Wahl in Österreich:Österreichs Wahl prägt die Sorge vor den Rechtspopulisten

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Wähler werben in Wien: Plakate von Grünen-Kandidat Alexander van der Bellen, SPÖ-Bewerber Rudolf Hundstorfer und ÖVP-Mann Andreas Khol. (Foto: Leonhard Foeger/Reuters)

Das Nachbarland wählt heute einen Bundespräsidenten. Was die Etablierten vermeiden wollen: Einen Erfolg der flüchtlingsfeindlichen FPÖ.

Von Cathrin Kahlweit, Wien

"Die Präsidentinnen" heißt das ebenso großartige wie abgedrehte Stück des österreichischen Autors Werner Schwab, das derzeit mit großem Erfolg am Wiener Akademietheater läuft. Nicht wenige, ahnungslose Zuschauer gehen in der Annahme in die Aufführung, dass die derbe Farce etwas mit Politik und der aktuellen Bundespräsidentenwahl im Land zu tun hat, was nur sehr bedingt richtig ist.

Die Protagonistinnen, drei Frauen aus der Unterschicht, reden nämlich im Wesentlichen in harten Worten über - vornehm ausgedrückt - menschliche Grundbedürfnisse und gehen sich schließlich an die Gurgel. Nur auf den Bundespräsidenten lassen sie nichts kommen: "Da hat es aber schon wirklich einen guten Sinn gehabt, wie der Bundespräsident bei der letzten Ansprache gesagt hat, dass er sich für den Frieden und für das Verzeihen einsetzen will."

Draußen vor der Tür ist vom "guten Sinn", von "Frieden und Verzeihen" weniger die Rede. Dort tobt, man kann es nicht weniger abgedroschen formulieren, der Wahlkampf um den realen nächsten Präsidenten. Und wenn am Donnerstagabend nach der letzten von zahlreichen Wahlsendungen, einer Elefantenrunde vor der Direktwahl, die Scheinwerfer im ORF-Studio ausgehen, dann lässt sich getrost sagen, dass in Österreich eine überraschend harte Wahlschlacht geschlagen wurde.

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Eine ziemliche Strapaze

Am Sonntag steht der erste Wahlgang an, und die sechs Kandidaten haben ein anstrengendes, bisweilen surreales und für einige auch frustrierendes Rennen hinter sich. Sie mussten basteln, backen und singen, jeden Tag Interviews in Funk, Fernsehen und Printmedien geben, chatten und skypen, mal einzeln, mal zu zweit, mal alle sechs zugleich, und immer wieder dieselben Fragen beantworten: "Was würden Sie anders machen als der jetzige Bundespräsident? Wie wollen Sie dem Amt Gewicht verleihen? Würden Sie, was die Verfassung erlaubt, die Regierung entlassen, und wenn ja, warum?"

Für die überwiegend älteren Herrschaften dürfte das eine ziemliche Strapaze gewesen sein. Zumal dreien von ihnen geringe Chancen vorhergesagt werden, in die Stichwahl einzuziehen. Dass der schräge Opernball-Promi und Unternehmer Richard Lugner nicht weit kommt, war immer klar. Aber pikanterweise liegen auch die beiden Kandidaten der Regierungsparteien, Ex-Fraktionschef Andreas Khol (ÖVP) und Ex-Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ), in Umfragen mit 11 beziehungsweise 15 Prozentpunkten seit Längerem weit hinten, weshalb zuletzt eine spannende Dynamik einsetzte.

Prominente Mitglieder der SPÖ werben dafür, Umfragenkönig Alexander van der Bellen von den Grünen zu wählen, um einen Einzug des praktisch gleichauf - und damit vor dem Einzug in die Stichwahl - liegenden Rechtspopulisten Norbert Hofer von der FPÖ zu verhindern. Und prominente Mitglieder der ÖVP wenden sich von ihrem Kandidaten Khol ab, um für die parteiunabhängige Juristin Irmgard Griss zu votieren, damit die Linken nicht zu stark werden und zugleich Hofer verhindert wird.

Hinter den Kulissen der Koalitionsparteien hat zudem eine Debatte wieder eingesetzt, die zu Beginn dieses Wahlkampfs schon einmal geführt wurde: Was, wenn SPÖ und ÖVP vor einem halben Jahr über ihren Schatten gesprungen wären - und Griss als gemeinsame Kandidatin auf den Schild gehoben hätten? So viel Gemeinsamkeit aber war bei den zerstrittenen Partnern nicht möglich, zumal in der ÖVP lange ein anderer Kandidat als gesetzt galt: Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll.

Mit dem werde man sicher gewinnen, hatte es bei den Konservativen geheißen. Nur, sei es aus persönlichen Gründen, sei es, weil er der Parteiführung eins auswischen wollte oder ein Gespür dafür hatte, dass die Regierung derzeit nicht hoch im Kurs steht: Pröll sagte überraschend ab. Parteichef Reinhold Mitterlehner musste einen neuen Kandidaten aus dem Hut zaubern. Mit Khol, dem Architekten der schwarz-blauen Regierung von 2000, der am

Ende seiner Karriere Chef des ÖVP-Seniorenbundes war, hoffte man, bei Rentnern und bei Rechten Stimmen zu holen. Aber Khol ist ein schwieriger Kandidat, wenig volkstümlich, kein Sympathieträger, sehr religiös. Und so wird nun in der ÖVP auf den Schuldigen gezeigt, der für diese womöglich peinlich falsche Personalentscheidung verantwortlich gemacht werden könnte. ÖVP-Chef Mitterlehner hat schon mitgeteilt, er werde auch bei einer herben Niederlage Khols nicht zurücktreten. Und die Regierung werde, sollte auch SPÖ-Kandidat Hundstorfer wie erwartet schlecht abschneiden, nicht zerfallen.

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Für das Ende der Etablierten ist es noch zu früh

Viel spannender als Partei- und Personalarithmetik ist allerdings, was es für die zweite Republik bedeuten könnte, wenn entweder ein Grüner und ein Freiheitlicher, oder eine Unabhängige in die zweite Runde kommen, die Mitte Mai ansteht. Politikwissenschaftler warnen davor, das Ende der etablierten Parteien auszurufen, dazu sei es doch zu sehr eine Persönlichkeitswahl.

Und tatsächlich hat Irmgard Griss, die im Winter als Erste ins Rennen ging und anfangs sehr steif wirkte, merklich gelernt; sie ist angriffslustig, unbeirrt, und sie ist eine Frau, was für viele Wähler ein Argument ist. Der Grüne van der Bellen wirkt gelassen und intellektuell - wie einer, hinter dem sich auch Nicht-Linke vereinigen können.

Die eigentliche Überraschung stellt der bisherige dritte Nationalratspräsident Hofer von der FPÖ dar. Sein Parteichef Heinz-Christian Strache hat mit ihm einen anfangs widerstrebenden, aber geschickten Kandidaten ins Rennen geschickt. Er hat die Partei hoffähig gemacht, nach dem Motto: Hofer ist zwar ein radikaler Rechtspopulist, aber es tut gar nicht so weh.

© SZ vom 22.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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