Wahl in Niedersachsen:Merkel sieht sich durch Niedersachsen-Wahl nicht geschwächt

  • Die SPD von Ministerpräsident Stephan Weil hat in Niedersachsen klar die Wahl gewonnen. Doch eine Fortsetzung von Rot-Grün ist nicht möglich.
  • Politiker von SPD und Grünen fordern die FDP nun auf, ihre strikte Ablehnung einer Ampel-Koalition zu überdenken.
  • Bleibt die FDP bei ihrer Haltung, sind die verbleibenden Optionen in Niedersachsen eine große Koalition unter SPD-Führung oder eine Jamaika-Koalition. Die hält SPD-Mann Weil allerdings für unrealistisch.

Angela Merkel sieht in der CDU-Wahlschlappe in Niedersachsen keine Schwächung für die Regierungsbildung im Bund. Die Kanzlerin lobte den unterlegenen Spitzenkandidaten der Niedersachsen-CDU, Bernd Althusmann, bei einer gemeinsamen Pressekonferenz. Die CDU habe zwar das Ziel, als stärkste Partei aus der Landtagswahl hervorzugehen, nicht erreicht - trotzdem sei das Ergebnis auch für Ministerpräsident Stephan Weil von der SPD nur ein Teilerfolg: "Rot-Grün ist abgewählt", sagte Merkel über das niedersächsische Wahlergebnis.

Die SPD war bei der Wahl in Niedersachsen stärkste Partei geworden. Sie kommt nach Auszählung aller Stimmen auf 36,9 Prozent und liegt damit vor der CDU, der 33,6 Prozent der Wählenden ihre Stimme gaben. Eine Fortsetzung der rot-grünen Koalition ist jedoch wegen deutlicher Verluste der Grünen nicht möglich: Diese liegen bei nur 8,7 Prozent. Die Sitzverteilung sieht mit Überhang- und Ausgleichsmandaten so aus: SPD 55, CDU 50, Grüne zwölf, FDP elf und die AfD neun. Rot-Grün kommt damit auf 67 Mandate. Die absolute Mehrheit liegt bei 69 Mandaten.

Landespolitische Themen hätten "eine sehr große Rolle gespielt", erklärte die Kanzlerin. Deswegen sei das Ergebnis nicht auf die Bundespolitik übertragbar. Als Themen, die sie in den Sondierungsgesprächen im Bund besonders forcieren will, nannte Merkel unter anderem Wirtschaft und Arbeit, Familienpolitik, innere Sicherheit, Integration und Fachkräftemangel. Diese Woche beginnen in Berlin die Sondierungsgespräche zwischen FDP, Grünen, CDU und CSU. Die Kanzlerin sagte, sie rechne damit, dass die Sondierungsgespräche mehrere Wochen dauern würden.

Martin Schulz bezeichnete das Ergebnis bei einer Pressekonferenz in Berlin als "Triumph von Stephan Weil und der niedersächsischen SPD". Die SPD sei zufrieden und "gut gelaunt", sagte der gescheiterte Kanzlerkandidat. Allerdings sei klar: "Mit diesem Wahlsieg ist noch nicht ein einziges Problem, das wir anpacken müssen, aus der Welt." Schulz kündigte an, die SPD zu reformieren. Die Partei habe "organisatorisch, programmatisch und auch personell einen langen Weg der Erneuerung" vor sich. Die parteiinterne Kommunikation werde verbessert. Programmatisch werde sie einen "erkennbaren gesellschaftspolitischen Entwurf" für das digitale Zeitalter erarbeiten. Personelle Veränderungen kündigte Schulz zwar an, er wollte aber noch keine Details preisgeben.

Bernd Althusmann kündigte an, die niedersächsische CDU als Oppositionspartei führen zu wollen. Seine Partei werde die Niederlage sehr genau analysieren. Auch er betonte, dass die Wähler mit der rot-grünen Regierung nicht mehr zufrieden gewesen seien. "Es besteht kein Grund, in Niedersachsen in Sack und Asche zu gehen oder Trauer zu tragen. Für Euphorie besteht allerdings auch kein Grund", fasste Althusmann die Stimmung der Niedersachsen-CDU zusammen. Den Einzug der AfD in den Landtag müsse man nutzen, um sie zu "entzaubern", indem man den radikal Rechten "gute Argumente" entgegensetze.

