Wahlen in Birma:Die Maske der Diktatur

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Birma ist politisch mit einem grauenvollen Militärregime geschlagen. Seit 48 Jahren wird das Land von Generälen regiert, die sich persönlich an ihren Untertanen bereichern und mit unfairen Mitteln die oppositionellen Kandidaten diskreditieren.

Tobias Matern

Sie wählt die Worte genau. Und wenn es ihr zu heikel wird, antwortet Khin Wai Kyi knapp: "Danke, dass Sie nicht weiter nachfragen." Die Kandidatin für das Oberhaus sitzt in einem birmanischen Wickelrock in einem Gebäude, das ein modriges Treppenhaus und dunkle Holzfußböden hat. Der Putz blättert hier und da von der Wand, nur ein paar Meter von der Parteizentrale entfernt rattert eine antik anmutende Eisenbahn entlang. Vor dem Besprechungsraum hängt ein kleines Plakat, darauf ist ein Affe mit dem Spruch zu erkennen: "Noch lacht ihr, aber eines Tages werden wir das Sagen haben." Den Humor haben sich die Aktivisten bewahrt.

Birma ist eines der schönsten Länder der Welt - landschaftlich. Politisch ist es mit einem grauenvollen Militärregime geschlagen. Seit 48 Jahren wird das Land, das sich selbst Myanmar nennt, von Generälen regiert, die sich persönlich an ihren Untertanen bereichern. Birma zählt zu den korruptesten Staaten der Welt. (Foto: dpa)

Khin Wai Kyi tritt bei den Wahlen in Birma am Sonntag für die "Nationale Demokratische Kraft" (NDF) an. Es ist die größte Partei der oppositionellen Gruppen, aber Chancen auf einen Sieg hat sie in dieser ersten Abstimmung seit 1990 nicht. "Die Leute sehnen sich nach Frieden und Fortschritt", sagt die 64-Jährige. Aber um diese Ziele zu erreichen, brauche es einen langen Atem: "Viele kleine Schritte sind in Birma nötig, eine Evolution, keine Revolution."

Seit fast 50 Jahren bestimmt das Militär die Geschicke in diesem südostasiatischen Land, das eine atemberaubend schöne Landschaft und unzählige goldene Tempel vorweisen kann. Die Junta macht den Menschen Angst, sie schlägt Aufstände wie die friedlichen Proteste der Mönche im Jahr 2007 brutal nieder, sie verweigert die Presse- und Meinungsfreiheit. Jetzt will sich das Regime ein zivileres Antlitz geben, dafür hat es vorgesorgt. Eine peinliche Schlappe wie vor 20 Jahren ist durch neu erlassene Gesetze von vornherein ausgeschlossen. Die Demokraten könnten maximal ein gutes Drittel der Stimmen erreichen, rechnet ein politischer Kenner der Situation in Rangun vor.

Schon der Wahlkampf verlief unfair. Unabhängige Kandidaten wurden eingeschränkt zugelassen. Deren Parteien verfügen nicht über die finanziellen Mittel, um genügend Bewerber aufzustellen. Nur die vom Militär gepäppelte USDP schafft es, überall präsent zu sein. Umgerechnet etwa 500 Dollar Gebühren muss jeder Bewerber aufbringen, wenn er antreten will. Das entspricht in Birma einem durchschnittlichen Jahresgehalt. Die Junta hat sich zudem 25 Prozent der Sitze reserviert. Damit könnte sie Verfassungsänderungen blockieren. "Diese Veranstaltung eine Wahl zu nennen, ist ein Witz. Denn der Sieger ist ja schon bekannt", sagt eine Frau, die ein kleines Unternehmen betreibt.

Zumindest auf wirtschaftliche Verbesserungen hofft die Bevölkerung. Denn Birma ist in einem maroden Zustand. Das Gesundheitssystem ist katastrophal, das Bildungssystem drastisch unterfinanziert. "Viele kluge Köpfe gehen", sagt die Mitarbeiterin einer Hilfsorganisation, die wie fast alle Gesprächspartner darauf besteht, namentlich nicht genannt zu werden. "Das Militär tritt Bildung mit Füßen, sie wollen nicht, dass eine junge Generation kritischer Denker heranwächst", sagt sie. Die Mehrheit des Volks lebt in bescheidenen Verhältnissen. Dicke Geschäfte machen nur die ranghohen Mitglieder der Armee oder ihre Günstlinge. Transparency International zählt Birma zu den korruptesten Ländern der Welt. "Leute aus der gut situierten Schicht haben sich mit dem Regime arrangiert", sagt eine westliche Expertin in Rangun. Je nach Einkommen und Ernte könne es in den ländlichen, landwirtschaftlich geprägten Gebieten hingegen dazu kommen, dass die Bewohner pro Jahr zwei bis vier Monate lang chronisch unterversorgt sind. Die Lebenserwartung in Birma liegt nach Schätzungen bei etwa 60 Jahren - genaue Statistiken gibt es nicht. Die Menschen leiden unter dem Militärregime und auch unter den Sanktionen des Westens, sagt ein Beobachter in Rangun.

Die sogenannten Wahlen werden daran nichts ändern. Der Westen verurteilt den Urnengang, aber das beeindruckt die Generäle genauso wenig wie das Wirtschaftsembargo. Schließlich machen China, Indien und Thailand gerne Geschäfte mit dem Regime. Peking lässt schon vorab wissen, es "respektiere" die Wahl. Wer wissen will, was das Regime vom Westen hält, braucht nur einen Blick in das Propagandablatt New Light of Myanmar zu werfen. "Killer-Sender" wie Voice of America oder BBC säten Hass, steht dort nahezu jeden Tag zu lesen. Die Parteien, Kandidaten und Menschen Birmas freuten sich auf die "faire und freie" Abstimmung an diesem Sonntag.

Damit auch wirklich niemand prüfen kann, ob das auch so sein wird, sind Wahlbeobachter nicht zugelassen. Ausländische Journalisten erhalten kein Visum, wenn sie ihre Absichten auf dem Antrag zur Einreise wahrheitsgemäß angeben. In den Internet-Cafés gegenüber der Universität in Rangun laufen die Geschäfte dieser Tage schlecht: Das Netz funktioniert nur selten, und damit ist auch der Zugang zu unabhängigen Analysen eingeschränkt. Die Zeitungen werden zensiert. Viele ausländische E-Mail-Anbieter sind blockiert.

Für den Chef der Militärjunta, Than Shwe, sind die Wahlen ein Schritt auf seinem propagierten Weg zur "gelenkten Demokratie". Aber vor allem will der 78-jährige General vermeiden, selbst so zu enden wie der ehemalige Militärchef Ne Win, den er vor einigen Jahren unter Hausarrest stellen ließ. Ne Win starb. Than Shwe bemühe sich, schreibt die Friedrich-Ebert-Siftung in einer Analyse, die Macht "an handverlesene Gefolgsleute" zu übertragen.

Trotz aller Zweifel und Kritik gibt es in Rangun aber auch politische Beobachter und Aktivisten, die sich durch die Abstimmung zumindest ein bisschen Wandel versprechen. Schließlich gebe es mit dem neuen Parlament möglicherweise ein Forum, in dem Oppositionelle Kritik üben könnten, ohne befürchten zu müssen, gleich verhaftet zu werden, sagt ein Kenner der Verhältnisse. Aus Sicht des Westens sei das vielleicht unbedeutend - in einem Land wie Birma sei das aber schon ein Fortschritt.

© SZ vom 06.11.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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