Wahl in Österreich:Alexander Van der Bellen: Der Grüne, der um die Mitte kämpft

Auf Van der Bellen ruhen die Hoffnungen der Österreicher, die keinen Bundespräsidenten von der FPÖ wollen. Die Volksparteien unterstützen ihn trotzdem nicht - und helfen ihm dadurch wohl am meisten.

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Alexander Van der Bellen

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14 Prozentpunkte Rückstand - entgegen den Erwartungen wurde Alexander Van der Bellen im ersten Wahlgang nur Zweiter, hinter FPÖ-Mann Norbert Hofer. Der 72-jährige Van der Bellen ist für die Stichwahlen am Sonntag der Kandidat der Mitte, der Linken und auch all jener Konservativen, die sich gegen einen Bundespräsidenten mit FPÖ-Parteibuch wehren. Ob der Konsenskandidat alle Flügel hinter sich vereinen und an die Wahlurne treiben kann, muss sich zeigen.

Die Regierungsparteien SPÖ und ÖVP jedenfalls machen es ihm nicht leicht.

SPOe headquarter in Vienna

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Van der Bellen, ehemaliger Vorsitzender der Grünen, war als unabhängiger Kandidat angetreten. Die Kandidaten von SPÖ und ÖVP waren in der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen kläglich gescheitert. Eine offizielle Wahlempfehlung für Van der Bellen gibt es von den angeschlagenen Volksparteien aber nicht.

"Die Bürger entscheiden, wen sie lieber haben, daher wird es von der SPÖ keine Wahlempfehlung geben", sagte Ex-Bundeskanzler Werner Faymann von der SPÖ am Dienstag. Er würde Van der Bellen jedoch wählen. Die Konservativen sind noch reservierter: "Jeder ÖVP-Wähler und jedes Parteimitglied ist selbst in der Lage, sich eine Meinung zu bilden, der Rest ist Wahlgeheimnis", sagte Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP).

Manche sagen aber auch, eine öffentliche Wahlempfehlung der beiden Regierungsparteien wäre schlecht für Van der Bellen - so mies ist deren Ruf momentan.

New Austrian Chancellor Christian Kern

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Van der Bellen hat sich aber auch nicht sonderlich beliebt gemacht bei den Regierungsparteien. Die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung kritisierte er deutlich. Zum erst kürzlich verschärften Asylgesetz und den möglichen Beschränkungen der Aufnahmezahlen sagte er in der Zeitung Der Standard: "Die Regierung hat sich ihre eigene Panikstimmung aufgebaut und rechtfertigt sich mit Problemen, die es noch gar nicht gibt." Van der Bellen tritt für eine europäische Lösung der Krise ein - dafür habe auch Österreich bisher zu wenig getan.

Van der Bellens Familie war selbst während des Zweiten Weltkrieges aus Estland nach Österreich geflohen. Geboren ist der Kandidat in Wien, letztes Jahr hat er das zweite Mal geheiratet, die Parteikollegin Doris Schmidauer. Mit seiner ersten Frau hat er zwei Söhne.

Unterstützung erhält Van der Bellen von seiner ehemaligen Konkurrentin Irmgard Griss (im Bild). Die drittplatzierte der ersten Runde war ebenfalls als Unabhängige angetreten.

A man passes by an election campaign poster of presidential candidate Van der Bellen in Vienna

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Die FPÖ spalte, er verbinde - diese Botschaft will Van der Bellen im Wahlkampf vermitteln. Er gibt sich als Kandidat der Vernunft und Weitsicht. Er bekennt sich zur europäischen Integration und warnt vor einer Rückkehr zu nationalstaatlichem Denken. Damit könnte er nicht weiter entfernt von FPÖ-Kandidat Norbert Hofer liegen, dessen Partei im Europaparlament der euroskeptischen Fraktion um Marine Le Pen angehört.

Austrian top candidates for presidential elections at television

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Nicht nur in EU-Fragen, auch in der Flüchtlingspolitik trennt die Kontrahenten viel. "Was ich nicht will, sind neue Stacheldrahtzäune mitten in Europa", schreibt Van der Bellen auf seiner Kampagnenseite. Grenzschließungen würden auf Dauer Milliardenverluste für österreichische Unternehmen bedeuten und die Arbeitslosigkeit weiter steigen, heißt es weiter.

Bei TTIP hat sich Van der Bellens Meinung in letzter Zeit geändert. Früher nicht als Gegner des Abkommens bekannt, heißt es von ihm heute, dass er als Bundespräsident den Vertrag nicht unterschreiben würde, auch wenn das Parlament ein positives Votum abgäbe. Ein kategorisches Nein, auch wenn noch nicht klar ist, was am Ende überhaupt in dem Vertragswerk stehen wird.

Austrian top candidates for presidential elections at television

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Von seinem Gegner Norbert Hofer (rechts) und dessen Partei FPÖ hält Van der Bellen wenig - eine Abneigung, die auf Gegenseitigkeit beruht. Van der Bellen spielte offen mit dem Gedanken, als Präsident keinen Bundeskanzler von der FPÖ ernennen zu wollen. Im Laufe des Wahlkampfes schwächte er diese Aussage zwar ab, betonte aber trotzdem, die stärkste Fraktion habe nicht "automatisch Anspruch auf den Bundeskanzler."

In einer TV Debatte am 15. Mai ohne Moderator wurde die Antipathie förmlich spürbar - es wurde gezetert, beleidigt, persönlich attackiert. Der emeritierte Wirtschaftsprofessor Van der Bellen warf Hofer vor, autoritäre Ambitionen zu hegen und Österreich aus der EU drängen zu wollen.

Austrian top candidates for presidential elections at television

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Norbert Hofer beantwortete Van der Bellens Überlegungen, keinen FPÖ-Kanzler vereidigen zu wollen, mit dem Vorwurf, dieser sei ein "faschistischer grüner Diktator". Dabei hat auch Hofer schon öffentlich damit kokettiert, seine Rolle als Bundespräsident aktiver auszulegen und eine Regierung eventuell zu stürzen. Von FPÖ-Kandidat Hofer stammt der viel zitierte Satz: "Sie werden sich noch wundern, was alles gehen wird."

UN Secretary-General Ban Ki-moon visits Austria

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Am Sonntag wird entscheidend sein, ob Van der Bellen genug gemäßigte Wähler aus der Mitte an die Urne bringen kann. Dann würde ein grüner Politiker das erste Mal in der Geschichte der Republik ein Spitzenamt bekleiden - das formal höchste im Staat.

© SZ.de, tfn, Reuters/pamu
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