Wahl in NRW: TV-Duell:Jürgen Rüttgers gibt weiter den Johannes Rau

Kontroverse vor der Wahl: Im TV-Duell in NRW bringt sich SPD-Herausforderin Kraft in die Bredouille. Rüttgers setzt nach - klare Treffer landet er nicht.

Michael König

Die Urteile waren schnell gesprochen. "Klar, kompetent und glaubwürdig" sei der Auftritt der Herausforderin Hannelore Kraft gewesen, hieß es Minuten nach dem Ende des TV-Duells bei der SPD.

Herausforderin Kraft, Ministerpräsident Rüttgers: Geplänkel um einen möglichen Schulkrieg.

Herausforderin Kraft, Ministerpräsident Rüttgers: Geplänkel um einen möglichen Schulkrieg.

(Foto: Foto: dpa)

"Souverän, sachlich und klar", fand die CDU den Auftritt des amtierenden Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers. Beide Seiten reklamierten einen eindeutigen Sieg für sich, wobei die CDU in bester Boxermanier von einem "Punktsieg" für Rüttgers sprach.

Im Boxen ist ein Punktsieg etwas weniger wert als ein Knock-out. Meistens ist er umstritten, weil sich die Punktrichter nicht einig sind. So auch in diesem Fall: Beide Kontrahenten schlugen sich tapfer, ohne klare Treffer zu landen. Weil sich die Sozialdemokratin Kraft jedoch öfter verhedderte, während Rüttgers bei einer klaren, wenn auch simplen Taktik blieb, mag der Ministerpräsident einen leichten Vorsprung über die Zeit gerettet haben.

Der Titelverteidiger war angeschlagen in dieses Duell gegangen: Die schwarz-gelben Querelen im Bund, immer neue Skandale in Nordrhein-Westfalens Gefängnissen und nicht zuletzt die Sponsoring-Affäre um bezahlte Auftritte des Ministerpräsidenten hatten Rüttgers im Wahlkampf in Bedrängnis gebracht. In den jüngsten Umfragen sah es nicht so aus, als könne die schwarz-gelbe Landesregierung bei der Wahl am 9. Mai auf eine Mehrheit bauen.

Beim einzigen direkten Aufeinandertreffen der Kontrahenten um das Amt des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten kämpfte Rüttgers so streckenweise in der Position des Herausforderers - ohne sich jedoch zu harte Attacken leisten zu können.

Sie lässt aber auch alles offen

Das Bild vom gütigen Landesvater, vom zweiten Johannes Rau, das Rüttgers gerne abgibt, hätte sonst womöglich Schaden genommen. Und auch im Hinblick auf eine große Koalition - eine Möglichkeit, die beide Seiten verschwiegen - wäre allzu großer Krach wohl schädlich gewesen.

"Liebe Frau Kraft", hieß es deshalb, wenn der Ministerpräsident die SPD-Kandidatin im Duell direkt ansprach: "Darf ich Sie freundlicherweise korrigieren?" Rüttgers Gesichtsausdruck changierte zwischen einem angriffslustigen Lächeln und einer fragenden Betroffenheitsmiene - eine Art Schweppes-Gesicht, dass er beinahe 60 Minuten durchhielt.

Hitzig wurde das Duell allenfalls beim Thema Koalitionsaussage. Hier bot Hannelore Kraft dem Titelverteidiger die meiste Angriffsfläche. "Sie hat wieder alles offengelassen", klagte Rüttgers in Richtung der dezent moderierenden WDR-Journalisten Jörg Schönenborn und Gabi Ludwig. Und in Richtung Kraft: "Wer soll Ihnen Ihre Aussagen noch glauben, wenn Sie Ihr Dementi direkt hinterherschicken?"

Das Gespenst der Linken

Tatsächlich hatte es die SPD-Frau unterlassen, sich von einer Zusammenarbeit mit der Linkspartei zu distanzieren - nicht zum ersten Mal in diesem Wahlkampf. "Erstens wollen wir gewinnen und zweitens ist unser Ziel, die Linkspartei unter fünf Prozent zu halten", sagte Kraft als Antwort auf die Gretchenfrage, ob sie sich eine rot-rot-grüne Regierungskoalition vorstellen könne.

Als die Moderatoren nachbohrten, schob Kraft hinterher: "Die sind nicht regierungs- und koalitionsfähig. Ich werde dieses Land verantwortlich regieren." Ein eindeutiges "Nein" klingt anders, und so müssen die Wähler davon ausgehen, dass die NRW-SPD - das Beispiel der Andrea Ypsilanti in Hessen mahnend vor Augen - die Möglichkeit einer Koalition mit der Linkspartei nicht völlig ausschließen will.

