Wahl in Polen:Umfragen deuten auf Regierungswechsel hin

Wegen einer unerwartet hohen Wahlbeteiligung verzögert sich die Bekanntgabe erster Prognosen um mehrere Stunden: Einige Wahllokale in Warschau, Danzig und Posen hatten nicht ausreichend Stimmzettel zur Verfügung und waren länger geöffnet.

Bei der vorgezogenen Parlamentswahl in Polen ist es am Sonntagabend zu massiven Verzögerungen bei der Veröffentlichung der Wahlergebnisse gekommen. Die Wahlkommission verhängte am Abend eine Nachrichtensperre über jegliche vorläufige Wahlergebnisse bis 22.55 Uhr.

Wahl in Polen: Vorhang auf oder Vorhang zu für Jaroslaw Kaczynski?

Vorhang auf oder Vorhang zu für Jaroslaw Kaczynski?

(Foto: Foto: dpa)

Der Sprecher der Wahlkommission, Jan Kacprzak, teilte mit, in einigen Wahllokalen in Warschau werde noch abgestimmt. Eine überraschend hohe Wahlbeteiligung von mehr als 55 Prozent hatte zu einem Mangel an Stimmzetteln geführt.

Die Schließung der Wahllokale war ursprünglich für 20 Uhr geplant gewesen. Da aber in mehreren Wahllokalen in Posen, Danzig und der Hauptstadt Warschau nicht genügend Stimmzettel vorhanden waren, war bereits im Laufe des Tages eine Verzögerung von etwa zwanzig Minuten angekündigt worden. Diese zog sich dann immer weiter in die Länge.

Die Beteiligung erreichte einem Umfrage-Institut zufolge mit 55,3 Prozent einen neuen Rekord. Die Zahl wurde vom Umfrageinstitut PBS ermittelt und im privaten Fernsehsender TVN veröffentlicht. Die größte Beteiligung bisher hatte bei den Parlamentswahlen 1993 bei 52,1 Prozent gelegen. Die Mobilisierung des Wahlvolks war offenbar so hoch wie nie.

Beobachter gingen davon aus, dass der kontroverse Wahlkampf und die skandalgeschüttelte Regierung des konservativen Regierungschefs Jaroslaw Kaczynski zu einer besonderen Mobilisierung der Wähler führte. Kaczynski hatte im Sommer seine Koalition mit rechten Splitterparteien aufgekündigt und so seine Mehrheit verloren.

Seine Partei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) hatte im Wahlkampf erneut auf eine Anti-Korruptionskampagne gesetzt. Doch Oppositionsführer Donald Tusk konnte bei zwei Fernsehduellen überzeugen und galt am Sonntagabend als Favorit.

Die Wahl galt als richtungsweisend: Kaczynski steht in den Augen seiner Kritiker für eine auf Konfrontation statt auf Kooperation gegründete Außenpolitik. Er propagiert den starken Staat, in dem zahlreiche neue Behörden mit Sonderrechten vor allem die Korruption bekämpfen sollen.

Sein Herausforderer Tusk setzt auf eine weitere Integration Polens in die EU, auf gute Beziehungen zu allen Nachbarn und tritt für eine Zivilgesellschaft ein, in der Entscheidungen von Politik und Behörden transparent sind und Eigeninitiative gefördert wird. Er will Hunderttausende Polen, die seit dem EU-Beitritt des Landes 2004 ihre Heimat verließen, zurückholen.

Sowohl Kaczynski als auch Tusk haben Aussagen über mögliche Koalitionspartner gemacht: Kaczynski lehnt ein Zusammengehen mit dem Wahlbündnis Linke und Demokraten (LiD), in dem frühere Reformkommunisten den Ton angeben, kategorisch ab.

Tusk bevorzugt nach eigenen Worten eine Koalition mit der Bauernpartei (PSL), deren Vorsitzender Waldemar Pawlak eine auf Ausgleich und Harmonie setzende Wahlkampagne geführt hat. Ein Zusammengehen mit Kaczynskis Partei "Recht und Gerechtigkeit" schließt Tusk nicht aus; doch sei dies nur ohne Kaczynski und dessen Kronprinzen, den Justizminister Zbigniew Ziobro, möglich.

Im ganzen Lande besuchten Beobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) Wahllokale. Außenministerin Anna Fotyga hatte deren Einladung zunächst abgelehnt, da Polen "keine Bananenrepublik" sei.

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