Wahl zum Bundestags-Vizepräsidenten:Lothar Bisky erneut gescheitert

Der Kandidat der Linkspartei hat es auch im vierten Versuch nicht geschafft, die für die Wahl zum Bundestags-Vizepräsidenten notwendige Mehrheit der Stimmen im Bundestag zu erhalten. Gregor Gysi, Fraktionsvorsitzender der Linkspartei, bezeichnete die Entscheidung als "Signal der Ausgrenzung".

Der Vorsitzende der Linkspartei, Lothar Bisky, ist zum vierten Mal bei der Wahl zum Bundestags-Vizepräsidenten gescheitert.

310 Abgeordnete stimmten gegen den 64-Jährigen, 249 votierten für ihn, 36 enthielten sich.

Die einfache Stimmenmehrheit hätte dem Chef der Linkspartei gereicht.

Bisky ist demnach gescheitert, obwohl die Stimmen von Linkspartei, SPD und Grünen für seine Wahl gereicht hätten. Einen weiteren Wahlgang soll es heute nicht geben.

Wie das weitere Verfahren zur Wahl eines Vizepräsidenten der Linkspartei aussehen könnte, ist noch unklar.

Die Vorsitzenden der Linkspartei-Fraktion, Gregor Gysi und Oskar Lafontaine, hatten vor der Abstimmung vor einer erneuten Niederlage Biskys gewarnt. Gysi nannte ein nochmaliges Scheitern "hochproblematisch". Bisky sei ein Mensch "mit einer anständigen DDR- Biografie".

Wenn er von einem Teil der Abgeordneten für unwählbar gehalten werde, sei das ein "Signal der Ausgrenzung". Lafontaine sagte, es sei eine "Kränkung vieler Menschen in Ostdeutschland, die eine ähnliche Biografie wie Bisky haben".

Angeblich will die Fraktion vorerst keinen neuen Kandidaten vorschlagen. Aus Parteikreisen verlautete, möglicherweise werde die Linkspartei auf den ihr zustehenden Posten eines Stellvertretenden Bundestags-Präsidenten verzichten. Nicht ausgeschlossen wurde aber auch, dass Bisky selbst einen neuen Bewerber benennt.

Bisky selbst hatte einen Rückzug in der Vergangenheit mit den Worten angedeutet, seine Leidensfähigkeit sei begrenzt.

Nach der Wahl forderte Bundestagspräsident Norbert Lammert einen neuen Vorschlag der Linkspartei zur Besetzung seines sechsten Stellvertreterpostens. Der CDU-Politiker erklärte, sein Verständnis der Geschäftsordnung des Bundestags sei, dass spätestens nach dem vierten erfolglosen Wahlgang ein Vorschlag verbraucht sei.

Nicht-Wahl trotz Empfehlungen

Lammert hatte den vierten Wahlgang mit den Worten eingeleitet: "Ich wünsche uns gute Beratungen und hoffentlich weise Entscheidungen." Lammert hatte Bisky nach eigenen Angaben vor drei Wochen gewählt.

Vor der Wahl hatte SPD-Fraktionschef Franz Müntefering die Sozialdemokraten aufgefordert, Bisky zu wählen. Es sei guter Brauch, dass alle Fraktionen einen stellvertretenden Präsidenten stellten, hatte Müntefering am Rande der Fraktionssitzung der SPD erklärt.

Auch die parlamentarischen Geschäftsführer von SPD und Grünen, Olaf Scholz und Volker Beck, hatten ihren Fraktionen die Wahl Biskys nahegelegt.

Sowohl in der Union als auch in der SPD-Fraktion hatten Abgeordnete die Wahl Biskys jedoch abgelehnt wegen dessen früherer SED-Mitgliedschaft und Nähe zur DDR-Führung. Ein konkretes Fehlverhalten damals konnte ihm jedoch nicht nachgewiesen werden.

Auch war kritisiert worden, dass er als Parteivorsitzender nicht die für das Vizepräsidentenamt erforderliche Unabhängigkeit mitbringen würde.

Bisky selbst sagte, er habe als Vizepräsident des Landtags in Brandenburg bewiesen, dass er ein solches Amt überparteiisch führen könne.

Biskys erneutes Scheitern dürfte eine Debatte über die Geschäftsordnung des Bundestags zur Wahl der Stellvertretenden Bundestagspräsidenten auslösen. Der Geschäftsordnung zufolge hat jede Bundestagsfraktion Anspruch auf einen Vizepräsidenten im Bundestag.

Theoretisch kann eine Fraktion jedoch keinen Kandidaten durchbringen, wenn die Mehrheit der Abgeordneten keinen ihrer Bewerber akzeptiert.

Lothar Bisky war vor drei Wochen während der konstituierenden Sitzung des Bundestages bei der Wahl zum Bundestags-Vizepräsidenten drei Mal gescheitert - ein beispielloser Vorgang in der Parlamentsgeschichte.

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