Das spielt der CDU in die Karten, die seit Wochen einen Rote-Socken-Wahlkampf führt. "Ich habe Ihnen angeboten, dass wir gemeinsam gegen die Linken kämpfen. Wenn sie in den Landtag kommen, ist das Ihre Schuld", sagte Rüttgers in Krafts Richtung. Auf die Frage, ob sich der Ministerpräsident eine schwarz-grüne Koalition vorstellen könne - ein von FDP-müden Konservativen mit Spannung erwartetes Projekt -, sagte Rüttgers: "Ich möchte nicht mit den Grünen regieren." Im Gegensatz zur SPD habe er aber "kein Problem", denn: "Die Grünen sind Demokraten, keine Extremisten."

Auf der nächsten Seite: Den Vorwurf, bestechlich zu sein, bügelt Rüttgers ab - mit Hinweis auf seine SPD-Amtsvorgänger.

Rüttgers und die erklärte Liebe

Wie Kraft sofort anmerkte, war auch das keine eindeutige Auskunft zur Koalitionsfrage. Doch Jürgen Rüttgers tat zumindest so, als habe er Klartext gesprochen - eine Strategie, die in Fernsehduellen einen Sieger ausmachen kann. Und eine Strategie, die Hannelore Kraft Mühe bereitet.

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Als die Sponsoringaffäre zur Sprache kam, sagte Landeschef Rüttgers nur: "Ein Ministerpräsident ist nicht käuflich. Das galt für Johannes Rau, für Wolfgang Clement, für Peer Steinbrück und gilt auch für mich."

Schönenborn und Ludwig setzten hier nicht nach, stattdessen richteten sie sich an Hannelore Kraft - mit der Feststellung, auch die SPD habe zweifelhafte Sponsoringaktivitäten vorzuweisen. Die rote Kandidatin sagte daraufhin, alles habe sich "im üblichen Rahmen bewegt".

Eine erfahrenere Rednerin hätte womöglich anders geantwortet. Und es gab weitere Momente, in denen Kraft rhetorisches Geschick vermissen ließ. Der Mindestlohn sei eine "Reißleine nach unten", sagte die Herausforderin beispielsweise.

Später sprach Kraft von "finanziellen Gebühren als Hürden im Bildungssystem". Die Einführung der Gemeinschaftsschule wolle sie "als Prozess organisieren". Die von Rüttgers versprochene Unterrichtsgarantie an Schulen habe "lediglich zu einer Verminderung der Ausfallquote" geführt.

Jürgen Rüttgers legte angesichts solcher beamtendeutschen Satzungetüme zumeist fragend die Stirn in Falten - und hielt sich an den ehemaligen SPD-Vorsitzenden Franz Müntefering. Der soll einst gesagt haben, er könne "nur kurze Sätze".

Als es um die von der SPD angestrebte Einführung einer Gemeinschaftsschule ging, sagte Rüttgers: "Das führt zu einem Schulkrieg, den will ich nicht." Als Kraft dagegenhielt, die SPD wolle keine Schulen schließen, sagte Rüttgers in jammerndem Tonfall: "Sie wollen alle zusammenlegen - und dann sind sie weg!"

Auf ihrer Internetseite bemühte sich die SPD noch während des Duells in einem Liveblog, diesen Eindruck eines drohenden Schulchaos zu zerstreuen. Im TV-Studio lächelte Kraft über den Vorwurf hinweg. In ihrem Schlusswort fragte sie die Zuschauer, ob diese das "Wir" in der Gesellschaft oder die "Ellbogengesellschaft" stärken wollten. In ersterem Fall müssten sie SPD wählen.

Rüttgers hielt dagegen: "NRW ist ein wundervolles Land. NRW ist ein starkes Land." Damit das so bleibe, brauche er die Stimme der Wähler. Johannes Rau ließ plakatieren: "Wir in NRW". So meint es auch der amtierende Ministerpräsident von der CDU.

Hier die sachliche, etwas umständliche Kandidatin, dort der zupackende, etwas plumpe Titelverteidiger - dieser Eindruck hielt sich bis zum Schluss. Am Mittwoch sehen sich die Kontrahenten in der "Elefantenrunde" des WDR-Fernsehen wieder. Dort stehen die Spitzenkandidaten aller fünf Parteien im Ring.

Ein Sieger wird dann noch schwerer zu ermitteln sein.

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