Wahl in Iran:Straßenschlachten nach Ahmadinedschads Sieg

Nach dem offiziell erklärten Wahlsieg von Amtsinhaber Mahmud Ahmadinedschad hat es in Teheran die schwersten Unruhen seit einem Jahrzehnt gegeben.

Kein Kurswechsel im Iran: Bei der Präsidentschaftswahl im Iran hat sich der wegen seiner Atompolitik international umstrittene Präsident Mahmud Ahmadinedschad nach offiziellen Angaben überraschend klar durchgesetzt. Er lag demnach mit über 62 Prozent der Stimmen weit vor seinem reformorientierten Herausforderer Mir Hussein Mussawi, auf den knapp 34 Prozent entfielen.

Wahl in Iran: In Iran protestieren zahlreiche Menschen.

In Iran protestieren zahlreiche Menschen.

(Foto: Foto: AFP)

Mussawi sprach von Wahlbetrug. Nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses durch das Innenministeriums kam es in den Straßen Teherans zu teils gewalttäigen Protesten. Die USA reagierten zurückhaltend auf das in Teheran verkündete Ergebnis.

In einer Siegesrede am Abend sprach Ahmadinedschad von dem Beginn einer neuen Ära. Die Menschen im Iran seien nun voller Hoffnung. Die Wahl habe auch gezeigt, dass die Menschen wollten, dass der Iran respektiert werde, erklärte der Präsident. Zu den Vorwürfen, es habe Manipulationen bei der Stimmauszählung gegeben, sagte er, das Ergebnis sei eindeutig.

Mussawi, auf dessen Wahlsieg der Westen gehofft hatte, zweifelte dagegen das Ergebnis an. Er sprach von "Lügen" und einer "gefährlichen Inszenierung". Auf seiner Internetseite erklärte der Oppositionspolitiker, die Iraner wüssten ganz genau, für wen sie gestimmt hätten. Sie würden weder "das Stimmzähl-Theater im (staatlichen) Fernsehen akzeptieren noch jenen folgen, die sich die Macht durch Lug und Trug erschwindelt haben".

"Die Lügen und Tyrannei werden eine verheerende Wirkung auf das Schicksal unseres Landes haben." Die beiden anderen Bewerber lagen bei der Wahl am Freitag weit abgeschlagen bei zusammen nur rund drei Prozent.

Aus Sorge vor massiven Protesten der Opposition erließen die Teheraner Behörden am Samstag ein Demonstrationsverbot. Dennoch protestierten Tausende Menschen in Teheran für Mussawi. Dabei kam es in mehreren Stadtteilen zu teils heftigen Auseinandersetzungen mit der Polizei, die massiv Tränengas einsetzte. Die Sender CNN und BBC zeigten Bilder von Polizisten, die mit Schlagstöcken auf Demonstranten einprügelten.

Die Demonstranten bewarfen die Polizei mit Steinen. "Ahmadinedschad, schäme Dich", skandierten die Demonstranten. Die Proteste und das gewaltsame Vorgehen der Polizei erinnerte Beobachter an große Teheraner Studentenproteste im Jahr 1999.

In einer kurzen Erklärung rief Mussawi seine Anhänger am Abend auf, Ruhe zu bewahren. Sie sollten sich von "Unruhestiftern" nicht in eine Falle locken lassen, schrieb Mussawi. Mussawi hatte schon in der Nacht zum Samstag von Unregelmäßigkeiten und Betrug gesprochen.

Am Samstag wurde er von der Polizei daran gehindert, eine Pressekonferenz zu geben. Auch eine für den Vormittag geplante Rede Mussawis an seine Anhänger wurde verhindert. Mussawis Hauptquartier wurde durch das Innenministerium abgeriegelt.

Der oberste religiöse und weltliche Führer im Iran, Ajatollah Ali Chamenei, gratulierte Ahmadinedschad zur Wiederwahl. Gleichzeitig warnte er Mussawi vor "Provokationen". Alle Kandidaten sollten auf provozierenden Handlungen und Worte verzichten, hieß es nach Angaben des britischen Senders BBC in einer Erklärung Chameneis, der theoretisch das Recht gehabt hätte, die Wahl im Falle von Unregelmäßigkeiten für ungültig zu erklären.

Vor der Wahl war ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Ahmadinedschad und Mussawi erwartet worden, zumal es dem 67-Jährigen zusammen mit seiner populären Ehefrau Sahra Rahnaward gelungen war, viele Frauen anzusprechen. Mussawi stand im Wahlkampf für einen Neuanfang nicht zuletzt im schlechten Verhältnis zu den USA. Ahmadinedschad hat es nach Ansicht von Beobachtern verstanden, die von der Wirtschaftskrise geplagten Iraner auf seine Seite ziehen. "Den Leuten auf dem Land ist es herzlich egal, ob ihr Präsident in Europa oder den USA salonfähig ist", sagte der Wiener Iran-Experte Walter Posch in einem dpa-Gespräch.

Die Wahlbeteiligung erreichte laut Wahlkommission mit 82 Prozent eine Rekordhöhe. Wegen des großen Andrangs waren die Öffnungszeiten der Wahllokale am Freitag mehrfach verlängert worden.

Die US-Regierung reagierte zunächst zurückhaltend. Washington hoffe, dass "das Ergebnis den wahren Willen und den Wunsch des iranischen Volkes widerspiegelt", sagte Außenministerin Hillary Clinton während eines Besuchs in Kanada am Samstag. Die USA verfolgten die Entwicklungen im Iran genau. Der kanadische Außenminister Lawrence Cannon erklärte, sein Land sei "tief besorgt" über Berichte, nach denen es zu Unregelmäßigkeiten bei den Wahlen bekommen sei.

Israel betonte nach Verkündung von Ahmadinedschads Sieg die Gefahr einer nuklearen Bedrohung durch den Erzfeind. Das Resultat sei ein klares Signal dafür, dass es für die gegenwärtige Politik im Iran eine breite Unterstützung gibt, "und es wird so weitergehen", sagte Vize-Ministerpräsident Silvan Schalom in Jerusalem. "Die Vereinigten Staaten und die freie Welt müssen die Politik in Bezug auf die nuklearen Ambitionen Teherans überdenken", sagte er. Der Grünen-Fraktionsvize Jürgen Trittin erklärte am Samstag, "es muss so schnell wie möglich eine glaubhafte Untersuchung über das Ausmaß von Wahlfälschungen durchgeführt werden".

Unterdessen hieß es, dass in Irans Hauptstadt Teheran am Samstagabend das Mobilfunknetz nicht mehr verfügbar war. Das Telekommunikationsministerium äußerte sich zunächst nicht dazu. Wer in Teheran sein Handy einschalten wollte, bekam einen "Fehler in der Verbindung" angezeigt. Offenbar war aber nicht landesweit das Mobilfunknetz gestört. Einwohner anderer iranischer Städte berichteten, sie könnten mobil telefonieren. Bereits am Freitag war der SMS-Kurzmitteilungsdienst blockiert worden. Auch Mussawi-nahe Webseiten waren nicht mehr zugänglich. SMS, Handys und Internet werden vor allem von der überwiegend jungen Anhängerschaft Mussawis genutzt.

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