Sigmar Gabriel: "Bestätigung" von Weils Regierungsarbeit

Die FDP hat die Beteiligung an einer Ampel-Koalition bereits ausgeschlossen. SPD und Grüne verlangen von den Liberalen, das zu überdenken. Der Vizekanzler und frühere SPD-Chef Sigmar Gabriel forderte CDU und FDP auf, eine Regierung unter Führung der SPD zu ermöglichen.

"Es sind jetzt alle klug beraten, dieses Wählervotum nicht zu ignorieren, sondern darauf zu setzen, dass eine stabile Koalition zustande kommt", sagte Gabriel am Rande eines EU-Außenministertreffens in Luxemburg. Das Wahlergebnis sei eine "Bestätigung der Regierungsarbeit" von SPD-Ministerpräsident Stephan Weil. Dieser habe gewonnen, weil die Menschen ihm im Lande vertrauten und seine Regierungsarbeit richtig gefunden hätten.

Auch Weil mag sich ein Regierungsbündnis ohne seine Partei nicht vorstellen. Eine Jamaika-Koalition unter Führung der zweitplatzierten CDU mit FDP und Grünen hält er in seinem Bundesland für undenkbar. "Das halte ich in Niedersachsen für sehr ausgeschlossen", sagte der Wahlsieger im ARD-"Morgenmagazin". "Es gab so eindeutige Aussagen wirklich von allen Beteiligten. So weit reicht meine Fantasie nicht."

Zur Absage der niedersächsischen FDP an eine Ampel-Koalition mit SPD und Grünen sagte Weil, er wolle den Gesprächen nicht vorgreifen. "Wir schauen mal, wie weit wir damit kommen." Rein rechnerisch wäre auch eine große Koalition aus SPD und CDU denkbar. "Beides ist in Niedersachsen nicht so ganz einfach", sagte Weil. Er bedauerte, dass die Mehrheiten nicht zur Fortsetzung der bisherigen rot-grünen Regierung reichen: "Das wäre eigentlich die Konstellation gewesen, mit der ich am liebsten weitergemacht hätte."

Außer einer Ampel-Koalition sind rechnerisch nur die Bildung einer großen Koalition oder eines Jamaika-Bündnisses aus CDU, FDP und Grünen möglich.

Druck auf die FDP von Grünen und SPD

Grünen-Politiker Jürgen Trittin griff die FDP in Niedersachsen für ihre Absage an ein gemeinsames Dreierbündnis unter SPD-Führung scharf an. "Dass sich die FDP einfach Gesprächen verweigert, ist demokratisch verantwortungslos", sagte der Bundestagsabgeordnete aus Niedersachsen der Nachrichtenagentur dpa. Die Freidemokraten müssten verstehen, dass der Wahlkampf vorbei sei.

"Wenn wir Grüne uns auf Bundesebene so wie die niedersächsische FDP verhalten würden, gäbe es keine Jamaika-Sondierungen", sagte Trittin, der für die Grünen an Gesprächen mit Union und FDP im Bund teilnehmen wird. Ministerpräsident und Wahlgewinner Stephan Weil habe mit der SPD einen "klaren Regierungsauftrag", sagte Trittin.

Anja Piel, die Spitzenkandidatin der niedersächsischen Grünen, hält sich die Möglichkeit einer Regierungsbeteiligung ihrer Partei offen: "Wir haben dennoch klar Kurs gehalten und gesagt, wir stehen für Gespräche mit allen zur Verfügung, außer der AfD" - auch wenn CDU und FDP wiederholt eine Koalition mit den Grünen ausgeschlossen hätten, sagte sie auf einer Pressekonferenz in Berlin. "Wir erwarten für die nächsten Tage auch ein bisschen Bewegung in der Debatte".

Auch mehrere niedersächsische Landespolitiker forderten die Liberalen auf, ihr stures Nein zu überdenken. "Das Erste, was man machen muss, ist, miteinander zu reden", sagte der stellvertretende SPD-Landesvorsitzende Olaf Lies. Es werde darum gehen, zu klären, ob es eine Vorstellung über eine gemeinsame Politik von SPD, Grünen und FDP gebe. Vor der Wahl bestimmte Koalitionen auszuschließen sei das eine, nun aber müsse vertraulich über Inhalte geredet werden, sagte der Wirtschaftsminister.

Landesagrarminister Christian Meyer forderte die FDP ebenfalls zum Einlenken auf. "Die FDP sollte ihre Blockadehaltung überdenken", sagte der Grünen-Politiker der dpa. Eine Ampel-Koalition "wäre eine Koalition der progressiven Kräfte".

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