei ihrem vierten Wahlsieg in Folge bringt es die SVP nach einer ersten Hochrechnung des Fernsehens auf 28,8 Prozent. Dies ist der höchste Anteil, den eine Schweizer Partei seit der Reform des Wahlsystems im Jahr 1919 erreicht hat. Bereits in den vergangenen Jahren war die SVP die stärkste politische Kraft der Eidgenossenschaft.

Gewonnen haben gleichzeitig auch die Grünen, die jetzt auf 9,5 (+1,8) Prozent kommen. Markante Verluste mussten demgegenüber die beide Mitte-Parteien Soziademokraten (SP) und Freisinnige (FDP) hinnehmen. Die SP rutscht nach der ersten Hochrechnung von 23,3 auf 19,1 Prozent - für Schweizer Verhältnisse ist es ein Erdrutsch - und die FDP auf 15,9 (-1,4) Prozent.

Behaupten konnte sich demgegenüber die ebenfalls in der Mitte angesiedelte Christlichdemokratische Volkspartei (CVP) mit 14,6 Prozent. Rechnet man allerdings die beiden großen politischen Lager - Grüne und SP auf der einen Seite sowie SVP und die rechtsbürgerlichen Freisinnigen (FDP) - zusammen, dann verändern sich die politischen Kräfteverhältnisse relativ wenig. Das rechte Lager gewinnt in der großen Kammer des Parlaments einen Sitz und das linke Lager verliert fünf.

Die meisten Beobachter waren davon ausgegangen, dass die SVP ihr Wählerpotenzial bereits bei den Wahlen 2003 ausgeschöpft habe und eher mit Verlusten rechnen müsse. Überproportional zugute ist ihr jetzt offenbar die ungewöhnlich hohe Wahlbeteiligung gekommen. Sie lag bei gut 50 Prozent und damit um etwa fünf Prozentpunkte höher als bei früheren Wahlen.

Die SVP führte einen nach Schweizer Maßstäben außergewöhnlich teuren und aggressiven Wahlkampf. Bekannt ist weder, wie viel Geld die SVP zur Verfügung hatte, noch aus welchen Quellen es stammt.

Speziell ihr Plakat mit den drei weißen Schafen, die ein viertes schwarzes Schaf aus der Schweiz hinauskicken, spaltete das Land. Hauptziele der SVP sind eine restriktivere Haltung gegenüber Ausländern, eine deutliche Abgrenzung gegenüber der EU sowie niedrigere Steuern und Staatsausgaben.

Gewählt wurden am Sonntag zum einen die 200 Abgeordneten des Nationalrates. Er ist die große Kammer im Berner Bundesparlament. Nach der Fernsehhochrechnung kommt die SVP dort künftig auf 61 Sitze, sechs mehr als bisher.

Die SP - wie bisher zweitstärkste Partei - bringt es nur noch auf 43 Sitze, FDP und CVP auf je 31 und die Grünen auf 18 Mandate. Zum zweiten wurden am Sonntag 43 der 46 Ständeräte gewählt. Im Ständerat haben die sechs kleinen Kantone nur einen Sitz, alle anderen Kantone entsenden einheitlich jeweils zwei Abgeordnete. Abgestimmt wird nicht nach dem Verhältniswahlrecht, sondern gewählt ist, wer die absolute Mehrheit der Stimmen erreicht.

In mehreren Kantonen ist deshalb ein zweiter Wahlgang nötig. Ein einheitliches Datum gibt es nicht, sodass das endgültige Ergebnis erst Ende November feststeht. Ins Gewicht fallende politische Verschiebungen erwartet allerdings niemand.

Grüne bleiben draußen

Beide Kammern des Parlaments wählen am 12. Dezember die sieben Regierungsmitglieder, in der Schweiz Bundesräte genannt.

Seit 1959 regiert ein so genanntes Konkordanz-Kabinett die Schweiz. Ihm gehören derzeit jeweils zwei Vertreter der SVP, der Sozialdemokraten und der Freisinnigen an sowie eine Vertreterin der Christdemokratischen Volkspartei.

Das Kabinett spiegelt damit die ungefähre Stärke der Parteien wider. Als einzige Partei von Bedeutung sind lediglich die Grünen nicht in der Regierung vertreten. Sie lehnen dies auch ab, solange dort die SVP mit am Tisch sitzt.

SVP-Präsident Ueli Maurer sagte am Abend, seine Partei halte an der Konkordanz fest. Grüne und die SP haben angekündigt, dass sie den gegenwärtigen Justizminister Christoph Blocher keinesfalls in die Bundesregierung wählen wollen.

Blocher ist die Galionsfigur der SVP, um ihn drehte sich der ganze Wahlkampf. Blochers Wiederwahl im Dezember ist nicht völlig sicher, weil er auch in seiner eigenen Partei sowie bei der FDP Gegner hat. Was bei einer Nicht-Wahl Blochers geschehen würde, ist offen. Die SVP hat gedroht, dass sie in diesem Fall in die Opposition gehen würde.

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