Wahlen im Kosovo:Der reiche Onkel aus Lugano

Der Heimkehrer und Multimillionär Behgjet Pacolli mischt mit populistischen Thesen die Politik im Kosovo auf. Sein Verhältnis zur Demokratie ist fragwürdig.

Enver Robelli, Pristina

Der Vergleich mit dem Weihnachtsmann gefällt Behgjet Pacolli. Begleitet von Parteifreunden besucht er an diesem regnerischen Herbsttag den Stadtteil Vranjevac in Pristina. Er schüttelt Hände, umarmt seine Landsleute und sagt im sonoren Ton eines Handelsreisenden: "Meine Brüder und Schwestern, ich will euch nur helfen."

kosovo wahlen pacolli reuters

Vorbild Kasachstan: Behgjet Pacolli, neuer Spieler auf dem politischen Parkett im Kosovo.

(Foto: Foto: Reuters)

Etwa 300 Menschen haben sich versammelt, um sich die politischen Botschaften des reichsten Kosovo-Albaners anzuhören. Pacolli ist vor einem Jahr aus der Schweiz in seine Heimat zurückgekehrt, wo er die Allianz Neuer Kosovo (Aleanca Kosova e Re, AKR) gegründet hat. Umfragen zufolge könnte seine Partei bei der Wahl am Samstag mehr als 15 Prozent der Stimmen gewinnen und auf Anhieb drittstärkste Kraft werden.

In seiner Rede holt er zu einem Rundumschlag gegen die politische Klasse aus. Er geißelt die Korruption, die schlechte Gesundheitsversorgung, die Bürokratie. "Wir sind im 21. Jahrhundert, aber hier leben die Menschen in Armut wie vor 30 Jahren", ruft er.

Wie viele Kosovo-Albaner emigrierte auch Pacolli vor drei Jahrzehnten nach Westeuropa. In Hamburg schlug er sich zunächst als Tellerwäscher durch und besuchte eine Handelsschule. Danach arbeitete er in Österreich und in der Schweiz als Verkaufsleiter.

1991 gründete Pacolli in Lugano die Baufirma Mabetex und schaffte einen kometenhaften Aufstieg in Russland: Er baute dort Fabriken, Kliniken, Hotels und Verwaltungsgebäude. Berühmt wurde der in der Schweiz eingebürgerte Kosovare aber mit der Renovierung des Kremls.

Er sei der erste Ausländer seit den zwanziger Jahren gewesen, der hinter den Mauern der mächtigen Zitadelle an der Moskwa tätig sein durfte, sagt Pacolli. Das Geschäftsvolumen seiner Mabetex-Gruppe erreichte in den besten Zeiten etwa eine Milliarde Dollar pro Jahr.

Doch im Januar 1999 wurde Carla del Ponte am Firmensitz in Lugano-Paradiso vorstellig. Die damalige Schweizer Bundesanwältin verhörte Pacolli: Geben Sie zu, dass Sie Russlands Präsidenten Boris Jelzin über ein Konto in Ungarn eine Million Dollar überweisen haben? Stimmt es, dass Sie Kreditkarten ausgestellt haben, lautend auf Jelzin und seine Töchter?

Pacolli habe sich erkenntlich zeigen wollen für die Bauaufträge, die ihm aus Moskau zugespielt worden seien, lautete der Vorwurf. Später klagte die Genfer Justiz den Geschäftsmann wegen Geldwäscherei an. Weiter kamen die Behörden nicht, weil die russische Justiz in der Angelegenheit nichts Strafbares sehen wollte und die Ermittlungen blockierte.

"Demokratie ist eine schöne Sache, aber wir leben auf dem Balkan"

Seit Jahren verdient Pacolli, mittlerweile Chef eines schwer durchschaubaren Firmenkonglomerats, sein Geld in Kasachstan. Dort stampfen mehr als 3000 kosovarische Arbeiter die neue Hauptstadt Astana aus dem Boden. Pacolli macht keinen Hehl daraus, dass er von der präsidialen Diktatur Nursultan Nasarbajews begeistert ist und sich ein ähnliches "Staatsmodell" im Kosovo wünscht: "Wir brauchen einen starken Präsidenten und eine Regierung mit höchstens fünf oder sechs Ressorts. Die Demokratie ist eine schöne Sache, aber wir leben auf dem Balkan - hier ist eine starke Kontrolle notwendig."

Es wird im Kosovo viel darüber spekuliert, warum der Multimillionär die politische Bühne betreten hat. Seine Gegner werfen ihm vor, er wolle bei der Privatisierung der Staatsbetriebe profitieren. Dafür brauche er Macht. Die UN-Verwaltung im Kosovo hat bislang größere Investitionen der Mabetex torpediert, offenbar aus Angst vor Geldwäscherei.

Andere Kritiker wie der Publizist und Politiker Veton Surroi beschuldigen Pacolli, ein Vertreter der russischen und serbischen Interessen zu sein. In den Zeitungen wird in Erinnerung gerufen, dass Pacolli während des Kosovo-Kriegs als Emissär Jelzins zwischen Albanern und Serben vermitteln wollte. Die Mission scheiterte, weil die kosovo-albanischen Politiker nicht bereit waren, hinter dem Rücken von USA und EU mit Belgrad zu verhandeln.

Die Attacken im Wahlkampf haben seiner Popularität wenig geschadet. Für viele Kosovaren, die in Armut und Ungewissheit leben, gilt Pacolli als reicher Onkel mit guten Absichten. Bei der Wahlkommission hat der 56-Jährige ein Vermögen von 420 Millionen Euro deklariert. Im Kosovo besitzt er eine Versicherungsgesellschaft und die Zeitung Lajm.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: