Wahl-Spots im Test, Teil II:Der Wähler lenkt, Joschka denkt

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Nach Guidos "Wort zum Sonntag" nun "Joschka auf der Alm". Der heimliche Grünen-Chef hat sich's im Grünen gemütlich gemacht und tut vor allem eines: denken. Teil II der Wahlspot-Analyse

Stefan Wolf

Da sitzt er, der Joschka. Auf einer Alm, im Anzug und in Lackschuhen. Er könnte gerade in Bayern sein.

Die Grünen sind Schuld an der Mopsfledermaus und dem Feldhamster, aber nicht an Angie, Guido und Edi: Joschka überlegt, wie er diesmal die Wahl rumreißt. (Foto: Foto: Screenshot)

Grüne Wiese, blauer Himmel, gelbe Sonne. Lässig spielt der Außenminister mit einem Grashalm. Er hat keine Krawatte dran.

Er scheint allein da oben. Und es scheint ihn nicht zu stören. Er scheint sogar ganz froh darüber.

Man stelle sich mal vor, Joschka und Claudia Roth hüpften quer über die Wiese. Oder Joschka müsste mit Ströbele per Rad den Berg hochschnaufen. Oder mit Trittin die nächste Windenergieanlage einweihen, hier auf der Alm. Nein das würde nicht ins Bild passen.

Joschka will seine Ruhe, will allein sein. Fern von den Kollegen, fern von Berlin, fern von Bush.

Grashalm statt Pralinenschachtel

Einfach nur hier sitzen und überlegen, wie er diesmal die Wahl noch rumreißt. Er, der Joschka, die Wunderwaffe der Grünen. Er, der schon vor drei Jahren die Kohlen aus dem Feuer holte.

Sollte man einen Außenminister eigentlich nicht mit Herr Fischer ansprechen? Ist schon mal jemand darauf gekommen Herrn Eichel "den Hans" zu nennen? Oder Herrn Clement "Wolle"? Der Guido ist der Guido, klar. Aber ein Außenminister? Egal.

Lassen wir den Joschka also einfach wirken, werden sich die Wahlkampfstrategen gesagt haben. Und setzten ihn auf die Alm - wie Forrest Gump auf der Parkbank. Nur mit Grashalm statt Pralinenschachtel.

Eine Minute und ganze zwei Sekunden sitzt Joschka also einfach nur da. Auf der Alm. Und wirkt. Die Kamera zoomt auf ihn. Das Wirken hat er ganz gut drauf, der Joschka. Die Vögel zwitschern und der Zuschauer darf an seinen Gedanken teilhaben. "Ihr Grünen seid an allem Schuld." Auch an Mopsfledermaus und Feldhamster, das höre er immer wieder, sagt seine "Stimme aus dem Off". Aber die Schuld für Angie, Guido und Edi, die will sich der Joschka nicht in die Lackschuhe schieben lassen. Der Mann teilt aus. Und fühlt sich ganz und gar unschuldig.

Netter Papst-Effekt

Joschka zieht sein Gesicht zusammen, schwenkt den Kopf kurz nach rechts, dann nach links. Um dann, ganz der Profi, gefühlte dreieinhalb Minuten an der Kamera vorbeizuschauen. Dann für die letzten 28 Sekunden wendet er sich endlich an die Zuschauer und appelliert an sie, sich für Joschka, `tschuldigung, für die Grünen zu entscheiden.

So weit, so gut. Doch plötzlich dreht sich der Protagonist weg. Die Sonne lässt sein ergrautes Haar aufleuchten. Ganz netter Papst-Effekt, aber wo schaut er hin? In die Ferne. Die Musik zieht auf, dann der Slogan: Ja! zu Joschka.

Der ist wahrscheinlich schon längst in seinen Wahlkampfbus gestiegen und die Alm runtergefahren.

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