Wahl in Südkorea:Kampf ums Blaue Haus

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Moon Jae In (links) tritt bei der Präsidentschaftswahl in Südkorea gegen Kontrahentin Park Geun Hye an.

(Foto: AP)

Bei der Präsidentschaftswahl in Südkorea treten die Erben zweier verfeindeter Lager gegeneinander an: Die Tochter des einstigen Diktators und ein ehemaliger Menschenrechtsanwalt. Viele Wähler trauen keinem von beiden - am Ende könnte deshalb das Wetter entscheiden.

Von Christoph Neidhart, Seoul

Lee Jung Hee, die Kandidatin, die in den Fernsehdebatten als Einzige zu überzeugen vermochte, steht bei der Präsidentschaftswahl in Südkorea an diesem Mittwoch nicht zur Verfügung. Die 43-jährige Anwältin und Abgeordnete zog sich am Sonntag zurück. Als Vertreterin der Progressiven hätte sie keine Chance. Das wusste sie; ihr Ziel war es, wie sie sagte, eine Präsidentin Park Geun Hye zu verhindern.

"Wir brauchen eine Frau als Präsidentin", sagte Lee, "aber keine Königin im Blauen Haus", dem Sitz des Präsidenten. Die Tochter des früheren Diktators Park Chung Hee sei "arrogant und selbstgerecht". Lee führte ihre rhetorische Klinge so gekonnt, dass sie Moon Jae In, den freundlichen liberalen Kandidaten, dem sie zum Sieg verhelfen will, blass aussehen ließ.

Rechtschaffen, rational und etwas brav wirkte Moon auch an diesem sonnigen, eisig kalten Dienstagnachmittag vor dem Bahnhof von Seoul, bei seinem letzten Auftritt in der Hauptstadt. Die Faust, die er in seiner Rede ballte, wirkte antrainiert. Die etwa 1500 Anhänger, die gekommen waren, viele in den gelben Jacken der Vereinigten Demokratischen Partei, jubelten artig. Dann setzte Moon sich in den Zug nach Busan, wo er den Wahlkampf abschloss.

Ganz anders war die Stimmung auf der Schlusskundgebung der Saenuri-Partei von Park Geun Hye. Auf Seouls Gwanghawmun-Platz, zu Füßen des Denkmals von Sejong, dem Erfinder der koreanischen Schrift, tanzten die Anhänger von Frau Park, viele bereits im Rentenalter, zu Hip-Hop-Musik. Das Thermometer war inzwischen auf minus sechs Grad gefallen, ein eisiger Wind blies. Park drückte kleine Mädchen an ihre Brust, sie schien gerührt zu sein. Dann las die "Notizbuch-Prinzessin", wie ihre Kritiker sie nennen, weil sie nicht frei spricht, eine Schlussrede ab.

Name und Gesicht zu wechseln, reicht nicht

Obwohl Park selber kaum Gefühle zeigt, lassen sich ihre Anhänger von Emotionen tragen. Auf einigen Kundgebungen wurden sogar Porträts von Parks Vater mitgetragen, der nicht mehr nur als Diktator in Erinnerung ist, sondern von vielen als Vater des "Wunders am Han-Fluss" verehrt wird, wie man den Wirtschaftsaufstieg Südkoreas nennt. Nach der Ermordung ihrer Mutter durch nordkoreanische Agenten schlüpfte Park Geun Hye als junge Frau in die Rolle der First Lady. Schon deshalb vermag sie sich bis heute nicht klar vom Regime ihres Vaters zu distanzieren.

Leichter fiel es ihr, sich gegen den unbeliebten Präsidenten Lee Myung Bak abzugrenzen, obwohl der als Kandidat ihrer Partei Präsident geworden war. Die Abneigung gegen ihn ist so groß, dass sich die Partei im Februar sogar umbenannte. Parks Kontrahent Moon sagt dazu, es genüge nicht, Name und Gesicht zu wechseln, Südkorea brauche eine ganz neue Mannschaft.

Bewegung zur Mitte

In der letzten Fernsehdebatte, nachdem die gewiefte Feministin Lee sich zurückgezogen hatte, debattierten Park und Moon erstmals zu zweit: Da saßen sich die Erben der zwei seit fünfzig Jahren verfeindeten Lager gegenüber: die 60-jährige Tochter von Park Chung Hee und der 59-jährige ehemalige Menschenrechtsanwalt und später Stabschef des Tauwetter-Präsidenten Roh Moo Hyun. Moon dozierte professoral, Park erwiderte bemüht, als verlöre sie die Geduld. Zuweilen schien sie auch überfordert von den Detailkenntnissen ihres Gegners. Und beide fielen einander immer wieder ins Wort.

In den Sachfragen indes trennt sie wenig. Beide haben sich auf die Mitte zubewegt. Sie versprechen eine "Demokratisierung der Wirtschaft", die "Restaurierung des Mittelstands" und eine moderate Linie gegenüber Nordkorea. Und beide vermeiden es, ihre Versprechen zu konkretisieren. Dabei ist es weder Park noch Moon gelungen, die Koreaner zu überzeugen, dass sie fähig sind, das Land zu führen.

Die letzten Umfragen sagen ein Kopf-an-Kopf-Rennen voraus. Park hatte einen leichten Vorsprung, scheint ihn aber verspielt zu haben. Moon verdankt es dem Internet-Unternehmer Ahn Cheol Soo, dass er überhaupt eine Chance hat. Der populäre, politisch unerfahrene Ahn hätte die besseren Aussichten, als alleiniger Kandidat der Liberalen Park zu schlagen. Doch er zog sich zurück, um Moon Platz zu machen. Ob die progressive Lee Moon geholfen oder geschadet hat, ist umstritten.

Wahlen in Südkorea sind geprägt von den Rivalitäten der Regionen und Generationen - und vom Wetter. Der Südwesten steht stramm hinter Moon, der Südosten wählt konservativ. Die Alten sind für Park, die Jungen wählen liberal, wenn sie überhaupt wählen. Vor zehn Jahren trug eine Welle der Mobilisierung per E-Mail den Außenseiter Roh Moo Hyun ins Blaue Haus. Aber Moon scheint die Jungen weniger zu erreichen. Wie die Erfahrung lehrt, gewinnen bei Kälte und Nässe die Konservativen, bei mildem Wetter die Liberalen. Die Vorhersage für Mittwoch verspricht sonniges, aber eisiges Winterwetter.

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